Was macht die Faszination der Wallfahrtskirche in der Kupfergasse aus?

"Hier bringen die Menschen ihre Nöte zur Gottesmutter"

Für Pfarrer Christoph Bersch ist die Schwarze Muttergottes im Herzen Kölns ein Gnadenort to go, für andere ein geistlicher Magnet, eine Zufluchtsstätte oder spirituelle Kraftquelle. Am 8. September feiert sie ihren 350. Geburtstag.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Viele Menschen haben in St. Maria in der Kupfergasse ihre geistliche Heimat / © Beatrice Tomasetti (DR)
Viele Menschen haben in St. Maria in der Kupfergasse ihre geistliche Heimat / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Seit ihrem 12. Lebensjahr waren Sie Messdiener in der Kupfergasse und haben hier später Ihre geistliche Berufung erfahren. Auch als Pfarrer einer Pastoralen Einheit von derzeit siebzehn Kirchorten und Kreisdechant im Oberbergischen feiern Sie immer noch gerne die Eucharistie in der Kölner Wallfahrtskirche und beten dort in der Gnadenkapelle. Was bewegt Sie, wenn Sie hier einkehren? 

Pfarrer Christoph Bersch hat in der Kupfergasse seine geistliche Berufung erlebt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pfarrer Christoph Bersch hat in der Kupfergasse seine geistliche Berufung erlebt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Pfarrer Christoph Bersch (Kreisdechant in Oberberg): Ich bin in Köln-Nippes groß geworden. Im Alter von neun Jahren hat mich mein Vater zum ersten Mal zur Schwarzen Muttergottes mitgenommen. Damals wurde das 300-jährige Jubiläum von St. Maria in der Kupfergasse gefeiert. Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Schon als Kind habe ich damals die besondere Atmosphäre in dieser Kölner Wallfahrtskirche wahrgenommen: Feierlichkeit, Würde und Gebet verbanden sich zu einem Fest des Glaubens und zu einem Gespür für das Heilige.

Maria hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Heute ist diese kleine unscheinbare Gasse gegenüber der Kirche durch die Muttergottesverehrung weit über die Grenzen der Stadt Köln bekannt. Hier befindet sich das Gnadenbild, das im ganzen Erzbistum Köln und darüber hinaus ausstrahlt und bis heute bei so vielen Menschen – alten wie jungen – beliebt ist. Mich berühren immer wieder die Echtheit und Innigkeit des Gebetes und das Vertrauen von täglich hunderten Menschen in die Gottesmutter durch die Freuden und Sorgen des Lebens hindurch.

DOMRADIO.DE: Was macht diese Pilgerstätte denn so faszinierend? 

Bersch: Von Kindheit an habe ich erfahren: Die Kupfergasse mit ihrer Marienkapelle ist wirklich ein Ort der Gnade, ein Geschenk des Himmels, ein Ort, wo Menschen Trost, Halt, Kraft und Nähe erfahren. Das Besondere dabei ist, dass es – neudeutsch gesagt – ein "Gnadenort to go" ist. "Geh nicht vorbei, ohne ein Ave zu beten", heißt es am Toreingang zum Innenhof der Kirche. Es sind in aller Regel keine Pilgerbusse, die hierhin finden und große Menschenmassen ausspucken. Meist kommen Einzelne oder Familien, das aber den ganzen Tag über, so dass sich hier immerzu gläubige Beterinnen und Beter die Klinke in die Hand geben. Gezielt, um ihre Anliegen vor die Gottesmutter zu tragen. Oder auch eher zufällig, "by the way", beim Einkaufen, in der Mittagspause, nach Feierabend: ein kurzes Gebet, eine angezündete Kerze, bevor der Alltag wieder weitergeht. Religion als "Unterbrechung", wie der Theologe Johann Baptist Metz sagt. Unzählige Menschen erfahren es als wohltuend für die Seele, als aufbauend und stärkend: einfach hineinzugehen in diese Kapelle, still zu werden, das Kind in den Armen Marias zu sehen und auf ihre mütterliche Fürsprache vertrauen zu dürfen.

Christoph Bersch

"Ganz persönlich und unspektakulär, so wuchs meine Beziehung zur Mutter des Herrn und trägt mich bis zum heutigen Tag."

In meiner Messdienerzeit gehörte ein kurzer Gruß in der Gnadenkapelle vor Beginn der Messfeier ebenso dazu wie nach dem Ende ein "Gegrüßet seist du Maria" oder ein kurzes Dankgebet. Ganz persönlich und unspektakulär, so wuchs meine Beziehung zur Mutter des Herrn und trägt mich bis zum heutigen Tag.

DOMRADIO.DE: Am 8. September wird die Schwarze Muttergottes 350 Jahre alt, was mit einer Festwoche gefeiert wird – wie in jedem Jahr. Nur dass diesmal der Vatikan sogar einen päpstlichen Legaten geschickt hat: Kardinal Christoph Schönborn aus Wien, der am 14. September – zum Abschluss der Festwoche – gemeinsam mit Kardinal Woelki ein Pontifikalamt in der Kupfergasse feiern wird. Was wissen Sie über die Historie dieser Kirche?

Bersch: Die Geschichte der Gnadenkapelle geht bis ins 17. Jahrhundert zurück: Um 1630 kamen unbeschuhte Karmelitinnen aus Holland nach Köln, erwarben in der Kupfergasse den "Neuenahrer Hof", und es entstand hier 1660 ein Kloster zu Ehren der Gottesmutter Maria, des Heiligen Josef und der Heiligen Theresia von Avila. 1673 wurde dann an diesem Ort eine Kapelle zur Verehrung der Mutter Gottes errichtet und am 8. September 1675 geweiht. Man hat damals diese Kapelle nach den Maßen des Hauses der heiligen Familie in Loreto errichtet. 

Im Herbst 2024 bin ich zum ersten Mal in diesen beeindruckenden italienischen Wallfahrtsort gepilgert und habe mich einmal mehr gefreut, wie sehr der katholische Glaube und die Verehrung der Gottesmutter bzw. der Heiligen Familie die Menschen aus unterschiedlichen Völkern und Nationen zusammenführt in die große Familie der Kinder Gottes. Für mich ist das eine wichtige geistliche Ressource in Zeiten, wo gesellschaftliche Spaltungen und auch innerkirchliche Parteiungen das Zeugnis der Einheit in Christus bedrohen. Umso schöner, dass Maria ihre Kinder immer wieder zusammenführt.

Christoph Bersch

"Maria führt immer zu den Sakramenten, den Quellen des Heils, zu Christus."

Genau 40 Jahre nach der Weihe der Gnadenkapelle wurde am 8. September 1715 die neue, zu Ehren des Heiligen Josef errichtete Klosterkirche feierlich durch den Kölner Kurfürsten und Erzbischof  Josef Clemens geweiht. Sie ist Kölns erste Backsteinkirche. Mit ihrem Baustil in Niederländischem Barock erinnerte die Kirche an die Heimat der Karmelitinnen. 1803, nach der Säkularisation, wurde die Kirche glücklicherweise nicht abgerissen, sondern zur Pfarrkirche. Und – Gott sei Dank – blieb die Schwarze Muttergottes während der schweren Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg unversehrt, da sie im Dombunker aufbewahrt wurde. In den 1950er Jahren wurde die schwer zerstörte Kirche wieder aufgebaut und schnell erneut zu einem spirituellen Gnadenort, nicht zuletzt durch die unzähligen Menschen, die hier gebeichtet haben und auch weiterhin in großer Zahl beichten. Wie es weltweit an den Marienwallfahrtsorten zu sehen ist: Maria führt immer zu den Sakramenten, den Quellen des Heils, zu Christus.

Am 8. September wird die Schwarze Muttergottes 350 Jahre alt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Am 8. September wird die Schwarze Muttergottes 350 Jahre alt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Warum ist dieses Gnadenbild eigentlich schwarz? 

Bersch: Geschnitzt wurde es aus Lindenholz, doch ob es immer schon dunkel war oder im Laufe der Zeit schwarz geworden ist, kann keiner mit letzter Sicherheit sagen. Symbolisch aber sehe ich hierin all die Nöte, die Menschen zur Gottesmutter bringen: Sünde und Schuld, Hass und Gewalt, Krankheit und Leiden, Sterben und Tod. Und in allem das feste Vertrauen, dass Maria, wie es in einem Gebet zur Schwarzen Muttergottes heißt, "den Betrübten Trost, den Kranken Heil, den Sündern Zuflucht und Hilfe allen Christen" sei.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet den Kölnern dieser Wallfahrtsort?

Bersch: Bei St. Maria in der Kupfergasse schwingen einfach bei vielen große Emotionen mit. Hinzu kommt, dass kaum eine Stadt in der Welt in so vielen Liedern bedacht wird wie Köln. Sie ist "mein Herz", "mein Glück", ein "Jeföhl", weil zum einen die Menschen hier ein kostbarer Schatz sind, zum anderen aber eben auch die vielen schönen Gotteshäuser, in denen der Herr lebt und anzutreffen ist. Der Dom ist da sicherlich das spektakulärste, aber auch der Kranz der romanischen Kirchen oder eben die Kupfergasse haben ihre je eigene Anziehungskraft.

Christoph Bersch

"Die Schwarze Muttergottes in der Kupfergasse ist eine geistliche Kraftquelle von großer Ausstrahlung, auch wenn sie rein äußerlich mit den Prachtkirchen dieser Stadt kaum mithalten kann."

Gerade wenn ich an den Wallfahrtsort in der Kupfergasse denke und seine Bedeutung für die Kölner, kommt mir ein Lied von Ludwig Sebus, dem Kölner Krätzchensänger und Komponist in den Sinn, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden ist und schon vor Jahrzehnten der Schwarzen Muttergottes eine berührende kölsche Hymne gewidmet hat. In hochdeutscher Übersetzung heißt es da: "Bei der Schwarzen Madonna in der Kupfergasse brennen Kerzen Tag für Tag. Bei der Schwarzen Madonna macht manch einer Rast, und keiner geht heim ohne Trost… Ave, unsere Schwarze Madonna, du weißt ja, hier brauchen wir dich. Unser Köln: lass niemals im Stich." Ich finde, diese Zeilen bringen ganz wunderbar auf den Punkt, um was es hier geht. Die Schwarze Muttergottes in der Kupfergasse ist eine geistliche Kraftquelle von großer Ausstrahlung, auch wenn sie rein äußerlich mit den Prachtkirchen dieser Stadt kaum mithalten kann.

DOMRADIO.DE: Aber eben doch, was das Gemüt angeht, oder?

Bersch: Keiner kann die Kerzen zählen, die hier schon angezündet, die Gebete, die gesprochen, und die Menschen, die gestärkt und getröstet wurden. Und auch die Seelsorger, die in den letzten Jahrzehnten hier gewirkt haben, dürfen nicht vergessen werden. Sie haben diesen Ort geprägt, Menschen allen Alters im Glauben gestärkt und manche geistliche Berufung mit auf den Weg gebracht. Nicht zuletzt ist St. Maria in der Kupfergasse seit alters her auch eine besondere Traukirche. Wie viele Paare durfte ich als Ministrant am Ende des Brautamtes mit zur Gnadenkapelle begleiten, die dort den besonderen Segen Marias erhalten haben. Das "O Maria Gnadenvolle – Segne, Mutter, unseren Bund" klingt bis heute in meinem Herzen nach. 

DOMRADIO.DE: Sie sagten es schon, es gibt eine Vielzahl an Innenstadtkirchen, die alle ihr je eigenes Profil haben und in ihrer Ausrichtung auch jeweils den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen entgegen kommen und dennoch – zusammen genommen – für eine Einheit in der Vielfalt stehen, indem sie sich gegenseitig in ihren Angeboten ergänzen…

Bersch: Jedenfalls kann sich Köln glücklich schätzen, dass die Schwarze Muttergottes in ihrer Mitte wirkt und in einer Zeit von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz, von vielfacher Einsamkeit und zwischenmenschlicher Entfremdung einfach da ist: lebendig und voller mütterlicher Zuwendung! Jeden Tag wartet sie in ihrer Gnadenkapelle – mit einer Ausnahme. Denn alle zwei Jahre, immer am Fest der Geburt Mariens oder dem Sonntag danach, verlässt die Schwarze Muttergottes ihre Kapelle und wird durch die Straßen der Gemeinde getragen. Und am 14. September ab 18 Uhr ist es wieder soweit! Ein großes und stärkendes Glaubenszeugnis für die tausenden Menschen, die sich der abendlichen Lichterprozession anschließen, aber auch für alle, die eher zufällig in der Stadt sind und oft stehenbleiben: teils verwundert, teils aber auch sehr ergriffen.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Quelle:
DR

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