DOMRADIO.DE: Viele Menschen verbinden Pilgern vor allem mit Bewegung und Natur. Wie verändert denn sich die Erfahrung, wenn man sich zusätzlich aufs Schweigen einlässt?
Beate Steger (Pilgerexpertin und Autorin): Ich habe es in Gruppen erlebt, dass entschieden wurde, das Schweigen punktuell einzubauen. Das heißt, wir haben uns eine Strecke überlegt, die nicht so schwierig war und auf der man sich nicht verläuft, sodass man ein bisschen hintereinander herlaufen kann, anstatt nebeneinander. Und dann wurde gesagt: Wir laufen die nächste dreiviertelstunde Stunde bis Stunde ohne etwas zu sagen. Das kann für manche eine echte Herausforderung sein. Für andere ist es eine Erleichterung, nicht ständig Smalltalk führen zu müssen.
DOMRADIO.DE: Welche Tipps können Sie geben, um das Schweigen Schritt für Schritt zu erlernen?
Steger: Gerade bei solchen Pilgerreisen ist man mit einer besonderen Absicht unterwegs. Das heißt, dafür ist man wahrscheinlich auch schon mal offen. Ich würde diese Schweigeperioden nicht so lange ausdehnen und schrittweise angehen. Ich mache zum Beispiel auch den Frauenpilgerweg für die Evangelische Kirche in Baden und in Württemberg. Da waren wir drei Tage rund um Freiburg Pilgern. Wir haben an jedem Tag mal eine Weile geschwiegen und diese Zeit immer bisschen mehr ausgedehnt. Ich muss aber dazu sagen, da sind viele Frauen dabei, die das schon kennen und die auch erfahrene Pilgerinnen sind.
DOMRADIO.DE: Das Handy macht es uns heute nicht so einfach abzuschalten. Man kann ständig kommunizieren, Nachrichten empfangen, sich etwas anschauen. Das Handy wegzulassen fällt fast noch schwerer als das Nichtreden, oder?
Steger: Auf jeden Fall, das braucht jede Menge Disziplin. Man kann das mit sich selbst ausmachen: Ich packe das Handy beim Gehen in den Rucksack, sodass sich nicht so schnell drankomme. Das hilft schon enorm. Und dann verspreche mir, dass ich eine halbe Stunde oder eine Stunde mal wirklich nicht draufschaue, dass ich es vielleicht sogar in Flugmodus versetze, damit ich nicht höre, wenn Nachrichten eingehen und gleich wieder dazu verleitet werde. Das gönne ich mir jetzt. Da merkt man, wie gut es tut, die Gedanken einfach mal treiben zu lassen - ohne Ablenkung.
DOMRADIO.DE: Am Ende von so einer Pilgerreise berichten viele von einer Ruhe im Kopf.
Steger: Das stimmt, denn die Sinne werden durch die Achtsamkeit geschärft. Und das in den Alltag mitzunehmen, ist nicht einfach. Aus dem Grund gehen Pilgerinnen und Pilger so gerne immer wieder pilgern (lacht). Weil das immer nur eine gewisse Weise vorhält und dann muss man das Ganze unbedingt wiederholen.
Das Interview führte Dagmar Peters.