Französischer Kardinal ist überrascht von vielen Erwachsenentaufen

"Junge Menschen kommen durchs Fenster statt die Tür"

Immer wieder machen hohe Zahlen von Erwachsenentaufen in Frankreich Schlagzeilen im säkularisierten Westen. Der Vorsitzende der französischen Bischöfe hat eine Meinung dazu. Die Kirche hinke dem Heiligen Geist hinterher.

Eine in weiß gekleidete Frau empfängt die Taufe / © Corinne Simon (KNA)
Eine in weiß gekleidete Frau empfängt die Taufe / © Corinne Simon ( KNA )

Der Marseiller Kardinal Jean-Marc Aveline ist immer noch überrascht über die hohe Zahl von Erwachsenentaufen in Frankreich.

"Diese jungen Menschen sind auf Wegen zu uns gekommen, die wir Bischöfe nicht vorgezeichnet hatten", sagte der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz im Interview der Tageszeitung "La Croix" (online Dienstag).

Kardinal Jean-Marc Aveline / © Lola Gomez/CNS photo (KNA)
Kardinal Jean-Marc Aveline / © Lola Gomez/CNS photo ( KNA )

"Wir hatten zwar die Eingangstür vorbereitet, aber viele sind durch das Fenster hereingekommen", so Aveline. Das sei eine große Verantwortung - "umso beängstigender, als wir es nicht wirklich kommen sahen", meint der Kardinal. Und er ergänzt: "Wir hinken dem Heiligen Geist hinterher."

Herausforderung nach der Taufe

Die Herausforderung liegt nach Ansicht des Marseiller Erzbischofs in der Zeit nach der Taufe: "Diese jungen Menschen entdecken Christus, kennen aber die Kirche noch nicht"; das ist das Gegenteil seiner eigenen Generation - "die in der Kirche aufgewachsen ist, bevor sie Christus persönlich entdeckt hat".

Die Bischöfe der Region hätten beschlossen, so Aveline, ein Provinzkonzil zu diesem Thema einzuberufen. In seiner Diözese Marseille habe er einen eigenen Dienst für Neugetaufte eingerichtet.

Andere Bistümer ergriffen andere Initiativen. Es brauche Begleitmaßnahmen über mehrere Jahre hinweg, zeigt sich der Kardinal überzeugt. Das gehöre zu den vorrangigen Aufgaben.

Die Kathedrale Notre Dame de la Garde in Marseille / © saiko3p
Die Kathedrale Notre Dame de la Garde in Marseille / © saiko3p

Ein Teil der Taufanwärter gebe an, auf der Suche nach der eigenen Identität zu sein, bestätigte Avelilne in dem Interview. Dieses Bedürfnis dürfe man nicht kategorisch zurückweisen, denn dies sei auch "Ergebnis eines völligen Mangels an Orientierungspunkten".

Dennoch sei er misstrauisch gegenüber Identitätsprozessen, "weil ich zu oft gesehen habe, zu welchen Auswüchsen sie führen können", sagte er.

"Man muss wissen, woher man kommt"

"Das Gebot von Gemeinschaft ist das Fundament des christlichen Glaubens", so Aveline. "Damit Gemeinschaft entstehen kann, muss jeder wissen, woher er kommt; muss aus seiner Kultur, seinen Wurzeln schöpfen können." Eine Identität ohne Streben nach Gemeinschaft sei potenziell gefährlich.

Allein zu Ostern waren in Frankreich rund 18.000 Erwachsene und Jugendliche von 11 bis 17 Jahren getauft worden; ein Anstieg von 45 Prozent bei den Erwachsenen im Vergleich zu 2024. Neu-Christen stammten vielfach aus dem studentischen Milieu.

Quelle:
KNA