DOMRADIO.DE: Jeder empfindet Zufriedenheit und Glück anders. Gibt es eine wissenschaftliche Definition von Glück?
Prof. Anton Bucher (Theologe und Glücksforscher an der Paris Lodron Universität Salzburg): Mit dem ersten Punkt haben Sie völlig recht. Menschen können bei Tätigkeiten glücklich sein, wo anderen die Haare zu Berge stehen. Glück ist etwas Individuelles, aber gleichwohl gibt es Gemeinsamkeiten, etwa die Erfahrung machen zu dürfen, dass einem aufrichtig gedankt wird. Das beglückt die meisten Menschen.
Wissenschaftlich definiert gilt Glück als eine angeborene Emotion. Das Erste, was Kleinkinder an Emotionen in Gesichtern anderer erkennen können, ist das Glück und die Zufriedenheit. Da hat es die Natur offensichtlich gut mit uns gemeint. Es gibt aber erhebliche individuelle Unterschiede, was Menschen glücklich machen kann.
Meine pubertierende Tochter war zum Beispiel sehr glücklich, als sie es endlich durchgesetzt hat, dass sie als Haustier eine Ratte bekommen durfte. Mir sind da die Haare zu Berge gestanden. Dann ist aber Folgendes passiert: Die Hauskatze kam dazwischen und hat ein Glückssprichwort bestätigt. Das Glück des einen ist das Unglück des anderen.
DOMRADIO.DE: Wie kann man Glück messen?
Bucher: Bei Glück handelt es sich um Selbsteinschätzungen. Menschen beurteilen selbst, ob sie glücklich sind und wie glücklich sie sind. Mittlerweile ist Standard in der Glücksforschung, dass Menschen ihr Smartphone haben. Sie werden dann angepiepst und geben ein, wo sie gerade sind, was sie tun und wie sie sich fühlen: Bin ich eher traurig oder eher glücklich?
Das gilt als objektiver, kann aber verzerrend wirken. Angenommen ich bin mit meiner Partnerin romantisch an einem Frühlingsabend unterwegs und dann piepst dieses Ding und ich müsste eingeben, was ich gerade tue, dann beeinträchtigt die Messung das Gemessene. Das kennen wir auch aus der Quantenphysik.
DOMRADIO.DE: Hamburg liegt beim gerade herausgekommenen "SKL Glücksatlas" vor Bayern und Rheinland-Pfalz, NRW ist Vierter. Hier im Land sind die Menschen mit ihrem Arbeits- und Familienleben besonders zufrieden und glücklich damit. Wie seriös ist so ein Glücksatlas?
Bucher: Die Studie ist vom Demoskopischen Institut in Allensbach durchgeführt worden und das steht für Verlässlichkeit. Wir können davon ausgehen, dass das mit einer Spannbreite von ein bis zwei Prozentpunkten objektive, repräsentative Daten sind.
Auf eins möchte ich noch hinweisen: Ich habe mir die Glücksliste der Städte angeschaut. Wenn es da einen Unterschied von 0,2 Punkten auf einer Skala von 0 bis 10 gibt, dann ist das im Zufallsbereich drinnen. Dann sind die Menschen in diesen Bundesländern, auch wenn da geringfügige Differenzen sind, letztlich doch in etwa gleich glücklich. Es wird oft eine Genauigkeit mit Dezimalstellen vorgetäuscht, die es so nicht gibt. Dennoch ist die Umfrage seriös.
DOMRADIO.DE: Welchen Wert hat Glück für unsere Gesellschaft? In Bhutan ist Glück sogar das oberste Regierungsziel.
Bucher: Das stimmt. Das hat viel Gutes bewirkt, etwa dahingehend, dass zum Glück auch eine bestimmte Umgebung gehört, eine bestimmte Natur, die geschützt werden soll. Auch in unserer Gesellschaft hat Glück einen hohen Stellenwert. Wenn Menschen gefragt werden, was das Wichtigste in ihrem Leben ist, sagen sie sehr oft Glück, aber oftmals auch Spaß zu haben.
Frühere Generationen, gerade auch von Katholiken, haben das nicht so gesehen. Die haben die Welt als ein Jammertal gedeutet, in dem man ein bisschen leiden muss, um dann mit himmlischer Glückseligkeit belohnt zu werden. Demgegenüber springt Glück einen überall an.
Wir leben in einer Glückssteigerungsgesellschaft. Gemäß dem American Way of Life müssten wir immer glücklich sein. Wenn man drüben ist und gefragt wird: "How are you?" und man nicht "well" oder I'm fine" antwortet, ist man zu einem Spielverderber geworden.
Ich finde zum Leben gehört beides, dazu gehört das Glück, aber manchmal auch eine gelegentliche Melancholie oder Traurigkeit. Es gibt viele Anlässe, die auf dieser Welt trauriger stimmen können. Ich wäre für die Vielfalt der Emotionen. Auch für diejenigen, die wir als unangenehmer empfinden, weil das zum Leben gehört.
DOMRADIO.DE: Wie beeinflusst der Glaube das Glücksempfinden?
Bucher: Darüber gibt es mittlerweile Hunderte von Untersuchungen, nicht nur in den Staaten, sondern auch hierzulande und in anderen Kulturen, auch in islamischen Ländern. Gläubige Menschen, die regelmäßig gemeinsam mit Mitgläubigen Gottesdienste feiern, ein Gemeindeleben pflegen oder eine Gottesbeziehung pflegen, sind glücklichere Menschen.
Der Vorteil einer Gottesbeziehung gegenüber irdischen Beziehungen ist die, dass die irdische Beziehung irgendwann zerbrechen kann. Die zu Gott aber kann permanent bestehen bleiben. Gottesglaube, wenn er wirklich innig und authentisch ist, macht Menschen zufriedener und glücklicher. Man motiviert sich eher, glücksbegünstigend zu leben. Das wissen wir aus der Glückssteigerung der Wissenschaft.
Die effizienteste Strategie, um nachhaltig glücklicher zu werden, ist eine Kultur der Dankbarkeit zu pflegen. Auch für die vielen kleinen, angeblich unscheinbaren Dinge in unserem Leben. Letztlich ist jeder Sonnenstrahl und jeder Herzschlag ein Geschenk. Menschen, die das mit Dankbarkeit empfinden, sind viel glücklicher.
Das Interview führte Carsten Döpp.