Das richtig fiese Unwetter hatte Paul VI. schon fünf Jahre zuvor erlebt: donnernde Kardinäle, wütend über ihre vermeintliche Ausbootung.
Der zum Zögern neigende Papst litt das durch; in der Sache aber blieb er fest - und wiederholte seine Entscheidung auch in seiner Papstwahlkonstitution "Romano Pontifici Eligendo" vom 1. Oktober 1975, vor 50 Jahren: Im Konklave sollten nur noch jene Kardinäle wahlberechtigt sein, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Erstmals angewandt wurde dies kaum drei Jahre später, im August 1978, bei der Wahl von Pauls Nachfolger Johannes Paul I.
Im November 1970 hatte Paul VI. mit seinem Motu Proprio "Ingravescentem aetatem" (Mit der wachsenden Last des Alters) festgelegt, dass Kardinäle mit Erreichen der 80-Jahr-Marke ihr Stimmrecht bei der Papstwahl verlieren. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) berichtete damals, das Dokument habe im kirchlichen Rom "wie eine Bombe eingeschlagen".
"... dass die Alten verschwinden"
Und tatsächlich: Kardinal Alfredo Ottaviani schnaubte regelrecht. Der pensionierte Präfekt des Heiligen Offiziums fühlte sich "beiseite geschoben" und warf dem Papst "Missachtung einer vielhundertjährigen Tradition" vor. Und der französische Kurienkardinal Eugene Tisserant, immerhin Dekan des Kardinalskollegiums, giftete im französischen Fernsehen, Paul VI. sei nur auf den Applaus der Welt aus - denn diese wolle, dass die Alten verschwinden.
Öffentlich stellte Tisserant sogar den Gesundheitszustand Pauls VI. infrage. Bevor er gemeinsam mit ihm auf eine lange Asien-Reise startete, antwortete er auf die Frage, ob der Papst krank sei: "Das sieht man doch!" Der Vatikan und der päpstliche Leibarzt beeilten sich mit einem kräftigen Dementi - und auch Tisserant ruderte schließlich während der Reise zurück.
Damit waren auf einen Schlag 16 Kardinäle qua Alter ihres vornehmsten Rechts "beraubt"; darunter neben Tisserant (86) und Ottaviani (80) weitere illustre Figuren wie der verdiente Kölner Kardinal und Konzilsheld Josef Frings (83) oder der portugiesische Patriarch von Ostindien und nachmalige Kurienkardinal Jose da Costa Nunes (90).
Viel böses Blut
Das sorgte unter den Senioren für böses Blut - wie es auch schon die Begrenzung der regulären Amtszeit der Bischöfe auf 75 Jahre (August 1966) und die Allgemeine Geschäftsordnung der Römischen Kurie von 1968 getan hatten. Mit letzterer hatte Paul VI. eine Altersgrenze für leitende Vatikanämter von 75 Jahren gesetzt; allerdings mit einer möglichen Verlängerung bis maximal zum 80. Geburtstag.
Seit Jahrhunderten ernennt der jeweilige Papst allein Kardinäle für seinen Senat - die dann einst auch seinen Nachfolger wählen. Durch die Begrenzung auf eigentlich maximal 120 Wähler, steuerbar durch die Altersgrenze, beschränkt der Papst seit Paul VI. zugleich auch am anderen Ende des Spektrums den kirchenpolitischen Einfluss seines Vorgängers - denn die früher nominierten Papstwähler werden ja tendenziell auch früher 80.
Ein Kollateralnutzen: Da die Kardinäle seit vielen Jahrhunderten immer einen aus ihren eigenen Reihen wählen, stellte Paul VI. quasi sicher, dass der Papst bei seiner Wahl immerhin unter 80 Jahre alt ist; 78 im Fall von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. und 76 bei Jorge Mario Bergoglio/Franziskus.
Kardinalshut als Prämie
Zugleich ermöglicht es den Päpsten, verdiente Kirchenmänner und Theologen mit dem Kardinalshut zu belohnen, ohne sie noch in die Kirchenregierung einbeziehen zu müssen. Das hat - zusammen mit der ohnehin steigenden Lebenserwartung und der weltkirchlichen Globalisierung - das Kardinalskollegium auf inzwischen rund 250 Mitglieder anwachsen lassen.
Zwar dürfen die etwa 100 Senioren unter ihnen nicht mehr direkt den Papst wählen. Allerdings sind auch sie dabei nicht immer machtlos. Je nach Kurienerfahrung und Qualität ihres Netzwerks können sie durchaus noch in ihrem Sinne "Politik" machen, bestimmte Anwärter verhindern oder Stimmen für ihren Kandidaten sammeln - so wie es 2013 der (80-jährige) britische Kardinal Cormac Murphy-O'Connor für Bergoglio/Franziskus getan haben soll.
Was damals genügte, um älteren Kirchenmännern die Kardinalsröte ins Gesicht zu treiben, genügte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vielen sogenannten progressiven Katholiken schon lange nicht mehr. Diese forderten gar, dass der Papst künftig nicht mehr von ein paar Dutzend Kardinälen, sondern von den Tausenden Bischöfen der Weltkirche gemeinsam gewählt werden solle. Sind die Bischöfe nicht nach katholischer Lehre die Rechtsnachfolger der Apostel? Daher ja auch der Anspruch des Konzils, dass das "Kollegium der Bischöfe" gemeinsam mit dem Papst die Kirche leiten solle.
Synodale als Papstwähler?
Auch Paul VI. machte sich zumindest Gedanken in diese Richtung. So schlug er im März 1973 vor, bei künftigen Papstwahlen auch die Patriarchen der mit Rom verbundenen Ostkirchen sowie die 15 Mitglieder des Ständigen Rates der Bischofssynode mit abstimmen zu lassen. Was für eine Erleichterung beziehungsweise Enttäuschung im konservativen bzw. liberalen Lager, als er dann schließlich mit seiner Papstwahlkonstitution von 1975 doch den Status quo bestätigte.
Wohl wider Willen entfachte der 1897 geborene Paul VI. damals eine Diskussion darüber, ob er selbst denn wohl noch über die 80 hinaus Papst bleiben könne. Sogar der konservative Ottaviani sagte in seinem Ärger, der Papst müsse nun auch damit rechnen, dass "alles, was er im späten Alter unternimmt, ebenso in Frage gestellt wird" wie jetzt die Arbeit betagter Kardinäle. Der gedankliche Weg bis zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. im Februar 2013 war in diesem Sinne gar nicht mehr so weit.
Noch ein weiteres Detail von "Romano Pontifici Eligendo" verdient Beachtung: die Krönung des neuen Papstes durch den Kardinalprotodiakon. Er selbst, Paul VI., hatte 1964 beim Konzil seine Papstkrone, die Tiara, abgelegt und zugunsten der Armen gespendet. In den Regelungen seiner Nachfolge ist die feierliche Krönung allerdings unter Punkt 92 weiter enthalten. Seine Geste war zwar also eine persönliche - und doch hat kein Papst nach ihm wieder nach der Krone gegriffen.