DOMRADIO.DE: Sind Jugendwörter sinnvoll oder unsinnig? Wie sehen Sie das?
Urs von Wulfen (Diakon und Social-Media-Manager aus dem Bistum Osnabrück): Früher habe ich gesagt, dass das ganz großer Blödsinn ist. Im Jahr 2009 zum Beispiel hat "Gammelfleischparty" gewonnen. Da habe ich mir gedacht, dass das nun wirklich kein Mensch sagt. Das hat man irgendwo mal gelesen, dann wurde es künstlich aufgebauscht und plötzlich stand es zur Wahl. Wenn ich damals mit Jugendlichen gesprochen habe, sagten viele, dass sie das noch nie gehört oder benutzt hätten.
Aber das hat sich in den letzten Jahren verändert. Auch bei der jetzigen Auswahl. Muss man schon sagen, dass da einige dabei sind, die ich sogar durchaus mal höre und die mir gerade auf TikTok begegnen.
DOMRADIO.DE: Wenn Jesus heute predigen würde, würde er die Jugendsprache benutzen?
von Wulfen: Auf jeden Fall, wenn es hilft, die Sache verständlicher zu machen. Jesus hat ja selbst oft in Gleichnissen gesprochen, gerade damit die Menschen ihn besser verstehen konnten. Ich glaube, er war ein echter Meister darin, sich auf sein Gegenüber einzustellen und sich in den jeweiligen Kreisen verständlich auszudrücken. Wenn also Jugendsprache dabei geholfen hätte, hätte er sie bestimmt genutzt.
DOMRADIO.DE: Wie bewertet die Kirche die Verwendung der aktuellen Jugendsprache? Geht sie damit eher offen oder distanziert um?
von Wulfen: Man sollte der Kirche davon abraten, sich krampfhaft an Jugendwörter zu klammern, nur um sich anzubiedern. Das funktioniert bei Jugendlichen nicht. Das hat auch noch nie funktioniert. Wenn jemand solche Wörter benutzt, weil sie ganz natürlich zum eigenen Sprachgebrauch gehören, ist das in Ordnung.
Aber wenn man versucht, sie gezielt einzubauen, dann wird es schnell cringe.
DOMRADIO.DE: Heißt das im Umkehrschluss, dass man als Mit-Fünfziger und weit entfernt von der Jugend besser bewusst auf diese Jugendsprache verzichten sollte, wenn man Podcasts oder TikToks produziert?
von Wulfen: Das würde ich nicht sagen. Wenn man diese Worte generell benutzt, dann kann man sie auch gerne weiter benutzen. Aber wenn man sie nur als Stilmittel einbaut, damit die Jugendlichen zuhören, dann wird das nicht funktionieren.
DOMRADIO.DE: Welche Chancen und welche Grenzen sehen Sie darin, dass so ein Jugendwort viral geht?
von Wulfen: Viral gehen einzelne Worte selbst bei TikTok eher selten. Dennoch merke ich, dass solche Wörter dort durchaus verwendet werden. Beim Bistum Osnabrück, beziehungsweise auf dem Kanal "Kirche Osnabrück", erzielen Schwester Josefine und die Postulantin Melanie riesige Reichweiten. Wenn sie dann mal etwas sagen, dem viele zustimmen, schreiben ganz viele Menschen "Rede Schwester" darunter. "Rede" heißt dann so viel wie "Musst du lauter sagen" oder "Ich stimme dem zu". Das ist fast wie ein modernes "Amen, Schwester!" Solche Ausdrücke tauchen dort also vermehrt auf.
Die Worte sind eher Teil von viralen Inhalten, als dass sie selbst viral gehen. Bei der diesjährigen Liste der zehn Jugendwörter, die von Jugendlichen eingereicht wurden, sind erstaunlich viele Begriffe dabei, die tatsächlich im Sprachgebrauch vorkommen. Wie gesagt, es ist eine große Änderung zu früheren Jahren.
DOMRADIO.DE: Wann wird Sprache eigentlich zur Sünde?
von Wulfen: Sprache wird immer dann zur Sünde, wenn andere diskriminiert oder abgewertet werden und wenn man Sprache benutzt, um schlimme Dinge zu verharmlosen. Wenn man beispielsweise damit Dinge versucht zu verschleiern und nicht direkte Sprache benutzt, um darauf hinzuweisen, was wirklich ist.
Nehmen wir das Wort "Kollateralschaden", ein technisch klingender Begriff, der verschleiert, dass dabei Unbeteiligte im Krieg getötet werden. Das klingt plötzlich gar nicht mehr so schlimm, obwohl es in Wahrheit etwas sehr Schreckliches beschreibt.
DOMRADIO.DE: Welches könnte das Jugendwort 2025 werden?
von Wulfen: Ich würde mich sehr freuen, wenn "Rede" das Rennen machen würde. Ob das eine Chance hat? Ich glaube eher nicht.
Das Interview führte Oliver Kelch.