Die anglikanische Kirche in Wales hat erstmals eine Frau und offen lesbische Geistliche zu ihrer Erzbischöfin gewählt. Die 66-jährige Cherry Vann übernimmt das Amt von Andrew John, der im Juni nach internen Untersuchungen zu Führungs- und Aufsichtsfragen zurückgetreten war. Hinweise auf ein persönliches Fehlverhalten gab es dabei nicht.
Vann wurde 1994 als eine der ersten Frauen in der Church of England zur Priesterin geweiht. Später war sie als Archidiakonin in Nordengland tätig und wurde 2020 zur Bischöfin von Monmouth berufen. Sie gehört dem Open Table Network an, einer Initiative für LGBTQ+-Christen, und lebt mit ihrer zivilrechtlichen Partnerin in Südwales. Die Kirche in Wales erlaubt zivilrechtliche Partnerschaften unter gleichgeschlechtlichen Paaren und deren Segnung, führt jedoch keine gleichgeschlechtlichen Eheschließungen durch.
Kirche soll Vielfalt widerspiegeln
Nach ihrer am Mittwoch erfolgten Wahl in Chepstow erklärte Vann, sie sehe ihre vordringliche Aufgabe darin, strukturelle Probleme und Fragen des Vertrauens anzugehen, die zuletzt kirchenintern aufgekommen seien. Zugleich sprach sie sich dafür aus, dass die Kirche die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln solle. Eine baldige Einführung gleichgeschlechtlicher Eheschließungen in der Church in Wales schloss sie nicht aus, äußerte sich aber zurückhaltend zur zeitlichen Perspektive.
Die Church in Wales ist seit 1920 eine eigenständige Provinz der anglikanischen Gemeinschaft, nachdem sie sich von der Church of England getrennt hatte. Sie zählt heute rund 30.000 regelmäßige Gottesdienstbesucher und macht etwa 1,5 Prozent der walisischen Bevölkerung aus. Mit Vann übernimmt zum ersten Mal eine offen homosexuelle Frau eine Erzdiözese innerhalb der anglikanischen Kirchenleitung. Beobachter sehen darin ein mögliches Signal auch für die anstehende Neubesetzung des Amtes des Erzbischofs von Canterbury.
