"Die Weltreligionen können im Tiefsten Quellen des Friedens sein, sind aber heute in dieser Hinsicht in einer prekären Situation", sagte Marx am Mittwochabend bei einem interreligiösen Dialog im Aachener Rathaus.
Religion sei vielerorts zu einem Mittel der Abgrenzung geworden. "Insbesondere ist es ein Skandal, dass Juden in Europa und in Deutschland wieder Angst haben müssen", betonte der Erzbischof. Europa sei ohne den Juden Jesus aus Nazareth nicht zu verstehen.
An dem Gespräch nahmen neben Marx auch der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, und der islamische Theologe Mouhanad Khorchide von der Universität Münster teil. Eingeladen hatten die Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen und die Europäische Stiftung Aachener Dom.
"Es gibt keinen heiligen Krieg"
Goldschmidt warnte vor wachsendem Antisemitismus und sprach von einer Bedrohung nicht nur für jüdische Gemeinden, sondern für ganz Europa. "Es gibt keinen heiligen Krieg, sondern nur einen heiligen Frieden", sagte er. "Wir müssen alles tun, um die Zukunft Europas gemeinsam zu gestalten."
Khorchide hob hervor, Muslime in Europa erlebten viele Freiheiten, die ihnen in den meisten muslimischen Ländern verwehrt blieben. Das sei "gelebte Nächstenliebe". Die Herausforderung bestehe in den Fragen, welcher Islam zu Europa gehöre und inwiefern freiheitliche Werte zum Islam gehörten.
"Die Demokratie braucht Religion"
Marx warnte vor einer Vermischung von Religion und Politik. Gott sei kein nationaler oder Kriegsgott, sondern der Gott aller Menschen. Religion müsse die Menschheit aufrichten, nicht spalten.
Einig waren sich die drei Diskutanten darin, dass Religionen stärker mit der säkularen Gesellschaft ins Gespräch kommen sollten. "Der Mensch weiß heute nicht mehr, was wahr und was falsch ist", sagte Goldschmidt. Das sei die größte Herausforderung heute. Die Juden seien bereit, mit den neu nach Europa kommenden Muslimen zusammen zu lernen, wie man als Minderheit in einem europäischen Land lebe und überlebe. Marx betonte: "Die Demokratie braucht Religion."