Bischof Oster kritisiert Nähe zwischen Gläubigen und der US-Rechten

"Vielleicht brauchen wir ein Innehalten"

In einem Facebook-Post hat der als konservativ geltende Bischof Stefan Oster scharfe Worte für Donald Trumps Anhänger gefunden und vor dem Abdriften gewarnt - nach rechts wie links. Im Interview spricht er über seine Beweggründe.

Gedenkstätte, die am Hauptsitz von Turning Point USA für Charlie Kirk in Phoenix errichtet wurde / © Jae C. Hong/AP (dpa)
Gedenkstätte, die am Hauptsitz von Turning Point USA für Charlie Kirk in Phoenix errichtet wurde / © Jae C. Hong/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Die politische Macht, die den Gegner mit Hass überzieht, ist eine Falle für uns Christen." Sie haben sich in einem bemerkenswerten Social-Media-Post zur Debatte um den Mord an Charlie Kirk und die Folgen klar geäußert. Was war Ihre Motivation? 

Bischof Stefan Oster / © Armin Weigel (dpa)
Bischof Stefan Oster / © Armin Weigel ( dpa )

Oster: Ich habe wenig zu Charlie Kirk zu sagen, weil ich ihn nicht besonders intensiv verfolgt habe. Ich glaube, er war ein gläubiger Christ, ein intelligenter Mann, der intensiv vor allem mit Studenten diskutiert hat. Und ich habe dann diese Verabschiedungsfeier oder was auch immer das war, gesehen, an der mehrere Regierungsmitglieder teilgenommen haben. Wo Kirk gewissermaßen zu einem nationalen Volkshelden stilisiert wurde. Da hatte ich den Eindruck, diejenigen, die da als Politiker gesprochen haben, insbesondere der Präsident, haben hier die Religion für sich vereinnahmt. 

Was mir besonders aufgestoßen ist: Die Witwe hat, glaube ich, wirklich persönlich als gläubige Frau von Vergebung für den Täter gesprochen. Und Trump hat auf dieser Veranstaltung als Staatsmann gesagt, es täte ihm leid, aber er hasse. 

Das kann man aus meiner Sicht so nicht machen. Damit zieht er sich seine pseudoreligiöse Maske vom Gesicht. Er inszeniert eine Politshow, die pseudoreligiös ist. Man merkt, er benutzt einfach die Religion, solange sie ihm nützt. Die Nachfolge Jesu, wenn er es damit ernst meint, schließt Hass aus. Und er hat das Gegenteil davon gesagt. 

DOMRADIO.DE: Das findet alles in den USA statt. Sie haben sich aber an die deutschen Christinnen und Christen gewendet. Warum? 

Oster: Weil ich den Eindruck habe, dass es manchmal eine gefährliche Nähe und Allianzen von eher konservativeren Christinnen und Christen, Katholikinnen und Katholiken – zu denen ich mich ja auch zähle – mit Rechts gibt. Ich werde ja auch in diese konservative Richtung eingeordnet.

Bei manchen Menschen aber, die so im Glauben unterwegs sind, gibt es im Grunde die Sehnsucht nach festem Halt, nach Identität in einem Traditionsbewusstsein, das dann manchmal vielleicht sogar völkisch oder nationalistisch wird. Das geht nicht, gerade für uns als Katholikinnen und Katholiken. Wir sind katholisch, das heißt allumfassend. Wir sind für alle Menschen mitverantwortlich in dieser Welt. Die Kirche ist Sakrament des Heils für die ganze Welt, glauben wir. Und deswegen sind wir berufen, allen Menschen mit Respekt zu begegnen. Wir sind aufgefordert, zu lieben und nicht zu hassen. 

DOMRADIO.DE: Sie haben da eine besondere Verantwortung gespürt? 

Oster: Ja, genau deswegen. Ich habe die Verantwortung gespürt, weil es ja unfassbar intensiv inszeniert war. Ich habe gemerkt, es gibt auch Leute, die davon fasziniert sind. Und ich wollte einfach versuchen, "Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht" zu sagen: Da ist so viel Show dabei und die Versuchung zur Macht ist ja auch bei uns Christen immer gegeben. Übrigens auch bei Linken. Das hier war jetzt aber eher die Show der Rechten.

Mein Ordensvater Don Bosco hat gesagt, unsere Politik sei das Vaterunser. Der war ja auch ziemlich intensiv involviert in diese ganze Frage nach der Einigung des italienischen Staates. Wenn wir das ernst nehmen, dann bedeutet das, Gott ist der Vater aller Menschen und wir sind Zeugen dieser Geschwisterlichkeit in der Welt. 

DOMRADIO.DE: Wie reagieren die Menschen auf Ihre Mahnung? 

Oster: Unfassbar viele Menschen haben reagiert. Fast nur positiv und dankbar und interessanterweise von liberal bis konservativ. 

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt Social Media in diesen Debatten?

Oster: Social Media kann einen wesentlichen Beitrag leisten zur Verkündigung des Evangeliums. Es kann aber für bestimmte Trends und Bubbles Brandbeschleuniger sein. Das ist gefährlich. Sind die sozialen Medien mehr soziale oder mehr asoziale Medien? Mehr Segen oder Fluch? 

Das ist eine Frage, die wir alle noch nicht gelöst haben. Manchmal frage ich mich, ob wir nicht damit und auch der Künstlichen Intelligenz insgesamt überfordert sind. 

Vielleicht brauchen wir ein Innehalten. Wir müssen uns fragen, was das Ganze eigentlich mit uns, mit unserer Debattenkultur, mit unserem ernsthaften Diskutieren und tieferem Hinschauen, macht. 

Das beschäftigt mich tatsächlich selber. Mir geht es um die Verkündigung des Evangeliums. Am Ende sehe ich dann immer noch, dass das ein Weg zum Glauben sein kann, Aber die persönliche Begegnung ist dann immer noch die entscheidende. 

DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch bei uns in Deutschland immer mehr Polarisierung, auch innerhalb der Kirche, innerhalb der Bischofskonferenz. Inwiefern ist es denn auch Aufgabe von Ihnen als Bischöfen, Impulse zu setzen? 

Oster: Das versuchen wir. Sie wissen ja, dass ich da auch dezidierte Positionen vertrete. Aber mir geht es wirklich darum, diese immer im gegenseitigen Respekt und in einer Hermeneutik des Wohlwollens zu vertreten: Kann ich dem anderen, auch wenn er ganz gegensätzlicher Meinung ist als ich, unterstellen, dass er auch was Gutes für die Kirche, den Glauben, will?

Das ist für mich ein wichtiger Weg. Und ich habe das Gefühl, dass wir hier so debattieren.

Quelle:
DR

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