Vatikan-Experte erklärt Geschichte des größten Friedhofs von Rom

"Ein globales Dorf"

Papst Leo nimmt einige Traditionen wieder auf, mit denen Franziskus gebrochen hatte. Dazu gehört auch der Allerseelen-Gottesdienst auf dem größten Friedhof Roms. Vatikan-Experte Ulrich Nersinger erklärt die Geschichte dieses Ortes.

Autor/in:
Marcus Poschlod
Der menschenleere Campo Verano, größter Friedhof von Rom, 27. März 2020 in Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Der menschenleere Campo Verano, größter Friedhof von Rom, 27. März 2020 in Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum hat Papst Leo den Campo Verano besucht?

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Er war auf einem ursprünglich päpstlichen Friedhof. Dieser riesige Friedhof ist etwa 80 Hektar groß. Man wollte im 19. Jahrhundert einen wunderschönen Friedhof schaffen. In den Jahren 1837-38 musste man jedoch etwas improvisieren. Damals gab es in Rom eine große Cholera-Epidemie, weshalb man sehr schnell Platz für die vielen Opfer schaffen musste. Damals sind ungefähr 13.000 Menschen verstorben. Sie mussten beigesetzt werden und das ist einer der Gründe, warum wir heute so einen riesigen Friedhof mitten in Rom haben. Damals lag er noch außerhalb der Stadtmauern.

Vatikanexperte und Buchautor Ulrich Nersinger. (EWTN)
Vatikanexperte und Buchautor Ulrich Nersinger. / ( EWTN )

DOMRADIO.DE: Mit 80 Hektar ist der Campo Verano wirklich ein riesiger Friedhof. Wie sieht dieser Friedhof aus?

Nersinger: Es gibt einige schöne Beschreibungen des Friedhofs in der Literatur. Man sprach etwa von einem "villaggio globale”, einem globalen Dorf. Andere bezeichneten ihn als "il museo sempre aperto”, das stets geöffnete Museum. Er ist eine große Fläche mit Erhebungen und wenn man darüber geht, muss man eben auch Steigungen überwinden. Wenn es nicht ein so trauriger Ort wäre, könnte man von einer wunderschönen Landschaft sprechen.

DOMRADIO.DE: Wer durfte oder darf dort überhaupt begraben werden?

Nersinger: Seit dem Ende des Kirchenstaates darf dort eigentlich so gut wie jeder seine letzte Ruhe finden. Nach 1870 hat man den Friedhof eben auch für andere Konfessionen geöffnet, auch für andere Weltanschauungen. Es gibt auf dem Friedhof zum Beispiel eine Grabstätte für die Großmeister der Freimaurerlogen. Auch Politiker aller Couleur sind dort vertreten – von den Christdemokraten bis zu den Kommunisten. Es ist auch ein eigener "reparto” geschaffen worden für die jüdischen Mitbürger. Der Friedhof ist also wirklich ein globales Dorf.

Ulrich Nersinger

"Andere bezeichneten ihn als 'il museo sempre aperto', das stets geöffnete Museum."

DOMRADIO.DE: Das heißt, auch Einwohner des Vatikans finden dort ihre letzte Ruhestätte?

Nersinger: Sehr viele, denn im Vatikan sind die Möglichkeiten sehr begrenzt, dort beigesetzt zu werden. Wir kennen ja alle den deutschen Friedhof, wir kennen einen kleinen Friedhof bei San Pellegrino. Aber diese Friedhöfe waren natürlich auch schon in der Zeit vor dem Kirchenstaat begrenzt. Deshalb hat man für Körperschaften im Vatikan, vor allen Dingen etwa für das Kapitel von Sankt Peter, ein eigenes Areal und eigene Grüfte angelegt. Die einzelnen Mitglieder und Mitarbeiter der römischen Dikasterien und anderer Institutionen, die im Vatikan vertreten sind, haben meistens auch eine Grabstätte am Campo Verano.

Papst Leo XIV. feiert am 2. November 2025 Allerseelen auf dem Verano-Friedhof in Rom (Italien). / © Vatican Media/Romano Siciliani/KNA (KNA)
Papst Leo XIV. feiert am 2. November 2025 Allerseelen auf dem Verano-Friedhof in Rom (Italien). / © Vatican Media/Romano Siciliani/KNA ( KNA )

DOMRADIO.DE: Gibt es auf dem Campo Verano so etwas wie ein Lieblingsgrab von Ihnen?

Nersinger: Es sind ja viele Angehörige des Vatikans dort beigesetzt und unter anderem gibt es auch einen Bereich für die Angehörigen der ehemaligen päpstlichen Armee. Deren Kommandant, also der letzte General des Kirchenstaates, war ein Deutscher. Ihm hat man dort eine Grabstätte in Form eines Wachthäuschens erbaut. Das ist eine sehr interessante und auch ungewöhnliche Art und Weise jemanden zu ehren und beizusetzen.

Ulrich Nersinger

"Wenn man sich den ganzen Campo Verano öfter anschaut, ist das wie eine gratis Lektion in Geschichte."

DOMRADIO.DE: Hat es Tradition, dass Päpste, so wie nun Papst Leo XIV., diesen Friedhof an Allerheiligen oder Allerseelen besuchen?

Nersinger: Der Begründer dieser Tradition ist eigentlich Papst Johannes Paul II. Nach ihm ist Benedikt XVI. seinem Beispiel gefolgt. Papst Franziskus war auch schon dort, hat für das Totengedenken aber auch andere Friedhöfe aufgesucht. Jetzt hat Leo XIV. diese Tradition wieder aufgenommen und dort die Messe zelebriert. Ich vermute, dass er das auch in den kommenden Jahren beibehalten wird. Der Campo Verano ist ja nicht nur ein Friedhof, den man in diesen Tagen besucht, sondern wenn man sich den ganzen Campo Verano öfter anschaut, ist das wie eine gratis Lektion in Geschichte. Ich denke, das hat auch Papst Leo verstanden und will diese Botschaft mit seinem Besuch verbinden.

Das Interview führte Marcus Poschlod.

Quelle:
DR

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