Voßkuhle rät Kirchen zu politischer Zurückhaltung

"Vorbild gelebter Nächstenliebe sein"

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, rät den Kirchen zur Beschränkung in politischen Fragen. Die Politisierung von Kirchen sieht der Jurist kritisch, und macht ihre Rolle an anderer Stelle aus.

Regierungsviertel und Bundestag in Berlin / © mama_mia (shutterstock)
Regierungsviertel und Bundestag in Berlin / © mama_mia ( shutterstock )

Auch in der Debatte um die Verfassungsgerichts-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf wäre Zurückhaltung angebracht gewesen, sagte der langjährige Gerichtspräsident im Interview des Münsteraner Magazins "Kirche+Leben".

Auf die Frage, ob sich die Kirchen politisch äußern sollten, sagte der Freiburger Jurist: "Sie können das tun, wenn sie wollen. Ich halte diese Versuche der politischen Einflussnahme aber für den falschen Weg." Der Mitgliederschwund der Kirchen habe viel mit ihrer Politisierung zu tun. 

Bundesverfassungsrichter Andreas Voßkuhle  / © Wolfgang Radtke (KNA)
Bundesverfassungsrichter Andreas Voßkuhle / © Wolfgang Radtke ( KNA )
Andreas Voßkuhle

"Wenn ich Politik gestalten möchte, schließe ich mich einer Partei an. Wenn ich mich politisch bilden möchte, besuche ich die Volkshochschule oder nutze Angebote der Zentralen für politische Bildung. Wenn ich in die Kirche gehe, möchte ich dort die Geborgenheit des Glaubens erleben."

Vorbild in gelebter Nächstenliebe

Voßkuhle erläuterte, er sehe bei den Kirchen in erster Linie "eine Verantwortung für die basalen Bedürfnisse der Menschen, die in Not sind und sich nicht selbst helfen können". Die gute Tat ohne Ansehen der Person stehe im Mittelpunkt und nicht irgendeine politische Ideologie. "Die Kirche sollte Vorbild gelebter Nächstenliebe sein."

Zur kirchlichen Position in der Debatte um Brosius-Gersdorf sagte der Direktor des Instituts für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg, die Kirche tue gut daran, sich in solchen Fragen Zurückhaltung aufzuerlegen. "Vor allem, wenn es um eine Gemengelage von ethisch-moralischen und rechtlichen Einschätzungen geht." Moralische Positionen prallten oft unversöhnlich aufeinander. "Schwierige juristische Fragen - wie sie beim Schwangerschaftsabbruch zu beantworten sind - sollten daher nicht in moralische Konflikte verwandelt werden."

Quelle:
KNA