DOMRADIO.DE: Sie betreuen das Projekt Notinsel für die Stadt Recklinghausen. Was steckt hinter dem Konzept?
Denis Köhler (Sozialarbeiter beim Sozialdienst katholischer Frauen Recklinghausen e.V. / SkF): Die Notinseln sind ein Kinderschutzprojekt der Kinderschutzstiftung "Hänsel+Gretel". Es ist 2002 in Karlsruhe entstanden.
Die Idee ist, Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren sichere Räume in städtischer oder urbaner Umgebung zu schaffen. Die Grundidee ergab sich daraus, dass viele Kinder eine Frage hatten. Darf ich mal telefonieren? Kann ich mein Handy aufladen?
Die Fragen sind aber auch aus schwierigen Situationen entstanden. Die Kinder fühlten sich verfolgt oder bedroht und benötigten Hilfe. Kinder sollten nicht allein versuchen müssen, so etwas im offenen Raum ohne Erwachsene zu regeln. Kinder sind schutzlos. Dabei sollen die Notinseln helfen.
DOMRADIO.DE: Wie läuft diese konkrete Hilfe ab? Ein Kind sucht eine Notinsel auf und was passiert dann? Woran erkennt ein Kind überhaupt, dass das ein Anlaufpunkt für mich ist?
Köhler: Das Logo ist bunt mit drei Kindern. Das soll auf Augenhöhe für die Altersgruppe auf der Eingangstür hängen. Kinder können dann erkennen, dass sie dort Hilfe erhalten. Dazu muss die Notinsel aber erst mal bekannt sein. Das ist im Moment mein Bearbeitungsstand.
Ich suche händeringend nach Partnern. Nach den Sommerferien möchte ich das Projekt auch an den Schulen bekanntmachen. Lehrer sollen wissen, dass es die Notinseln jetzt gibt. Außerdem sollen die Eltern informiert werden, dass es Notinseln gibt, wenn eure Kinder auf dem Weg nach Hause beziehungsweise auf dem Weg zur Schule sind.
Sie können dann die Wege checken, ob es auf dem Weg oder in der Umgebung der Schule eine Notinsel gibt. Für den Fall, dass ein Kind zu einer Notinsel kommt, gibt es Handlungsanweisungen. Die sind von der Kinderschutzstiftung vorgeschrieben. Dadurch wird bei den Partnern kein fachpädagogisches Wissen vorausgesetzt.
Wir haben einen Partner, das ist der Friseur Wilms in Recklinghausen. Dort arbeiten in der Regel nur Hairstylistinnen, Hairstylisten und Auszubildende. Die haben keine Erziehungswissenschaft in der Berufsschule. Trotzdem können sie anhand der Handlungsanweisung pädagogisch vernünftig, sage ich mal, mit den Kindern in so einer Situation umgehen. Denn die Kinder sollen emotional vernünftig versorgt werden und das Gefühl von Sicherheit erfahren.
DOMRADIO.DE: Letztendlich kann jeder Geschäftstreibende bei diesem Projekt mitmachen, oder?
Köhler: Grundsätzlich schon und es ist für die Partner kostenlos. Es gibt jedoch von der Kinderschutzstiftung vorgegebene Rahmenbedingungen. Die sind auch wichtig. Erst Mal möchte die Kinderschutzstiftung das die Partner regelmäßige Öffnungszeiten haben.
Es ist nicht schlimm, wenn sie nicht sieben Tage die Woche geöffnet haben. Friseure haben beispielsweise montags auch zu, die haben aber an einem Samstag geöffnet. Da ist zwar keine Schule, aber Kinder sind an dem Tag unterwegs.
Eine offene Tür ist auch wichtig. Wenn man erst klingeln oder warten muss, dass die Tür aufgedrückt wird, ist es im Prinzip schon wieder eine unsichere Stelle. Denn Kinder sollen in einer Notsituation einfach reinlaufen können.
Bei der dritten Rahmenbedingung muss gegeben sein, dass jemand sofort ansprechbar ist. Sodass wenn ein Kind in so einer Situation reinkommt, es nicht erst suchen oder an Türen klopfen muss.
Ich habe in meinem Studium, in meiner Ausbildung und in meinen ersten Jahren als Sozialarbeiter und Sozialpädagoge gelernt, dass Kinder immer Opfer ihrer Umwelt sind, ohne das jetzt abwertend zu meinen. Kinder können viele Dinge nicht alleine regeln. Dafür brauchen sie einen sicheren Raum oder Anlaufhilfe.
DOMRADIO.DE: Das treibt Sie auch persönlich an und um dieses Projekt, oder?
Köhler: Ja, auf alle Fälle. Ich bin Stadtteilmanager in Recklinghausen Süd. Das ist meine Hauptaufgabe beim SKF. In allen Ortsteilen in Recklinghausen, in denen es Quartiersmanagement oder Stadtteil-Management gibt, gibt es einen Bedarf in irgendeiner Art und Weise.
Es ist schwierig für uns, diese Informationen zu vermitteln. Wenn Kinder nicht in irgendwelche Situationen gelangen, in denen eine Notinsel wichtig gewesen wäre, suchen die Eltern nicht nach solchen Informationen.
Wichtig ist es, wie gesagt, dass wir hier das einfach bekannter machen.
Das Interview führte Oliver Kelch.