Gerichtshof-Anwältin sieht in Kirchenaustritt keinen Kündigungsgrund

Diskriminierung wegen Religion?

Darf ein Arbeitnehmer einer katholischen Organisation aus der Kirche austreten? Ja, sagt eine Anwältin des EuGH. Denn ein Austritt sei nicht zwangsläufig ein Loyalitätsverstoß. Eine Kündigung aus dem Grund ist dann nicht rechtens.

Stadtansicht im modernen Teil von Luxemburg mit dem Europäischen Gerichtshof, dem Parlament und der Philharmonie / © frantic00 (shutterstock)
Stadtansicht im modernen Teil von Luxemburg mit dem Europäischen Gerichtshof, dem Parlament und der Philharmonie / © frantic00 ( shutterstock )

Kündigt eine katholische Organisation einem Arbeitnehmer wegen seines Kirchenaustritts, kann das nach Auffassung einer Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Diskriminierung wegen der Religion sein.

Dies sei der Fall, wenn die Organisation die fragliche Berufstätigkeit nicht von der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche abhängig gemacht habe und der Arbeitnehmer nicht offen in einer Weise handele, die dem Ethos dieser Kirche zuwiderlaufe, heißt es in den am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichten Schlussanträgen von Generalanwältin Laila Medina.

Europäischer Gerichtshof / © Geert Vanden Wijngaert (dpa)
Europäischer Gerichtshof / © Geert Vanden Wijngaert ( dpa )

Im verhandelten Fall hatte eine katholische Stelle für Schwangerschaftsberatung einer Mitarbeiterin nach deren Austritt aus der katholischen Kirche gekündigt. Zwar sei die Mitgliedschaft in der Kirche keine Bedingung. Der Austritt wurde jedoch als schwerer Loyalitätsverstoß gewertet. Die Beraterin hatte die Kündigung mit Erfolg vor deutschen Arbeitsgerichten angefochten. Daraufhin wandte sich die Schwangerschaftsberatung an das Bundesarbeitsgericht.

Mitgliedschaft nicht immer erforderlich

Generalanwältin Medina ist der Auffassung, dass sich die Kündigung nicht anhand der vorliegenden Richtlinienbestimmung rechtfertigen lasse, die bei beruflichen Tätigkeiten in Kirchen und religiösen Organisationen unter bestimmten Voraussetzungen Ungleichbehandlungen wegen der Religion zulasse. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien nicht erfüllt, wenn die Ausübung der beruflichen Tätigkeiten es nicht erfordere, Mitglied der fraglichen Kirche zu sein.

Auch lasse ein Austritt noch nicht die Annahme zu, dass der Arbeitnehmer nicht beabsichtige, weiterhin die Grundprinzipien und Werte der betreffenden Kirche zu befolgen, so Medina.

Eigenes Arbeits- und Tarifrecht

Das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland wird auch als Dritter Weg bezeichnet. Es räumt den Kirchen das Recht ein, ein eigenes System des Arbeits- und Tarifrechts zu schaffen. So sind Streiks und Aussperrungen bei evangelischer und katholischer Kirche sowie ihren Sozialverbänden Caritas und Diakonie verboten. Tarifverhandlungen finden in eigenen, auf Konsens ausgerichteten Gremien statt.

Zudem verlangt insbesondere die katholische Kirche Loyalitätspflichten ihrer Mitarbeiter, die das Privatleben betreffen.

Allerdings haben die katholischen Bischöfe schon Ende 2022 eine weitreichende Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts beschlossen. Danach müssen etwa Beschäftigte, die in zweiter Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft leben, nicht mehr mit einer Kündigung rechnen.

Quelle:
KNA