DOMRADIO.DE: Herr Pfarrer Dane, wie stellen Sie sich Gott vor, und wann wird er für Sie erfahrbar?
Pfarrer Gerhard Dane (Subsidiar in Bedburg und Elsdorf): "Ich glaube nicht an das Wasser!" So höre ich manchmal einen kleinen Goldfisch blubbern, wenn ich an unserem Gartenteich stehe. "Wo ist Gott?" Auf diese Frage gibt es für mich nur eine Antwort: "Wo nicht?" Der Jude Saul, mit seinem römischen Namen Paulus, sprach bei den Leuten in Athen von "Gott, in dem wir leben, uns bewegen und sind", wie es in der Apostelgeschichte heißt. ER ist wie die Luft. Ohne sie ersticke ich. Und ohne sie wäre schon mein erster Schrei vor 83 Jahren nach meiner Geburt nicht möglich gewesen.
Ein besonders wichtiger Erfahrungsort ist für mich der Garten. Alles, was da wächst und blüht, kreucht und fleucht, erzählt vom Urgrund. Wenn ich mit erdigen Händen aus dem Garten komme – ich darf Hilfsgärtner des Eigentümers sein und in seinem großen Garten an einer kleinen Stelle für etwas mehr Schönheit sorgen – ist meine innere Welt erst mal wieder in Ordnung. Im Garten lerne ich: Leben ist eigentlich immer Zusammenleben.
Wenn ich mich in meine Bettdecke packe, fühle ich die Geborgenheit, die mir todsicher geschenkt wird. Wenn ich Genaueres wissen will, stelle ich mir den Bruder Jesus vor, einzigartiges Bild des Unvorstellbaren. Seine Energie, die "Heilige Geistkraft", wirkt offenbar immer noch. Mal mehr, mal weniger spürbar.
DOMRADIO.DE: Gab es schon Situationen, in denen Sie mit Gott gehadert oder Ihren Glauben infrage gestellt haben? Und wenn ja, was hat Ihnen da geholfen?
Dane: Tatsächlich könnte unser Glaube eine großartige Erfindung sein und Gott eine Phantasie, die uns besser leben und sterben hilft. Autosuggestion? Wie vielen Mitmenschen kommt auch mir bei den täglichen Nachrichten und den Ereignissen in unmittelbarer Umgebung die große Frage: Warum lässt DU das alles zu? Bist DU nicht allmächtig oder nicht barmherzig? Es geht mir manchmal bis an den Rand der Depression. Warum lässt DU, uns Menschen, die Freiheit zu so vielen entsetzlichen Verbrechen? Warum gibt es immer wieder verheerende Erdbeben, die nun bestimmt nicht menschengemacht sind?
Mir hilft, dass ich diese "Erstickungsanfälle" zu IHM bringen kann. Ein großes Geschenk ist es, wenn ich in das Dunkel "Du" sagen kann. Der Bruder Jesus nannte Gott bis zuallerletzt "Abba", seinen Papa. Es wird – wie bei Jesus – eine überraschende Lösung geben! ER, der Anfang, hat ein gutes Ende mit uns vor. Das habe ich auch schon bei einigen persönlichen Schicksalsschlägen erlebt. Außerdem staune ich über die weltweite Hilfsbereitschaft bei lokalen Katastrophen und die höchst bemerkenswerten Fortschritte in Wissenschaft und Technik.
Immer wieder hilft mir auch unsere Gemeinschaft in der Kirche: ein bald 2000 Jahre tragendes Beziehungsnetz. Daran haben schon unzählige und darunter vorbildliche Menschen mitgeknüpft – und viele klüger als ich. Sie haben trotz aller Zweifel im Vertrauen festgehalten an dem grenzenlosen "Du".
DOMRADIO.DE: Kurz nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils, 1967, wurden Sie zum Priester geweiht, was Sie geprägt hat. Sie waren unter anderem zwölf Jahre Kreisdechant für den Rhein-Erft-Kreis und danach Diözesanvorsitzender des Vereins vom Heiligen Land bis zur Altersgrenze 2017. Bis heute melden Sie sich kritisch zu Wort, wenn Sie glauben, dass die Kirche eine Richtung nimmt, die nicht dem Geist Jesu Christi entspricht – was Sie in der Vergangenheit mitunter für die Bistumsleitung auch unbequem gemacht hat. Aber Sie sind der Meinung, dass Krisen vor allem auch dazu da sind, an ihnen zu wachsen und so zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Von daher vertreten Sie Ihren Standpunkt stets unmissverständlich. Wie schauen Sie gerade auf diese Kirche?
Dane: Krisen können immer und überall entweder das Ende ansagen oder zu neuen Anfängen führen. "Die Kirche" ist jetzt leider für viele fast ein Schimpfwort geworden – trotz der Wunder des Konzils vor 60 Jahren in Rom. Ich erinnere gerne an den ursprünglichen Wortsinn: "Kyriake" heißen im Griechischen des Neuen Testaments die kleinen Gemeinschaften an immer mehr Orten, die zu dem "Kyrios" Jesus, dem Christus, gehören. Von ihm wird im allerletzten Satz des Matthäus-Evangeliums die Zusage überliefert, dass er "bis zum Ende der Welt" bei seinen Freundinnen und Freunden bleibt. Das hat er offenbar getan – im Auf und Ab der Menschheitsgeschichte. Auch jetzt ist das weltweit kaum zu übersehen. Trotz allem.
Wir Christen waren die ersten "Global Player", und wir haben im 21. Jahrhundert nach seiner Geburt die großartige Möglichkeit, beim friedlichen Zusammenwachsen der Völker und an der Bewahrung der gefährdeten Schöpfung mitzuwirken. Und zwar zusammen mit den anderen Religionen. Das haben 1965 über 2000 Bischöfe aus aller Welt nach heißen Debatten im Petersdom mit großer Mehrheit beschlossen: in der Erklärung "Nostra aetate – In unserem Zeitalter". Wir lernen seitdem neu, dass die Kirchen nicht für sich selber da sind. Dabei darf oder muss es sogar verschiedene Formen von Kirche geben – wie unübersehbar schon im Neuen Testament. Wenn wir nur die wichtigste Einheit im Blick behalten: unsere mit IHM!
DOMRADIO.DE: Wie sehr wirkt sich das, was Sie beobachten, aber als engagierter Seelsorger immer noch selbst einbringen, auf Ihren Glauben aus? Und umgekehrt: Wie notwendig ist der Glaube für Ihr eigenes Selbstverständnis, aber auch für Ihr Wirken innerhalb der Kirche?
Dane: Es ist auch für mich persönlich sehr schmerzhaft, dass bereits eine große Zahl engagierter Mitchristinnen und Mitchristen enttäuscht aus der Kirche ausgetreten ist und viele bisherige Sympathisanten immer noch weggehen. Ich versuche, auch wenn es mir berufsbedingt oft schwerfällt, mehr zu hören als zu reden. Wir haben ja alle zwei Ohren, aber nur einen Mund. Wer anderer Meinung ist als ich und andere Konsequenzen für sein Leben zieht, hat mir vielleicht doch etwas Wichtiges zu sagen. Konservative und Progressive sollten auch in unseren Gemeinden mehr miteinander als übereinander reden – und eben nicht nur über die drängenden Organisations- und Strukturfragen, sondern über unseren Glauben. Die Kirchenkrise ist zwar auch Teil einer umfassenden Kulturkrise, aber im Kern eine Glaubenskrise: Wie sollen wir das große Glaubensbekenntnis, das die christlichen Kirchen seit 325 – also jetzt seit 1700 Jahren – verbindet, heute noch verstehen? Es ist längst zu einer Fremdsprache geworden. Fast jedes Wort müsste sorgfältig neu übersetzt werden, damit es heute verständlich oder doch wenigstens nicht missverständlich bleibt.
"Glaubenstreue" heißt sicher nicht nur endloses Wiederholen ehrwürdiger alter Worte. Die haben ja auch alle schon mehrere Übersetzungen hinter sich: Vom Hebräischen und Aramäischen ins Griechische, dann ins Lateinische, dann ins frühe Deutsch … Und jetzt? Wenn ich das Wort "Neuevangelisierung" höre, wird mir fast schlecht. Ich verstehe zwar, was da gemeint ist, aber dieses Wort-Ungetüm! Die Endung "ierung" bringt doch meistens etwas Gewalttätiges mit, oder? Das kostbare Wort "Evangelium" ist in eine Binnensprache abgesunken. Wir bräuchten Dichterinnen und Dichter, nicht Strategen!
Mut macht mir das neu begonnene Gespräch mit unseren älteren Geschwistern, den Jüdinnen und Juden. Wenn wir mit ihnen jetzt mehr und mehr die Bibel Jesu, das "Alte" Testament, lesen, werden wir sicher den Juden Jeschua noch besser verstehen. Jüngere und ältere Geschwister können ja oft voneinander lernen. Die Glaubenserfahrung Israels kann uns helfen, unsere Engführungen zu weiten, und umgekehrt könnten Juden ermuntert werden, den Bruder Jesus neu zu entdecken und was er für die Welt von heute und von morgen bedeuten könnte.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.