Thierse verteidigt Kirche in Verfassungsrichter-Debatte

"Man sollte sie nicht beschimpfen"

Wer eine politische Kirche will, sollte deren Meinung auch zulassen. Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse nimmt in der Verfassungsrichter-Debatte die SPD in die Pflicht. Was er sich nun wünscht.

Bundesverfassungsgericht (dpa)
Bundesverfassungsgericht / ( dpa )

In der Diskussion um die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin hat Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die katholische Kirche gegen Kritik verteidigt. 

"Dass Vertreter der katholischen Kirche ihre grundsätzlichen Überzeugungen zum Thema Menschenwürde des ungeborenen Lebens zum Ausdruck bringen, sollte man ihr nicht übelnehmen", sagte Thierse dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). "Wenn man Stellungnahmen der Kirchen zu bestimmten Themen ausdrücklich wünscht, dann sollte man sie nicht beschimpfen, wenn einem Stellungnahmen zu anderen Themen nicht gefallen."

Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf am 15. April 2024 in Berlin, während sie den Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin vorstellte. / © Britta Pedersen (dpa)
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf am 15. April 2024 in Berlin, während sie den Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin vorstellte. / © Britta Pedersen ( dpa )

Die Wahl von Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin, die von der SPD für das Amt vorgeschlagen worden war, war am Freitag zunächst gescheitert. Vorbehalte existieren vor allem bei CDU und CSU sowie auch bei der katholischen Kirche wegen der liberalen Haltung der 54 Jahre alten Juristin zur Abtreibungsregelung. So nannte der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl diese Haltung einen "innenpolitischen Skandal". SPD-Fraktionschef Matthias Miersch zeigte sich daraufhin empört, "wie sich prominente Bischöfe und Kardinäle in diese Sache eingeschaltet haben".

"Kandidatin selbst zu Wort kommen lassen"

Thierse gehörte lange Jahre dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dem obersten Gremium des Laienkatholizismus in Deutschland, an. Seine Kritik richtete er nun in erster Linie an die SPD, seine eigene Partei. Er riet ihr, "die Schärfe der Auseinandersetzung herunter zu dimmen und kritische Äußerungen nicht nur als Kampagne zu empfinden - selbst wenn es Hetze gegeben hat".

Wolfgang Thierse / © Christoph Soeder (dpa)
Wolfgang Thierse / © Christoph Soeder ( dpa )

Die Union mahnte er hingegen, Meinungspluralität auch im Bundesverfassungsgericht zuzulassen. "Insgesamt wäre es gut, wenn man sich jetzt gründlich mit den anstehenden Fragen beschäftigen und die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf selbst zu Wort kommen lassen würde", betonte Thierse.

Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte. Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.

Außenansicht Bundesverfassungsgericht / © Harald Oppitz (KNA)
Außenansicht Bundesverfassungsgericht / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA