Geistliche Vision ist pastorales Schwerpunktthema bei Strategieprozess

"Orte der Freundschaft mit Gott schaffen"

Ein nicht unerheblicher Teil an Energien wird in den Gemeinden gerade damit gebunden, dass neue Strukturen geschaffen und größere Einheiten gebildet werden müssen. Doch wie sieht es da mit dem eigentlichen Kernauftrag von Kirche aus?

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Pfarrer Michael Maxeiner lädt seine Gemeinde dazu ein, eine geistliche Vision zu entwickeln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pfarrer Michael Maxeiner lädt seine Gemeinde dazu ein, eine geistliche Vision zu entwickeln / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Herr Pfarrer Maxeiner, der momentane Transformationsprozess im Erzbistum Köln kostet Kraft, Zeit und Nerven. Nicht selten machen sich in den Gemeinden Enttäuschung und auch Frustration breit. Bleiben da überhaupt noch genügend Ressourcen für Seelsorge und geistliches Leben?

Michael Maxeiner (Leitender Pfarrer der Pastoralen Einheit Meckenheim-Wachtberg): In der Tat verlangt uns diese Strukturreform eine Menge ab, trotzdem sehe ich darin auch eine große Chance für den Abbau von Verwaltung, selbst wenn die einzelnen Einheiten größer werden. 

Pfarrer Maxeiner sieht beim Strategieprozess auch Chancen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pfarrer Maxeiner sieht beim Strategieprozess auch Chancen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ziel ist es eben, wieder mehr Zeit für unseren eigentlichen Auftrag als Kirche zu haben: nämlich für die Evangelisierung, für die Weitergabe des Glaubens und für die Verkündigung der frohen Botschaft. 

Solche Prozesse kosten Zeit, und zwar nicht nur die Hauptamtlichen in den Pastoralen Diensten, im Generalvikariat und im Pastoralbüro, sondern auch die Gemeindemitglieder, die sich in den Gremien engagieren. 

Aber es sind diese neuen Strukturen, die uns als Kirche zukunftsfähig machen sollen, um wieder mehr unserem Kernauftrag nachkommen zu können.

Natürlich gibt es auch schon mal Enttäuschung oder Ungeduld. Vor allem wenn es nicht schnell genug geht, aber wir sind mit sehr unterschiedlichen Menschen unterwegs und da entsteht naturgemäß eine ganz eigene Dynamik, die es zu respektieren gilt.

DOMRADIO.DE: Welche Erfahrungen machen Sie? Wie reagieren die Menschen auf diesen Transformationsprozess?

Maxeiner: Die Leute sind nicht begeistert, wenn es demnächst größere Pfarreien gibt und die Wege eventuell weiter werden. Viele sind verunsichert und fürchten, dass sie mit zunehmender Größe der Pastoralen Einheiten immer mehr von dem verlieren, was ihnen vertraut ist und damit alles unpersönlicher und auch anonymer wird. 

Sie fragen sich, ob ihr eigenes Gotteshaus am Ort, das ihnen in Jahrzehnten ans Herz gewachsen ist, überhaupt erhalten bleibt und vieles mehr. Diese Sorge kann ich absolut teilen. 

Ich bin damals nach St. Marien Wachtberg gekommen und habe dann nach vier Jahren noch mal doppelt so viele Kirchorte und Gemeindemitglieder dazu bekommen. Das hat auch mich als Pfarrer vor große Herausforderungen gestellt.

Innenansicht von St. Johannes der Täufer in Meckenheim / © Beatrice Tomasetti (DR)
Innenansicht von St. Johannes der Täufer in Meckenheim / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Trotzdem bin ich optimistisch, weil es neben den neuen Strukturen vor allem auch um eine geistliche Erneuerung geht, um uns als Kirche wieder auf unsere Mitte zu besinnen: auf Jesus Christus, sein Wort und die Sakramente, aus denen heraus wir leben. 

Letztlich geht es doch darum, unsere Kirche lebendig zu halten und hier am Ort in Meckenheim und Wachtberg als Christinnen und Christen Zeugnis zu geben von dem, der uns erfüllt, um so hoffentlich auch in die Gemeinden hinein zu leuchten.

DOMRADIO.DE: Haben Sie nicht manchmal Angst, dass die Strukturdebatten das Eigentliche überlagern, dass der geistliche Prozess auf der Strecke bleibt, es allgemeine Ermüdungserscheinungen gibt?

Maxeiner: Man muss für den Wandel immer wieder die Werbetrommel rühren. Klar, ich werde aber nicht müde zu erläutern, dass es nicht nur um Strukturen geht, sondern primär um einen Weg der geistlichen Erneuerung und wir da alle eine Mission haben. 

Das ist vielleicht noch nicht bei allen angekommen, wie im Übrigen vieles, was wir in der Kirche tun. Gerade deshalb müssen wir das immer wieder ins Gespräch bringen, zum Beispiel mit einer Predigtreihe, Impulsen in den Pfarrnachrichten oder bei einer Veranstaltung in unserem Inklusionscafé. Steter Tropfen höhlt den Stein. Da müssen wir dran bleiben.

DOMRADIO.DE: Viele Gemeinden erleben zurzeit konkret, dass sie sich von vielem verabschieden müssen, was einmal ihr Kirche-Sein ausgemacht hat. Es tut zunächst einmal weh, Orte der Vertrautheit aufgeben zu müssen, weil Gemeinden fusionieren und immer weniger Hauptamtliche für die Seelsorge zur Verfügung stehen. Wie erleben Sie das und wie funktioniert angesichts so vieler schmerzlicher Umbrüche die Weitergabe des Glaubens?

Pfarrer Michael Maxeiner

"Eine geistliche Vision zu haben hilft bei der Frage, was wirklich wichtig ist, was zukünftig getan und gelassen werden soll, wenn Kraft und Mittel für alles zusammen nicht mehr ausreichen."

Maxeiner: Auf dem Weg zu einer Pastoral der missionarischen Entscheidung braucht es Mut: Was brauchen wir heute und morgen wirklich, um als Kirche einladend, dienend und missionarisch zu sein – und was nicht (mehr)? 

Diese Frage leitet uns. Zeiten der Veränderung sind auch Zeiten der Entscheidung. Wenn Mittel knapper und Aufgaben größer werden, müssen wir Prioritäten setzen, um das Evangelium noch kraftvoll bezeugen zu können. 

St. Johannes der Täufer in Meckenheim / © Beatrice Tomasetti (DR)
St. Johannes der Täufer in Meckenheim / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Eine geistliche Vision zu haben hilft bei der Frage, was wirklich wichtig ist, was zukünftig getan und gelassen werden soll, wenn Kraft und Mittel für alles zusammen nicht mehr ausreichen. Und natürlich sind das schmerzliche Schritte. 

Daher geht es ja gerade bei einer geistlichen Vision darum, Orte der Freundschaft zu schaffen – genährt aus der Heiligen Schrift, dem Empfang der Eucharistie, Werken der Nächstenliebe und dem persönlichen Gebet.

Denn schließlich wird und wurde der Glaube über viele Generationen hinweg von ganz konkreten Menschen lebendig gehalten. Sie sind es, die diese Erfahrungsorte geprägt haben und immer noch prägen, indem sie sich ganz selbstverständlich für den Nächsten einsetzen und – um das Stichwort nochmals aufzugreifen – eine Atmosphäre der Freundschaft schaffen untereinander und mit Gott. 

Diese Freundschaft zu Jesus Christus will gepflegt werden, indem Leben geteilt, Glaube bezeugt und das Evangelium weitergetragen wird. Dafür brauchen wir selbstverständlich Orte, wo der Glaube konkret erfahrbar wird: in kirchlichen Einrichtungen, kleinen Gemeinschaften, Gemeinde oder Gruppen; überall dort, wo Menschen füreinander da sind, miteinander ihr Leben teilen und über Gott oder ihre Sehnsucht nach ihm sprechen.

Natürlich stimmt es wehmütig und macht traurig, wenn manches einfach wegbricht, was uns vertraut war. Ich denke da beispielsweise an die Sonntagsmesse in der Kirche meines Heimatdorfes oder auch Menschen, die mit einem Mal nicht mehr da sind, weil sie verstorben sind, nicht mehr können oder aus anderen Gründen nicht mehr kommen. 

Trotzdem erinnern wir uns immer wieder daran, wer uns zusammenführt, nämlich Jesus. Selbst wenn wir dann sonntags ein Stück weiter zu einer anderen Kirche fahren müssen, kommen doch dort wieder Menschen zusammen, die mir mit der Zeit vertraut werden können. 

Als Pastor beobachte ich, dass sich auch an neuen Orten Menschen durchaus austauschen, die sich zum Beispiel schon über ihre Arbeit im Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand oder im pfarrübergreifenden Gruppierungen und Verbänden kennengelernt haben.

DOMRADIO.DE: Es entstehen demnach neue Verbindungen, vielleicht auch neue Ideen?

Maxeiner: Jedenfalls kommt man schon mal miteinander ins Gespräch, indem eine Familie mit kleinen Kindern eine andere Familie trifft, weil so viele Familien sonntags nicht mehr in die Kirche kommen. 

Genauso kann das unter den anderen Generationen sein, dass man sieht, da kommt jetzt jemand zum ersten Mal. Den kann man ansprechen und sagen: Schön, dass Sie da sind! Nur so kann etwas wachsen.

Pfarrer Michael Maxeiner

"Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es um Inhalte geht, um eine Botschaft und um Menschen, die diese Botschaft erreichen soll."

Was die Weitergabe des Glaubens betrifft, unseren ureigenen Sendungsauftrag als Kirche, müssen auch wir in der Pastoral Tätigen uns immer wieder daran "erinnern", dass absolute Priorität hat, das Evangelium in die Welt zu tragen. Zumal wir doch von vielem abgelenkt sind, was angesichts der geplanten Fusion mit Planung und Organisation zu tun hat. 

Das heißt, auch wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es um Inhalte geht, um eine Botschaft und um Menschen, die diese Botschaft erreichen soll. Am Ende erfordert das unser aller Kreativität, damit das gelingen kann – mit Projekten wie zum Beispiel unseren sogenannten "Haltestellen". 

Dabei kann man an Aschermittwoch zwischen zwei Supermärkten das Aschenkreuz empfangen oder vor den Sommerferien am Bahnhof den Reisesegen empfangen. Dazu gehört auch, dass eine unserer Gemeindereferentinnen im Advent an einem nichtkirchlichen Platz steht, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen oder auf dem Friedhof, um über unsere christliche Hoffnung zu sprechen. Es geht darum, als Kirche da zu sein, wo die Menschen sind.

So haben wir für die acht Kitas in unserer Pastoralen Einheit einen eigenen Messenger-Dienst, um Kita-Familien zu bestimmten Veranstaltungen einzuladen oder ihnen an Sonn- und Feiertagen familiengerechte Impulse mitzugeben. 

Ein Mitbruder bietet zum Beispiel einen Glaubensgesprächskreis an, so dass jeder im Team in seinem Bereich etwas ausprobiert, um mit Menschen zum Thema Glauben in Kontakt zu kommen, ohne dass wir da etwas überstülpen wollen. 

Das heißt, wie initiieren sehr unterschiedliche Formate, um mit unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen.

DOMRADIO.DE: Als Priester sind Sie einmal unter gänzlich anderen Voraussetzungen angetreten. Heutzutage ist nun viel Management bei der Gemeindeleitung gefragt. Manchmal scheint es, als müsse ein Pfarrer ein "Allrounder" sein. Das ist aber nicht sein originärer Auftrag…

Pfarrer Michael Maxeiner

"Ich bin trotzdem zuallererst Priester und kein Verwalter."

Maxeiner: Im Studium hätte ich nie für möglich gehalten, was mich eines Tages als leitender Pfarrer erwarten würde. "Management" ist inzwischen ein Teil meiner Aufgabenbeschreibung, weil eben auch viel Verwaltung anfällt. 

Aber ich finde, das eine muss das andere nicht ausschließen. Ich bin trotzdem zuallererst Priester und kein Verwalter. Nochmals: Ich sehe in diesem Prozess, den wir gerade durchleben, auch eine seelsorgliche Verantwortung. 

Wir schaffen Strukturen, die in den nächsten Jahre dazu dienen, unserem Auftrag als Kirche nachzukommen, so dass Pastoral gestaltet werden kann, wir den Glauben teilen, so – auch über die Caritas – in die Gesellschaft hineinwirken und den Menschen von unserer Hoffnung erzählen, die uns erfüllt: Jesus Christus. 

Wenn Christus-Beziehungen, Freundschaften gepflegt werden wollen, muss ich als erstes bei mir selber anfangen. Die Menschen sollen erfahren, dass sie reich beschenkt werden, wenn sie sich auf Christus einlassen. 

Diese Liebe müssen sie sich nicht verdienen. Bei dieser Entdeckung will ich so gut wie möglich helfen, damit auf diese Weise Nachfolge gelebt werden kann. Das ist in meinen Augen Jüngerschaft; und dass die gelebt werden kann, ist meine Verantwortung als Seelsorger.

DOMRADIO.DE: Sie sprechen von Chance und Vision. Was macht Sie so zuversichtlich, dass unter den genannten Rahmenbedingungen in diesen Krisenzeiten die Rückbesinnung auf das Eigentliche und damit Gemeindeerneuerung wirklich gelingt?

Pfarrer Michael Maxeiner

"Kirchliches Leben ist nicht allein an Gebäude gebunden. Wir leben unseren Glauben als Zeuginnen und Zeugen Jesu überall dort, wo Gott uns hingestellt hat."

Maxeiner: Die Hoffnung, dass Gott bei und mit uns ist. Durch seinen heiligen Geist ist er uns Kraft und Beistand. Die geistliche Vision der Kirche von Köln ist eigentlich gar nichts Neues. Wir werden – wie gesagt – nur wieder daran erinnert, was eigentlich unsere Kernaufgabe ist. 

Und das ist gut so. Kirchliches Leben ist nicht allein an Gebäude gebunden. Wir leben unseren Glauben als Zeuginnen und Zeugen Jesu überall dort, wo Gott uns hingestellt hat. Überall können wir zeigen, was es heißt, zu seiner lebendigen Jüngerschaft zu gehören.

Nochmals: Natürlich wird uns gerade viel abverlangt, auch weil das in einem gewissen Tempo geschehen soll, andererseits steht auch unter neuen Voraussetzungen die Einladung, uns immer wieder auf das zu besinnen, was unser Auftrag ist. 

Vieles, was wir in der Vergangenheit hatten, ist gut gewesen, auch mit Blick auf die Gruppierungen und Verbände. Wir wissen jedoch auch, dass in 2.000 Jahren Kirchengeschichte alles seine Zeit hat und nur dann Neues entstehen kann, wenn manches aufgegeben wird. 

Wir erleben die Außerdienststellung von Kirchen als schmerzhaften Einschnitt, aber das ist dennoch nicht das Ende, sondern wir stehen an einem Wendepunkt. Wir sind angesichts enormer Herausforderungen eingeladen, Kirche neu zu denken – als lebendige Steine an Orten von Freundschaft, Vertrautheit und Glaube. 

Kirchliches Leben hängt nicht von Kirchengebäuden, sondern von Menschen ab, die die Nachfolge Jesu leben wollen – sprich von uns allen.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

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Symbolbild Pastoralreferentin mit Gotteslob in der Hand / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Pastoralreferentin mit Gotteslob in der Hand / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR

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