"Neues Kabinett wird katholischer": Schlagzeilen wie diese waren in kirchlichen Medien zu lesen als die neue Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzler Friedrich Merz vor knapp einem Monat ihre Arbeit aufgenommen hat. In der Tat finden sich im neuen Kabinett mehr Katholikinnen und Katholiken als auf der vorherigen Regierungsbank. Unter ihnen auch der Kanzler selbst und sein Innenminister Alexander Dobrindt von der CSU. Gleichzeitig wird aber immer klarer, dass sich die Politik der Regierung Merz offensichtlich sehr wenig am katholischen Glauben orientiert – jedenfalls mit Blick auf das Thema Migration.
Das zeigt sich daran, dass die Bundesregierung plant, ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zu ignorieren, das am Montag die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze für rechtswidrig erklärt hat. In einem Eilverfahren hatten zwei Männer und eine Frau aus Somalia Recht bekommen, die im Mai an der Grenze zu Polen zurückgewiesen wurden – trotz der Bitte um Asyl. Außerdem will die Regierung Merz ihre Asylpolitik noch weiter verschärfen. So sollen etwa Abschiebungen künftig dadurch vereinfacht werden, dass Staaten leichter zu sicheren Herkunftsländern deklariert werden können. Treibende Kräfte sind bei dieser Verschärfung vor allem die Katholiken Merz und Dobrindt.
Die Migrationspolitik der Regierung Merz widerspricht der kirchlichen Lehre. Denn die katholische Kirche fordert im Katechismus, dass die "wohlhabenderen Nationen" verpflichtet sind, Menschen aufzunehmen, "die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden können". Ein humaner Umgang mit Flüchtenden und Asylsuchenden ist also eine Pflicht für Katholikinnen und Katholiken.
Eine Niederlage mit Ansage
Ganz anders Papst Franziskus: Er nutzte sein Pontifikat, um auf die prekäre Situation von Menschen auf der Flucht aufmerksam zu machen. Seine erste Reise nach der Wahl zum Papst 2013 führte ihn auf die italienische Insel Lampedusa, die in unmittelbarer Nähe zum afrikanischen Kontinent im Mittelmeer liegt. Viele Flüchtende haben sich zu der lebensgefährlichen Überfahrt auf die Insel aufgemacht. Immer wieder mahnte Franziskus zu Mitgefühl und Unterstützung für Migranten. Er forderte von den westlichen Nationen, dass flüchtende Menschen "aufgenommen, begleitet, gefördert und intergiert" werden. Franziskus' Nachfolger Leo XIV. hat sich zwar noch nicht ausführlich zur Frage des Umgangs mit Migration und Flucht geäußert. Aber frühere Wortmeldungen aus der Zeit vor seiner Wahl lassen darauf schließen, dass er bei diesem Thema den Kurs seines Vorgängers fortsetzen wird.
Die Unionspolitiker Merz und Dobrindt sowie die ganze Bundesregierung täten gut daran, ihre restriktive Migrationspolitik zu überdenken – und das nicht nur, weil sie sich eindeutig mit der Position der Kirche zu diesem Thema stößt. Die Schlappe vor Gericht für das Kabinett und besonders für den Bundesinnenminister war eine Niederlage mit Ansage.
Die Juristen des Ministeriums selbst hatten Dobrindt davor gewarnt, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze gegen geltendes Recht verstößt. Dennoch will die Regierung Merz weiterhin an den Außengrenzen Deutschlands die Polizei kontrollieren lassen und Menschen auf der Flucht zurückweisen. Das erinnert an die Verhältnisse in den USA, denn auch Donald Trump schert sich bei seinen politischen Entscheidungen bisweilen wenig um ihre Rechtsstaatlichkeit. Es bleibt zu hoffen, dass sich die deutsche Bundesregierung daran kein Vorbild nimmt.
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