Erneuter Versuch zur Beendigung der Debatte um die Miterlöserin

Glaubensdikasterium setzt auf theologische Argumente

Ist Maria als Mutter des Erlösers nicht auch Miterlöserin? Diese Frage kocht in der Kirche jedenfalls in bestimmten Kreisen immer wieder hoch. Der Vatikan wollte Klarheit schaffen, ohne neue Gräben aufzureißen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel und Severina Bartonitschek
Maria mit dem Jesuskind / © Lorenz Lenk (KNA)
Maria mit dem Jesuskind / © Lorenz Lenk ( KNA )

"Wir haben diesen Text mit tiefer Trauer gelesen..." So kommentierte das traditionalistische Portal "Corrispondenza Romana" die am 4. November vom vatikanischen Glaubensdikasterium veröffentlichte lehrmäßige Note mit dem Titel "Mater populi fidelis" (Mutter des gläubigen Volkes). 

Weiter schreibt der Kommentator: "In einer historischen Stunde der Verwirrung, in der sich alle Hoffnungen der glühenden Seelen der Seligen Jungfrau Maria zuwenden, will die Kongregation für die Glaubenslehre sie der Titel der Miterlöserin und der universellen Mittlerin aller Gnaden berauben und sie zu einer Frau wie jede andere herabstufen."

Der Ton tiefen Bedauerns in dem traditionalistischen Portal, das wenige Tage zuvor noch die Feier der alten lateinischen Messe im Petersdom durch Kardinal Leo Burke als Ereignis von historischem Rang bejubelt hatte, war unüberhörbar. Doch löste das Dokument innerhalb der Internetblase der Ultrakonservativen lediglich einen überschaubaren Sturm der Entrüstung aus.

Kardinal Victor Manuel Fernandez / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Victor Manuel Fernandez / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Und das, obwohl sich Glaubenshüter Víctor Fernández mit seinem Schreiben explizit gegen einige Gruppen marianischer Inspiration richtet, die "im Internet sehr präsent sind", und mit "neuen Formen der Verehrung und sogar Forderungen nach marianischen Dogmen" Zweifel bei einfachen Gläubigen säen könnten.

Kein Verbot und keine Verurteilung

Das mag auch damit zusammenhängen, dass der argentinische Kurienkardinal in seiner Note sich zwar in aller Eindeutigkeit gegen die Verwendung von Titeln wie "Miterlöserin" für Maria ausspricht, dies aber nicht in Form eines expliziten Verbots tut oder gar einer Verurteilung als "Irrlehre". Stattdessen wählte er Ausdrücke wie "unangebracht" oder "kann zu Verwirrung führen". Damit blieb er unterhalb einer echten lehrmäßigen Kampfansage und hielt sich so offenbar an die allgemeine Vorgabe von Papst Leo XIV., bei dogmatischen Klarstellungen nicht neue Zerwürfnisse zu schaffen.

Fraglich bleibt allerdings, ob es dem Papst und seinem obersten Glaubenshüter mit dieser weichen Variante der Abgrenzung gelingt, den Konflikt zu beenden. Denn der schwelt spätestens seit dem Pontifikat des glühenden Marienverehrers Johannes Paul II. immer wieder in Teilen der katholischen Kirche. Seit der Papst aus Polen in den ersten Jahren seines Pontifikats in mehreren Ansprachen für Jesu Mutter Maria den Titel der "Miterlöserin" (Co-Redemptrix) benutzte, wurden Forderungen einzelner Theologen laut, diesen Titel auch offiziell als Kirchenlehre zu verkünden.

Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 bei seinem Deutschlandbesuch (KNA)
Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 bei seinem Deutschlandbesuch / ( KNA )

Andere warnten davor - nicht zuletzt mit Blick auf die Verständigung mit der protestantischen Theologie. Denn die hätte eine derartige Formulierung als Affront und massive Erschwernis des ökumenischen Dialogs gesehen. Der Meinungsstreit schien erstmals vor Jahren beendet, als der damalige Glaubenshüter Kardinal Joseph Ratzinger 1996 abweichend von der Sprechweise des damaligen Papstes auf eine entsprechende Anfrage erklärte: "Negativ. Die genaue Bedeutung der Titel ist nicht klar, und die in ihnen enthaltene Lehre ist nicht ausgereift." 

2002 sagte er es noch schärfer: "Die Formel 'Miterlöserin' [entfernt] sich [zu weit] von der Sprache der Schrift und der Väter und [ruft] daher Missverständnisse hervor... Alles kommt von ihm, wie es besonders der Epheser- und der Kolosserbrief sagen; auch Maria ist alles, was sie ist, durch ihn. Das Wort 'Miterlöserin' würde diesen Ursprung verdunkeln."

Schroffe Ablehnung durch Papst Franziskus

Apodiktisch äußerte sich Papst Franziskus zu diesen Ideen. Er sagte über Maria: "Sie hat nicht für sich darum gebeten, eine Quasi-Erlöserin oder Mit-Erlöserin zu sein: nein. Der Erlöser ist einer allein, und dieser Titel verdoppelt sich nicht." Offenbar scheinen sich bestimmte Kreise in der Kirche nach dem Pontifikatswechsel im Mai neue Hoffnungen auf einen inhaltlichen Kurswechsel in dieser Frage gemacht zu haben.

Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Nun aber haben Leo XIV. und Kardinal Fernández allen derartigen Spekulationen schnell einen Riegel vorgeschoben. Interessant ist, dass Fernández in seiner Note nicht nur innerkatholisch-dogmatisch argumentiert, sondern auch die ökumenische Dimension des Themas explizit erwähnt. 

So schreibt er im Vorwort: "Während der Text klarstellt, in welchem Sinne einige Titel und Ausdrücke, die sich auf Maria beziehen, annehmbar sind oder nicht, zielt er gleichzeitig darauf ab, in einer Vertiefung der angemessenen Grundlagen der Marienverehrung den Platz Marias in ihrer Beziehung zu den Gläubigen im Lichte des Mysteriums Christi als einzigem Mittler und Erlöser zu verdeutlichen. Dies setzt eine tiefe Treue zur katholischen Identität und gleichzeitig ein besonderes ökumenisches Bemühen voraus."

Präsentation mit Eklat - "nicht für Dialog geeignet"

Bemerkenswert war auch die Präsentation des Dokuments. Der Text wurde nicht, wie sonst üblich, im Rahmen einer Pressekonferenz im Vatikan vorgestellt, sondern in der Aula der wenige Meter entfernten Jesuitenkurie. Ebenso wenig von der koordinierenden Vatikan-Pressestelle stammte die Einladung, sondern vom Glaubensdikasterium selbst, das anschließend zu einem Umtrunk einlud.

Fragen waren nicht erlaubt. Das Dokument eigne sich nicht für einen Dialog zwischen Journalisten und dem Dikasterium, hieß es gleich zu Beginn der Präsentation von der Nummer zwei der Behörde, Armando Matteo. Freilich galt dies ebenso für Unterbrechungen und Anmerkungen weiterer Teilnehmer. Das Publikum bestand vornehmlich aus Dutzenden Priestern, unter ihnen viele Offizielle des Dikasteriums.

Möglicherweise befürchtete man im Vatikan, dass es bei der Vorstellung im Rahmen einer normalen Pressekonferenz zu konfliktverschärfenden Fragen von konservativer Seite kommen könnte.

Eine Marienstatue / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Marienstatue / © Harald Oppitz ( KNA )

Ganz vermeiden ließ sich das jedoch auch nicht in der holzvertäfelten Jesuiten-Aula. Denn weder forderte die Einladung eine namentliche Rückmeldung, noch wurde der Zugang kontrolliert. So war auch eine Gruppe Laien anwesend, die mit Fernández' Ablehnung des "Maximalismus" bei der Marienverehrung nicht einverstanden war und diese Ausführungen mit Zwischenrufen unterbrach.

Themen um Gnade und Erlösung hätten in der Geschichte der Kirche schon die heftigsten Kontroversen ausgelöst, und beim Konzil von Trient gar zu Handgreiflichkeiten geführt, parierte Fernández die Beschwerden. Das nächste Dokument soll wieder in der vatikanischen Pressestelle vorgestellt werden. Dessen Thema Monogamie sollte wenigstens kirchenintern für weniger Aufregung sorgen.

Dikasterium für die Glaubenslehre

Geschichtliches Profil

Papst Paul III. errichtete 1542 eine Kommission von sechs Kardinälen mit dem Auftrag, über Glaubensfragen zu wachen (Bulle Licet ab initio vom 21. Juli 1542). Diese Kommission mit dem Namen Römische und Allgemeine Inquisition diente zu Beginn ausschließlich als Gericht für Fälle von Häresie und Schisma.

Ab 1555 erweiterte Paul IV. ihren Tätigkeitsbereich um die Beurteilung verschiedener moralischer Fragen.

Hinweisschild zum Dikasterium für die Glaubenslehre / © Paul Wuthe/Kathpress (KNA)
Hinweisschild zum Dikasterium für die Glaubenslehre / © Paul Wuthe/Kathpress ( KNA )
Quelle:
KNA