DOMRADIO.DE: Was stört Sie daran, wenn Menschen den Papst fotografieren?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Generell stört es mich nicht, wenn man den Papst fotografiert. Aber es stört und verwirrt mich, wenn es bei Gottesdiensten oder liturgischen Zeremonien geschieht. Dann bin ich doch ein bisschen schockiert -und ich bin nicht leicht zu schockieren - wenn ich dann vor allem Hände und Smartphones sehe.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn für das Fotografieren kein klares Protokoll?
Nersinger: Es gibt ein geschriebenes und ein ungeschriebenes Protokoll, aber wer hält sich daran oder wer kontrolliert das?
Es ist natürlich schwierig zu kontrollieren, aber ich denke, irgendwie geht es doch oder man könnte es zumindest arrangieren.
DOMRADIO.DE: Wer fotografiert denn da zum Beispiel?
Nersinger: Alle - vom normalen Gottesdienstbesucher bis zum Kardinal. Und das ist etwas, was ich nicht so ganz verstehe: Wenn ich sehe, dass Kardinale oder Bischöfe, die konzelebriveren, während der Liturgie ihr Smartphone zücken.
DOMRADIO.DE: Was machen denn die Kardinäle oder Priester mit ihren Fotos? Sind die für's private Album oder posten sie das, um mehr Follower zu bekommen?
Nersinger: Ja, sie legen die Hand auf die Wunde. Das frage ich mich auch. Hat man das nötig? Ist es wichtig, dass man das macht? Also, wenn ich das bei Liturgien, bei Gottesdiensten, bei Konzelebranten sehe, warte ich eigentlich nur noch darauf, dass irgendjemand von den Kardinälen oder Bischöfen am Altar ein Selfie mit dem Papst macht.
DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. gehört wahrscheinlich zu den am meisten fotografierten Menschen der Welt. Sie sagen, selbst Priester, Kardinale oder Bischöfe, die mit ihm die Messe feiern, fotografieren ihn beim Gottesdienst und in anderen möglichen, aber eben auch unmöglichen Situationen. Herr Nersinger, warum ist das problematisch?
Nersinger: Ich halte es für respektlos, vor allen Dingen, wenn es eine heilige Handlung betrifft. Wir sind ja nicht bei einer Mallorca-Fete, wo das erlaubt sein könnte. Aber bei einem Gottesdienst? Manchmal auch bei wirklich intimen Szenen wie bei der Wandlung. Das geht eigentlich nicht.
Dann gibt es noch einen anderen Aspekt: Es gibt ja die Möglichkeit, Fotografien von der Feier zu bekommen, denn der Vatikan hat einen eigenen Fotodienst.
DOMRADIO.DE: Okay, der Vatikan hat eigene Fotografen?
Nersinger: Ja, ich habe eben noch mal nachgeschaut. Man kann diese Fotos bequem am Computer bestellen - in digitaler Form oder auf Papier. Und das zu Preisen, die unter 10 Euro liegen. Und natürlich auch in weitaus besserer Qualität als mit dem Smartphone.
DOMRADIO.DE: Woran könnte sich der Vatikan denn noch ein Beispiel nehmen in Zukunft?
Nersinger: Ich denke immer an das britische Königshaus. Mich hat die Aufbahrung von Königin Elisabeth II. sehr stark beeindruckt. Das war dermaßen ergreifend. Und Sie sahen kein einziges Handy - das war verboten und ist auch kontrolliert worden.
Man hat das niemandem erlaubt und das zeigt, dass es geht. Vielleicht sollte die Präfektur des Päpstlichen Hauses sich einmal mit den entsprechenden Stellen am britischen Hof in Verbindung setzen.
DOMRADIO.DE: Herr Nersinger, mal ehrlich... Haben Sie selbst einen Papst fotografiert?
Nersinger: Ja, jetzt kommt mein "mea culpa". Ich habe als junger Mensch auch gesündigt, das war in der Mitternachtsmesse zu Ostern im Heiligen Jahr 1975. Damals stand ich am Gang und damals wurde der Papst noch auf der "Sedia gestatoria" herausgetragen. Das ist ein Tragestuhl, der bald abgeschafft wurde. Das war eine Gelegenheit, die ich nicht verpassen wollte und da habe ich auch meine Kamera gezückt.
Ich habe es aber doch relativ schnell bereut, weil ich gedacht habe "der arme Papst, wenn er ein Blitzlicht sieht"... auch die Träger, die ja so ein Blitzlichtgewitter verwirrt. Ich schlage mir jetzt symbolisch dreimal an meine Brust.
DOMRADIO.DE: Und das Foto haben Sie meistbietend verkauft?
Nersinger: Nein, so schön ist es nicht geworden. Damals waren ja die Kamera- und die Schnellaufnahmen nicht so gut. Ich habe es verwahrt, aber es ist eigentlich nicht präsentabel. Es ist eine schöne Erinnerung.
Das Interview führte Carsten Döpp.