Misereor wirbt besonders um Nachlässe von Frauen

"Mit ihrem Testament die Welt verändern"

Am Samstag ist der internationale Tag des Testaments. In Deutschland wird die Summe an Nachlässen von Jahr zu Jahr größer. Immer häufiger profitieren davon auch gemeinnützige Organisationen. Eine neue Zielgruppe seien Frauen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Symbolbild Eine Frau verfasst ihr Testament / © PeopleImages.com - Yuri A (shutterstock)
Symbolbild Eine Frau verfasst ihr Testament / © PeopleImages.com - Yuri A ( shutterstock )

Renate Rott wird die erste sein. Die Anfang des Jahres im Alter von 87 Jahren gestorbene Soziologin hat einen Teil ihres Vermögens dem katholischen Hilfswerk Misereor vermacht. 

Ihr Nachlass wird in den im Rahmen der neuen Initiative "Frauentestament" errichteten Frauen-Fonds fließen. Letzten Endes seien es die intensiven Gespräche mit der in Berlin lebenden Professorin gewesen, die Misereor auf die Idee gebracht hätten, diese Initiative ins Leben zu rufen, erläutert die Fundraising-Expertin des Hilfswerks, Katrin Heidbüchel. "Eine tolle Frau."

Renate Rott habe ein bewegtes und selbstbestimmtes Leben geführt, berichtet Heidbüchel. "Gerechtigkeit war ihr Lebensthema." Ob bei ihrer Arbeit in einer öffentlichen Bücherei in New York, wo sie Anfang der 1960er Jahre afroamerikanischen Jugendlichen und jüdischen Holocaust-Überlebenden begegnete, als Zeugin der Ermordung von Benno Ohnesorg während der Studentenproteste 1967 oder während ihrer Gastprofessur von 1979 bis 1981 an der Universität in Fortaleza, wo sie die Menschenrechtsverletzungen der brasilianischen Militärdiktatur miterlebte.

Die Welt verändern per Testament

Entwicklungspolitik blieb eines der zentralen Themen von Renate Rott. Aber auch gegen die Ungleichbehandlung von Frauen an deutschen Universitäten zog sie zu Felde. An Frauen wie sie richte sich die Initiative "Frauentestament" vor allem, betont Heidbüchel.

"Die Initiative versteht sich als Impulsgeber für den Dialog über Werte, Ideale und gesellschaftliche Verantwortung." Misereor reagiere damit auf Entwicklungen und Rückmeldungen von Frauen, die sich bereits mit Fragen des Wandels und der Gerechtigkeit auseinandersetzen. Ziel sei, "engagierten Frauen Raum für Austausch und Vernetzung zu bieten".

Das geschieht zu Lebzeiten der potenziellen Erblasserinnen etwa, indem diese zu "exklusiven Veranstaltungen mit Frauen in Schlüsselpositionen" eingeladen werden. In den "Frauen-Fonds" sollen ausschließlich Mittel von Frauen fließen, "die mit ihrem Testament die Welt verändern möchten". 

Wichtig sei, so Katrin Heidbüchel weiter, dass die dadurch zur Verfügung stehenden Gelder Menschen in allen Teilen der Welt, die unter Armut und Hunger leiden, unabhängig von Herkunft und Geschlecht zugute kommen.

Frauen im Fokus

Warum aber die Konzentration auf Frauen? "Umfang und Volumen an Nachlässen werden in den kommenden Jahren in einem gigantischen Maße zunehmen", erläutert Marita Haibach, eine der Pionierinnen im Bereich Fundraising in Deutschland und Mitbegründerin des Pecunia-Erbinnen-Netzwerks. 

Der Anteil der Frauen sei dabei größer, "auch weil sie häufig mehrfach erben: von ihren Eltern und - aufgrund der längeren Lebenserwartung - auch von ihrem Partner", so Haibach.

Ein Eindruck, den Misereor-Fundraiserin Heidbüchel bestätigt. "Die sogenannte 68er-Generation war Wegbereiterin der Emanzipation; Frauen eröffneten sich neue Möglichkeiten im Berufsleben. 

Mehr Frauen strebten an die Universitäten und erlangten mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit. Das schlägt sich zum Teil auch in der demografischen Entwicklung nieder. So hat Deutschland einen vergleichsweise hohen Anteil an Frauen, die keine Kinder haben"; und die ihren Nachlass für die Ziele eingesetzt wissen wollten, die sie ein Leben lang verfolgt hätten.

Testamentspenden-Fundraising wächst

Gemeinnützige Organisationen, die auf Spenden und andere finanzielle Zuwendungen angewiesen sind, blicken seit einigen Jahren verstärkt auf diesen Bereich. 

Vor dem Internationalen Tag des Testaments am Samstag verschickt etwa auch Don Bosco Mondo, eine Organisation, die sich für Kinderrechte und Bildungsprojekte in aller Welt engagiert, Einladungen zu Info-Veranstaltungen mit dem Titel "Schritt für Schritt zum gemeinnützigen Testament".

Den von Kritikern vorgebrachten Vorwurf der Erbschleicherei weist Marita Haibach zurück. "Das ist ein alter Zopf. Beim Testamentspenden-Fundraising wird einfühlsam und den Wünschen der Gegenüber entsprechend vorgegangen." 

Menschen, die einer gemeinnützigen Organisation ein Erbe hinterließen, seien erfahrungsgemäß glücklicher und zufriedener als jene, die nicht wissen, wohin ihr Hab und Gut nach ihrem Tode geht: "Zudem ist es für viele ein gutes Gefühl, wenn sie sich nach ihrem Tode für ihre Herzensangelegenheit engagieren können."

Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Misereor ist das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Es wurde 1958 von den katholischen Bischöfen in Deutschland auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet.

Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort "Misereor super turbam" (Ich erbarme mich des Volkes). Sitz des Hilfswerks ist Aachen.

Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor (MISEREOR)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor / ( MISEREOR )
Quelle:
KNA