DOMRADIO.DE: Sie sind Pfarrer und Pilot. Gibt es da eine Schnittmenge?
Andreas Baumann (Evangelischer Pfarrer in Michelau in Oberfranken und Pilot): In beiden Zusammenhängen habe ich es mit dem Himmel zu tun. Was in der deutschen Sprache gleich klingt, lässt sich im Englischen differenzieren zwischen "Sky" und "Heaven".
Sky, das sind die Wolken über uns. Das ist der Raum, aus dem es heraus regnet und in dem sich ein Flugzeug befindet. Die religiöse Dimension des Wortes Himmels im englischen "Heaven" beschreibt einen Ort der Sehnsucht, der Herkunft, der Zukunft. Der muss nicht über uns sein, der kann in uns sein oder vor uns sein. Zu dem sind wir unterwegs.
DOMRADIO.DE: Was können Sie aus Ihrer Tätigkeit als Pilot mit in die Gemeindearbeit einbringen?
Baumann: Man erlebt als Pilot, einen Überblick zu haben. Wir sind als Pastorinnen und Pastoren nicht für alles zuständig, aber immer fürs Ganze. Dazu braucht es einen Überblick. Dazu braucht es auch die Fähigkeit, ein bisschen über den Horizont und über die Zeit hinauszuschauen.
Wenn wir in der Region, in der Nachbarschaft, einen neuen Kollegen oder eine neue Kollegin bekommen, überreiche ich nicht nur einen Blumenstrauß oder ein symbolisches Geschenk. Ich lade sie ein, mit mir fliegen zu gehen, um sich ihre Gemeinde von oben anzuschauen.
Einige haben das schon gemacht. Es gibt andere Dinge, mit denen ich auch manchmal die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, ein bisschen auf die Nerven gehe.
Als Pilot ist man gewohnt, mit großer Präzision mit Ressourcen umzugehen und Umweltbedingungen zu respektieren. Ich bin geschult darin, die eigenen Grenzen zu erkennen und ein planender Mensch zu sein. Das ist in einer Gemeindewirklichkeit, wo man es mit vielen Menschen zu tun hat, manchmal nicht einfach.
DOMRADIO.DE: Wir sprechen zu Christi Himmelfahrt miteinander. An dieses Tag wird Jesus den Jüngern der Welt entrückt und entschwebt sozusagen in den Himmel. Diesen Moment des Abhebens kennen Sie auch. Was ist das für ein Gefühl?
Baumann: Ich habe es in deutlicher Erinnerung, als ich das zum ersten Mal auf eigenen Wunsch als 15-jähriger heranwachsender Junge erleben konnte und durfte. Wenn die Erdenschwere hinter einem bleibt und sich schnell die Perspektive ändert.
Wenn, wie Reinhard May das besingt, alles, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein wird. Das ist nach 48 Jahren Fliegerei kein einziges Mal langweilig und immer wieder ein Faszinosum.
DOMRADIO.DE: Wie interpretieren Sie vor dem Hintergrund Ihrer Pilotenerfahrung den Himmelfahrtstag?
Baumann: Den interpretiere ich als Theologe. Ich kann vieles aus der Fliegerei interpretieren wie die Suche nach Freiheit und die Demut, sich als ganz kleinen Teil eines großen Ganzen zu sehen. Aber bei dem Himmelfahrtstag ist das anders. Das interpretiere ich vornehmlich aus der biblischen Symbolik.
Er ist immer an einem Donnerstag. Er ist immer 40 Tage nach dem Tag der Auferstehung. Es steckt die 40 Tage als einen Zeitraum ab, in dem Menschen dem auferstandenen Jesus in leibhaftiger Gestalt begegnet sind. So zeigen es die Erfahrungsberichte, die zur Bibel geworden sind.
Aber das konnte nicht auf ewig so weitergehen. Es musste in bildlicher Sprache ausdrückbar sein, dass diese Zeit vorbei ist. Es sollen 40 Tage gewesen sein, so wie die Sintflut 40 Tage gedauert hat und Moose 40 Tage auf dem Berg war, bis er die Zehn Gebote hatte.
Es gibt viele andere symbolische Geschichten mit 40 Tagen. Die Himmelfahrt steht auch im Zusammenhang mit einer anderen Präsenz Christi in dieser Welt, die in diesem Moment auch verheißen wurde und die zehn Tage später am Pfingsttag in die Welt gekommen ist. Pfingsten bedeutet 50.
Diese Präsenz gibt uns heute noch Kraft, wenn wir uns dafür öffnen. So ist dieser Himmelfahrtstag eine Art Übergang zwischen einer historisch beschränkten Situation in eine weltweite Situation der Gegenwart Gottes in seinem Heiligen Geist.
DOMRADIO.DE: Wie werden Sie Christi Himmelfahrt begehen?
Baumann: Wenn der Himmel beziehungsweise der Sky über uns trocken bleibt, werden wir einen Gottesdienst in einer Waldlichtung nahe unseres Kirchortes unter freiem Himmel mit Posaunen feiern.
Ich habe mir als eine Art Predigt einen Dialog mit einem sehr lieben Freund überlegt, der bei uns als ehrenamtlicher Prediger tätig ist. Wie machen eine Art Interview. Es beginnt, indem mein Gegenüber fragt: "Du Andreas, du bist doch Pilot, was sagst du über den Himmel?"
Das Interview führte Hilde Regeniter.