Christliche Hilfswerke kritisieren Kürzung des Entwicklungsetat

Kampf gegen Hunger

Global ist die Zahl der Hungernden leicht gesunken. Jüngste Kürzungen von Geberstaaten sind jedoch noch nicht eingepreist. Hilfswerke sehen deswegen keinen Grund für Entwarnung und fordern mehr Einsatz der Bundesregierung.

Symbolbild Hunger in Afrika / © Riccardo Mayer (shutterstock)
Symbolbild Hunger in Afrika / © Riccardo Mayer ( shutterstock )

In Reaktion auf den neuen UN-Bericht zur globalen Ernährungssicherheit haben Bundesregierung und Hilfsorganisationen mehr Einsatz für Notleidende gefordert. 

Weltweit litten "unerträglich viele Menschen an Hunger"; dies sei "inakzeptabel in einer Welt, in der es eigentlich genug Essen für alle gibt", erklärte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) am Montag in Berlin.

 © Tsvangirayi Mukwazhi (dpa)
© Tsvangirayi Mukwazhi ( dpa )

Die Organisation Aktion gegen den Hunger sprach von einer "Frage des politischen Willens und der Solidarität". Die Welthungerhilfe mahnte, über etwas positiveren Gesamtwerten nicht dramatische Entwicklungen in einzelnen Krisengebieten wie Gaza, Sudan oder Haiti aus dem Blick zu verlieren.

Nach am Montag veröffentlichten Schätzungen von fünf UN-Organisationen hatten 2024 zwischen 638 und 720 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Während die Durchschnittsquote der Hungernden global leicht sank, verlief die Entwicklung uneinheitlich. In Afrika und Westasien hungern mehr Menschen. Das Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 weltweit zu beseitigen, gilt als unerreichbar.

Kritik an Kürzung im Bundeshaushalt

Entwicklungsministerin Alabali Radovan betonte, der Kampf gegen Hunger bleibe "ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit". Diese Arbeit müsse ausreichend finanziert sein, so die Ministerin. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung soll am Mittwoch beschlossen werden.

Der Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger, Jan Sebastian Friedrich-Rust, verwies auf eine geplante Kürzung von 8 Prozent für das Entwicklungsministerium. Das Ressort verliere damit das dritte Jahr in Folge rund eine Milliarde Euro. Für humanitäre Hilfe über das Auswärtige Amt solle es 53 Prozent weniger Geld geben. Hunger sei "nicht unvermeidlich, sondern eine direkte Folge politischer Entscheidungen".

"Das international zugesagte Ziel, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen, wird damit deutlich verfehlt", sagte Friedrich-Rust. Demgegenüber verschärfe sich die humanitäre Lage durch Konflikte, Klima- und Hungerkrisen, geringere Finanzierung und geschwächte Instrumente der Zusammenarbeit. "Wenn die Welt aus den Fugen gerät, wird es auch für uns auf Dauer weniger Sicherheit, Frieden und Wohlstand geben", so Friedrich-Rust.

Globale Zahlen kontra Realität vor Ort

Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, nannte es "ermutigend, dass die neuen Hungerzahlen etwas niedriger sind als im vorigen Jahr". Jedoch verdeckten globale oder regionale Durchschnittswerte oftmals die Realität vor Ort. Während etwa in Indien Programme zur Ernährungssicherheit und sozialen Absicherung griffen, fehle es in anderen Teilen der Welt "entweder am politischen Willen oder die staatlichen Strukturen sind zu fragil, um vergleichbare Fortschritte zu erzielen".

Misereor-Experte fordert mehr Einsatz von der Bundesregierung

Lutz Depenbusch, Experte für Ernährung des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in Aachen, betonte: "Die deutsche Bundesregierung kann den Hunger nicht allein beenden, aber sie kann einen wichtigen Beitrag leisten. Sie sollte gegenüber Kriegsparteien klar Position beziehen, auch mit Blick auf Gaza." Auch müsse sie die Bekämpfung des Klimawandels verstärken und nicht zugunsten kurzfristiger Wirtschaftsinteressen abschwächen.

"Millionen Menschen zahlen den Preis für politische Kurzsichtigkeit", erklärte die Deutschland-Direktorin der entwicklungspolitischen Organisation ONE, Lisa Ditlmann. Die Kürzungen machten bereits erzielte Erfolge zunichte und würfen die Entwicklungszusammenarbeit um Jahrzehnte zurück.

Die Präsidentin von "Brot für die Welt" und der Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin, warnte vor einem Domino-Effekt. "Wenn Deutschland erneut seine Ausgaben im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit senkt, wird dies Nachahmer finden." Es sei absurd, die Mittel zur Vorbeugung von Krieg und Gewalt zu senken." Das würde uns in Zukunft um ein Vielfaches teurer zu stehen kommen", sagte Pruin. 

Für "Save the Children" Deutschland mahnte Geschäftsführer Florian Westphal: "Kürzungen bei humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit treffen immer zuerst die Schwächsten - Kinder in Konflikt- und Krisengebieten, die auf Schutz und Perspektiven angewiesen sind." Die Wissenschaft sei sich einig darin, dass Einschnitte in diesen Bereichen nachweislich zu mehr vermeidbaren Todesfällen führten.

Haushaltsentwurf für 2026 vom Bundeskabinett 

Am Mittwoch soll der Haushaltsentwurf für 2026 vom Bundeskabinett beschlossen werden, Ende September befasst sich erstmals der Bundestag damit. Es ist abzusehen, dass der Entwicklungsetat von erneuten Kürzungen betroffen sein wird. Für den Haushalt 2025 soll der Etat von 11,2 auf 10,3 Milliarden Euro sinken.

Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Misereor ist das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Es wurde 1958 von den katholischen Bischöfen in Deutschland auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet.

Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort "Misereor super turbam" (Ich erbarme mich des Volkes). Sitz des Hilfswerks ist Aachen.

Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor (MISEREOR)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor / ( MISEREOR )
Quelle:
KNA