DOMRADIO.DE: Techno-Musik im Club ist meist ein lauter Sound. Welche Rolle spielt aber auch Stille in Ihrem Leben? Die findet man in der Techno-Musik ja in der Regel nicht.
Westbam (bürgerlich Maximilian Lenz, DJ, Musiker, Labelinhaber, Eventmanager und Autor): Das ist wohl wahr. Ich genieße Stille. Wenn mich die Leute fragen, was für Musik ich höre, wenn ich nicht auflege, sage ich ganz ehrlich: Wenn man zehn Stunden Musik gehört hat, ist die Abwechslung dazu nicht weitere Musik, sondern genau Stille. Ich laufe gerne hier in Berlin durch den Tiergarten und genieße die Stille!
DOMRADIO.DE: Sie haben sich für das Studium der Theologie eingeschrieben. Wie kam das?
Westbam: Ich muss es zugeben, ich bin ein entlaufendes Schaf der katholischen Kirche. Aber ich war immer religiös-musikalisch. Ich beschäftige mich viel mit Religion, auch kritisch. Diese Vorstellung, etwas glauben zu sollen, auch wenn man es gar nicht versteht, war mir immer fremd. Ich wollte immer auch verstehen, worum es geht.
Mich haben das Neue Testament und auch das Alte Testament schon als Kind sehr geprägt. Ich bin auch dankbar dafür, dass ich nicht atheistisch aufgewachsen bin. Gerade als Kind ist das eine sehr wichtige Sache. Ich kann aber nicht sagen, dass ich ein übermäßig gläubiger Mensch bin. Ich bin aber durchaus immer ein suchender Mensch. Vielleicht kann ich es so sagen: Ich bin ein Atheist, der manchmal betet.
DOMRADIO.DE: Techno und Glaube, ist das kein Gegensatz?
Westbam: Ich war mal in Düsseldorf auf einer Party, da spricht mich ein Geistlicher an und sagt, es müsse mir klar sein, dass ich mit meiner Musik und meiner Party die Leute von Gott wegführe. Da ist mir wirklich in Erinnerung geblieben, dass ich das so nicht richtig fand. Ich sage jetzt nicht, eine Techno-Party ist eine Hinführung zum Katholizismus oder so, das kann man bestimmt nicht behaupten. Aber dass das jetzt von Religion wegführt, das kann man auch nicht behaupten.
Ich unterhalte mich ja mit den Leuten aus der Technoszene. Da sind unheimlich viele sehr christliche Leute bei. Die Verbindung von früher Housemusic zu Gospelmusik und religiöser Musik bis hin zu den feierlichen Akkorden und zu den Gesängen, ist eine bestimmte Ebene, die zusammenklickt und die sich auch nicht widerspricht.
DOMRADIO.DE: In einem Ihrer Videos sind Sie als Kleriker zu sehen, Sie teilen als Bischof die Hostien aus und da steht auch noch das Wort "Pop" drauf. Hat die Kirche das damals mitbekommen?
Westbam: Ich bin ja auch sehr populär in unserem Nachbarland Polen. Polen ist ein noch wesentlich vom Katholizismus geprägteres Land als Deutschland. Da durfte das nicht gezeigt werden bei MTV, weil die Kirche dagegen war.
Mir geht es nie darum, religiöse Gefühle zu verletzen. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich das irgendwie blasphemisch darstelle. Es ist natürlich unbestreitbar so, dass ich da als Kirchenmann mit dem Fahrrad durch die Gegend fahre. Das kann man als Anmaßung empfinden. Ich kam darauf, weil ich immer Techno-Papst genannt wurde. Ich fand es schon auch toll, so eine Soutane anzuhaben. Und wer weiß, wenn ich einen ganz anderen Lebensweg genommen hätte, vielleicht wäre ich Kardinal geworden. Wer weiß?
DOMRADIO.DE: Es gibt jetzt seit sechs Monaten einen amerikanischen Papst. Und mit Donald Trump einen Präsidenten, der auch für ziemlich viel Aufsehen sorgt.
Westbam: Ich lese auch Hirtenbriefe und habe mich mit der US-Kirche und der Politik auseinandergesetzt. Die Vorstellung, dass Donald Trump jetzt Einfluss haben könnte auf die Papstwahl, das hätte mich wirklich erschrocken. Das hätte ich nun gar nicht gut gefunden.
Ich denke aber, der neue Papst ist eher kritisch bezüglich Trump. Einen amerikanischen Papst finde ich trotzdem ein bisschen komisch. Aber meine religiös-musikalischen Freunde und ich haben uns gleich in den ersten Tagen seine ersten Worte zugerufen: "La pace sia con tutti voi!" Das ist natürlich eines unserer großen Motive, auch außerhalb der Kirche: Der Friede sei mit euch allen!
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für das Pontifikat von Leo XIV.?
Westbam: Ich war durchaus auch Fan von Papst Franziskus. Ich weiß, dass viele Hardliner sich natürlich einen Hardliner gewünscht haben. Aber ich wünsche mir eher eine Kirche, die näher am Menschen ist, so ein bisschen wie ich das auch als DJ mache. Ein toller musikalischer Wert ist ja etwas Schönes, aber wenn du den nicht auf den Dancefloor und in die Herzen der Menschen hineinkriegst, bringt er nichts. So ähnlich ist es mit einer Theologie, die die Menschen nicht abholt und sie nicht irgendwo auch im Herzen berührt. Dann ist das keine gute Theologie.
Am Ende des Tages ist der Sabbat für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Wenn du eine Religion hast, dann sollte sie doch dazu dienen, zu Gott zu führen, und nicht von Gott wegzuführen. Man sollte nicht nur das predigen, was die Menschen hören wollen.
Das Interview führte Oliver Kelch.
Das ausführliche Interview gibt es hier: