Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat die Diskussion um die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf, SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, kritisiert. "Es ist unglücklich, wie die Debatte gelaufen ist, und dass sie zur persönlichen Beschädigung einer Kandidatin geführt wurde", sagte Marx in einem am Dienstag in den "Nürnberger Nachrichten" veröffentlichten Interview. "Von dem, was nun geschah, profitiert vor allem die AfD." Kräfte wie diese Partei seien "auf Spaltung und auf Zersetzung aus. Wir sollten ihr Spiel nicht mitmachen".
Mit Blick auf die im ersten Anlauf gescheiterte Richterwahl im Bundestag sagte Marx: "Die Verantwortlichen müssen sich schon fragen, wie das überhaupt passieren konnte. Bei der Wahl von Verfassungsrichtern ist möglichst großer Konsens gefragt." Zur Position von Brosius-Gersdorf, die dafür eintritt, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln, sagte der Kardinal: "Es ist nicht verboten, diese Meinung zu haben."
"Debatten mit Sachargumenten austragen"
"Wir haben eine ganz andere, für die wir eintreten. Wir wollen keine Aufhebung des § 218. Die jetzige Fassung ist ein Kompromiss, der zu einem gesellschaftlichen Frieden geführt hat. Das sollte nicht gefährdet werden" Zum allgemeinen Debattenklima und zur Rolle der Kirche erklärte Marx: "Man muss versuchen, auf den anderen einzugehen. Wir sehen aber, wie oft verbal aufeinander eingeschlagen wird. Das hat sich verstärkt. Wir als Kirche sollten dafür stehen, dass Debatten mit Argumenten in der Sache ausgetragen werden - und mit Respekt vor der Person. Ohne persönliche Herabsetzungen."
Im selben Interview äußerte sich der Münchner Kardinal zu dem jüngsten Anti-Schulkreuz-Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Er habe an einem öffentlichen Streit um das Kreuz kein Interesse. "Wo das Kreuz in Bayern hängen soll, ist geregelt", sagte Marx. "Ich wünsche mir, dass es im öffentlichen Raum einen Platz hat und akzeptiert wird. Das Kreuz sollte jedoch nicht zum Zweck der Ausgrenzung und des Kulturkampfes benutzt werden! Es soll ein Symbol sein, das verbindet. Ich bin nicht glücklich, wenn das Kreuz zum Streitobjekt wird."
"Solche Debatten führen nicht weiter"
Marx fügte hinzu, es führe nicht weiter, wenn sich manche in solchen Fällen "zum Verteidiger der Kirche oder des Christentums berufen" fühlten und dabei zugleich gegen andere positionierten. Eine Partei mit dem C im Namen trage dabei eine besondere Verantwortung.
Nach eigenem Bekunden hatte Marx in jungen Jahren auch andere Berufswünsche vor Augen als eine Kirchenlaufbahn. "Politiker oder Stadtplaner - das wären Alternativen gewesen", sagte er in dem Interview. "Menschengerechte Städte zu bauen, das ist ein großes sozialethisches Thema. Das hätte mir Freude gemacht." Dass der Münchner Erzbischof zeitweise mit einer politischen Karriere liebäugelte, ist schon lange bekannt. "Ich wäre, wenn ich nicht Priester geworden wäre, in die Politik gegangen", sagte er etwa 2008 im Bayerischen Fernsehen im Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU). Auf dessen Frage: "In welchem Land wären Sie dann Ministerpräsident geworden?" antwortete Marx: "Das wäre Nordrhein-Westfalen geworden."