Entwicklungsorganisationen zeichnen ein düsteres Bild

Konsequenzen des Sparens

Die Bundesregierung hat den Rotstift angesetzt. Das betrifft neben den Ausgaben im Inland auch spürbar die Ausgaben im Ausland, konkret die Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe. Für Nichtregierungsorganisationen heißt es umdenken.

Autor/in:
Anna Mertens
Symbolbild Entwicklungshilfe in Afrika / © Domagoj Ruzicka (shutterstock)
Symbolbild Entwicklungshilfe in Afrika / © Domagoj Ruzicka ( shutterstock )

Der Herbst steht vor der Tür und noch immer steht der Bundeshaushalt für das laufende Jahr nicht abschließend fest. Nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag sind aber die Grundzüge klar. Derweil laufen die Arbeiten für den kommenden Bundeshaushalt 2026 bereits auf Hochtouren. 

Beide Budgets sind geprägt vom Sparkurs der schwarz-roten Regierung, auch wenn der Haushalt 2025 eine kurze Halbwertszeit hat. Deutlich zu spüren bekommen die Sparvorgaben Nichtregierungsorganisationen und Hilfswerke. Vor allem aber die Empfänger deutscher Hilfen, so die Warnung aus der Zivilgesellschaft.

Halbierung der deutschen Mittel große Folgen

Große Folgen dürfte die Halbierung der deutschen Mittel für Humanitäre Hilfe haben. Diese ist beim Auswärtigen Amt angesiedelt. Dort standen den Organisationen zuletzt zwischen zwei und drei Milliarden Euro zur Verfügung, um nach Krisen, Konflikten und Katastrophen im Ausland schnell Nothilfe zu leisten. Dieses Budget soll für das laufende Jahr auf rund eine Milliarde gekürzt werden.

Sitz des Auswärtigen Amts in Berlin / © Julia Steinbrecht (KNA)
Sitz des Auswärtigen Amts in Berlin / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das ist laut Außenamt der niedrigste Wert in zehn Jahren. Im Koalitionsvertrag klang es noch anders. Dort steht: "Humanitäre Hilfe werden wir stärken", ein "stärkeres Engagement nach dem Ausfall anderer Geber in wichtigen Bereichen" werde man prüfen.

Aufbau langfristiger Perspektiven

Dabei geht es für Nichtregierungsorganisationen nicht nur um die Not- und Katastrophenhilfe. Es geht um den Aufbau langfristiger Perspektiven. Hierfür braucht es Geld. Doch der Haushalt des Entwicklungsministerium ist ebenfalls stark dezimiert. 

Etwa 10,3 Milliarden Euro sind für das laufende Jahr vorgesehen. Im kommenden Jahr könnte es, so die Anzeichen, nochmals eine Milliarde weniger werden. Zwar sind diese Summen noch deutlich über einem deutschen Entwicklungshaushalt vor zehn Jahren. 

Aber, so mahnen die Organisationen und auch die amtierende Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD): Es gibt mehr Krisen, weitreichendere Krisen, und die USA sind vom größten Geber zum größten Sparer geworden.

Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD), am 23. Februar 2022 in Berlin / © Birgit Wilke (KNA)
Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD), am 23. Februar 2022 in Berlin / © Birgit Wilke ( KNA )

Für den entwicklungspolitischen Dachverband Venro sind diese Kürzungen mehr als ein Alarmsignal. Menschen, die dringend Hilfe benötigen, würden diese nicht erhalten. Das reiche von 1,5 Millionen Menschen, die Zugang zur Basisgesundheitsversorgung verlieren über ähnlich viele Menschen, die kein sauberes Trinkwasser mehr erhielten.

Folgen dramatisch und folgenreich

Rechnet man die massiven Kürzungen der US-Regierung in der Not- und Entwicklungshilfe hinzu, sind die Zahlen laut Entwicklungsorganisationen um ein Vielfaches höher. Im Bereich der Gesundheitsversorgungen könnten die Auswirkungen besonders dramatisch und folgenreich sein - auch für Deutschland.

Peter Sands, Chef des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, warnte in einem Interview mit der Tageszeitung "taz", dass die Mittelkürzungen erzielte Fortschritte gefährdeten. Ohne verlässliche Finanzierung bestehe die Gefahr, "die Kontrolle zu verlieren". 

Laut Sands droht, Malaria wieder aufzuflammen, Tuberkulose sei weiterhin die tödlichste Infektionskrankheit, und gegen HIV/Aids gebe es mit neuen Präventionsmitteln zwar große Chancen, aber nur bei ausreichender Finanzierung.

"Priorisieren, im Sinne eines Triage-Systems"

Der Generalsekretär der Hilfsorganisation Help - Hilfe zur Selbsthilfe, Thorsten Klose-Zuber, fasst die politischen Entwicklungen so zusammen. "Wir müssen als Nichtregierungsorganisation hart priorisieren, im Sinne eines Triage-Systems." Es werde zudem schwerer, entwicklungspolitische Perspektiven aufzubauen. Erschwerend hinzu käme die sinkende Spendenbereitschaft in Deutschland für internationale Themen.

Gleichzeitig räumt er ein: "Wir müssen aber auch die eigene Arbeit kritisch beleuchten und überlegen, wie wir effizienter werden können." Die ersten Leidtragenden bei Mittelkürzungen seien lokale Partnerorganisationen. Daher sollte bei weniger Mitteln insbesondere die lokale Ebene gestärkt werden.

Entwicklungshilfe in Syrien / © Anas Alkharboutli (dpa)
Entwicklungshilfe in Syrien / © Anas Alkharboutli ( dpa )

Venro hat seine Forderungen für den Haushalt 2026 daher auf Papier gebracht. Aus Sicht des entwicklungspolitischen Dachverbands braucht es mindestens 2,5 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe und 11,2 Milliarden für Entwicklungszusammenarbeit. Ein Schwerpunkt müsse auf der Versorgung für die am wenigsten entwickelten Länder und deren Ernährungssicherheit liegen. Hier seien die international vorgesehenen 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens nötig.

Weiterer Schwerpunkt sollte die Klimafinanzierung mit sieben Milliarden Euro sein. Und dann fordert Venro ein Beibehalten der Fördermittel für die zivilgesellschaftliche Arbeit und mindestens 100 Millionen Euro für "gendertransformative, intersektionale und postkoloniale feministische Vorhaben". Insbesondere der letzte Punkt dürfte mit der Union sehr schwer zu haben sein.

Quelle:
KNA