Wie die Caritas in der kalten Jahreszeit Obdachlosen hilft

"Verhindern, dass Menschen erfrieren"

Die Nächte werden nasser und kälter. Wohnungslose sind davon besonders betroffen. Die Berliner Caritas hilft Menschen, die ihre Wohnung verlieren oder schon auf der Straße leben. Wie genau, das erläutert die Direktorin Ulrike Kostka.

Obdachloser vor dem Brandenburger Tor / © Theo Duijkers (shutterstock)
Obdachloser vor dem Brandenburger Tor / © Theo Duijkers ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Kältesaison hat begonnen. In der Hauptstadt stehen der Berliner Kältehilfe zunächst 720 Notübernachtungsplätze zur Verfügung, habe ich gelesen. Ich gehe davon aus, das reicht in einer Stadt wie Berlin gar nicht aus. 

Prof. Dr. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Wir haben die Erfahrung gesammelt, dass man damit ganz gut starten kann. Die Plätze werden dann auf 1.000 ausgebaut, wenn die Nächte kälter werden. Aber natürlich ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Da geht es darum, zu verhindern, dass Menschen erfrieren. Eigentlich geht es aber darum, dass zigtausende von Wohnungen fehlen. 

Ulrike Kostka / © Maurice Weiss (Caritasverband für das Erzbistum Berlin)

DOMRADIO.DE: Wie viele Menschen sind in Berlin obdach- und wohnungslos? 

Kostka: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Es gibt nämlich keine genauen Zahlen. Wir wissen, dass knapp 55.000 Menschen in Unterkünften unterschiedlichster Form leben – von Flüchtlingsunterkünften bis Hostels, oder in Notunterkünften. Es wird geschätzt, dass es mehrere Tausend sind, die wirklich obdachlos auf der Straße leben. 

Ulrike Kostka

Das Allerwichtigste ist, die Wohnung zu erhalten.

DOMRADIO.DE: Sie sagen auch, der Erhalt einer bestehenden Wohnung müsse das oberste Ziel sein. Ist das realistisch? Denn dann wären Notübernachtungsplätze im besten Fall überflüssig. 

Kostka: Das Allerwichtigste ist, die Wohnung zu erhalten. Da setzen wir uns ganz besonders ein. Die Prävention von Wohnungsverlust kann man durch Beratung sehr gut erreichen sowie durch viele Maßnahmen, zum Beispiel dass Vermieter bereit sind, nicht sofort zu kündigen oder auch durch die enge Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften.  

Wir erleben in unserer täglichen Arbeit, dass wir mit vielen Menschen zusammen die Wohnung erhalten. Es ist aber natürlich wichtig, dass sich Menschen auch trauen, sich Hilfe zu suchen, wenn sie die Miete nicht mehr zahlen können. Jede erhaltene Wohnung ist aber das Beste, weil sie danach meistens auch viel teurer vermietet wird. Und das ist unser spezieller Ansatz. 

Ulrike Kostka

"Oft geht es um das Thema Schulden und darum, Lösungen zu finden."

DOMRADIO.DE: Wie laufen solche Gespräche mit den Vermietern? Das ist wahrscheinlich sehr mühsam, oder? 

Kostka: Ja, unsere ambulanten Wohnungsberatungsstellen haben da aber viel Erfahrung. Oft geht es um das Thema Schulden und darum, Lösungen zu finden. Es beginnt aber oft schon viel früher, wenn Menschen die Briefe nicht mehr öffnen und man keine Rückmeldung bekommt. 

Wir beraten zum Beispiel große Wohnungsbaugesellschaften und bilden Hausmeister aus, dass sie ein Auge darauf haben, wenn Menschen irgendwie abtauchen, und dann ganz frühzeitig Kontakt aufnehmen. Das funktioniert in der Regel ganz gut. Wir erleben auch, dass wir viele Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, über unsere Beratungsstellen wieder in Wohnungen vermitteln können. Nur ist das natürlich ein langer Weg. Und es gibt Menschen, die schon auf der Straße leben und es extrem schwierig haben, überhaupt eine Wohnung zu finden. 

DOMRADIO.DE: Ja, genau, wenn es dann eben doch passiert, dass man die Wohnung verloren hat, wie kommen Sie an Platz für Wohnungslose? Wer kann Ihnen da noch helfen? 

Kostka: Ganz entscheidend sind alle Kontakte zu Wohnungsbaugesellschaften, aber auch zu privaten Vermietern. Wir freuen uns auch über einzelne Wohnungen, die wir von Pfarrgemeinden zur Verfügung gestellt bekommen. Auch das ist ein wichtiger Aspekt. Jede Wohnung, jeder Wohnplatz ist gut. Ich freue mich, dass unser Sozialdienst katholischer Frauen mit "Housing First für Frauen" auch gerade psychisch kranken Frauen, die wirklich oft ganz wenig Chancen haben, schon vieles vermitteln konnte. Dranbleiben ist das Motto. 

Es gibt aber einfach auch Menschen, die schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben. Die werden obdachlos und dann geht es natürlich auch darum, sie mit unseren ganzen unterschiedlichen Hilfen zu begleiten. Oft ist es ein langer Weg: Sie haben keine Papiere, sie haben keinen Zugang zu Sozialleistungen. Das schaffen wir aber oft. Zum Beispiel gehen 50 Prozent der Menschen, die in unserer Krankenstation für Wohnungslose sind, danach nicht mehr auf die Straße. Das ist ein richtig tolles Ergebnis, aber es braucht Zeit. 

Ulrike Kostka

"Es gibt mittlerweile viele Hilfen, aber der entscheidende Punkt ist einfach, die Menschen wahrzunehmen, sie vielleicht zu grüßen, ihnen respektvoll zu begegnen und zu fragen, was sie brauchen."

DOMRADIO.DE: Frost und richtige Kälte kommen ja erst noch, aber wenn ich jetzt bei frischen Temperaturen unterwegs bin und sehe, dass Obdachlose draußen schlafen, was mache ich dann? 

Kostka: Ganz wichtig ist, die Menschen zu respektieren und sie nicht gleich mit aller Fürsorge zu überfallen, sondern wenn man Menschen sieht und man hat das Gefühl, die können sich vielleicht auch selber nicht mehr helfen, dann gilt es, sie auch anzusprechen. Das ist das Wichtigste: mit offenen Augen an die Sache heranzugehen. Und sie aber vor allen Dingen zu fragen, was sie brauchen. Nicht einfach gleich den Rettungsdienst zu rufen, sondern erst mal nachzufragen. Das ist ganz wichtig. 

Kältebusse der Berliner Stadtmission starten in Saison / ©  Britta Pedersen/dpa-Zentralbild (dpa)
Kältebusse der Berliner Stadtmission starten in Saison / © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild ( dpa )

Dann gibt es Kältehilfe-Nummern, die man anrufen kann. Das funktioniert in der Regel sehr gut. Ab November fahren die Kältebusse in Berlin. Es gibt mittlerweile viele Hilfen, aber der entscheidende Punkt ist einfach, die Menschen wahrzunehmen, sie vielleicht zu grüßen, ihnen respektvoll zu begegnen und zu fragen, was sie brauchen. Das ist eigentlich das Beste, was man machen kann. 

DOMRADIO.DE: Das ist auf jeden Fall ein guter Weg, aber manche lehnen die Hilfe ja tatsächlich ab. 

Kostka: Wenn jemand nicht mehr selber entscheiden kann, dann kann es wirklich das Beste sein, den Rettungsdienst zu rufen - etwa, wenn die Menschen zu alkoholisiert oder high sind. Aber ansonsten -das müssen auch wir Fachleute respektieren- gibt es Menschen, die aus bestimmten Gründen nicht in geschlossene Räume wollen. Sie haben Angst davor. 

Deswegen freue ich mich, dass wir sehr viele mobile Hilfen haben, mit unserem Arztmobil, unserem Zahnmobil, den Kältebussen der Stadtmission. Es ist wichtig, dass wir immer wieder zu den Menschen kommen. Manchmal dauert es fünf oder sechs Mal, dass unser Arztmobil vorfährt, und dann erreichen wir die Menschen. Das ist ja auch ein Vertrauensaufbau. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Berliner Kältehilfe

Die "Berliner Kältehilfe" wurde ins Leben gerufen, um obdachlosen Menschen unbürokratisch zusätzliche Notschlafplätze während der kalten Jahreszeit anzubieten. Zahlreiche Kirchengemeinden, Verbände, Vereine und Initiativen bilden mit ihren Notübernachtungen, Nachtcafés, Suppenküchen und Treffpunkten das Netzwerk Kältehilfe.

Wenn Sie vermuten, dass eine obdachlose Person Hilfe benötigt, sprechen Sie sie höflich an und fragen, ob sie etwas braucht oder Hilfe annehmen will. Bitte handeln Sie, wenn Sie eine Gefährdung der Person befürchten!

Die Berliner Kältehilfe ist im Winter stark ausgelastet
Die Berliner Kältehilfe ist im Winter stark ausgelastet
Quelle:
DR

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