Was Papst Leo XIV. in Peru gelernt hat

"Sehr intelligent, stets gut vorbereitet und pünktlich"

Papst Leo XIV. hat viele Jahre in Peru gelebt. Dort platzen die Menschen vor Stolz. Und in der peruanischen Bischofskonferenz erinnert man sich an einen besonnenen, zugewandten und krisenerprobten Menschen.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Archivbild: Bischof Robert Prevost, der jetzige Papst Leo XIV., leitet eine Jubiläumsfeier der Diözese in Peru Chulucanas / © Diocese of Chulucanas via AP (dpa)
Archivbild: Bischof Robert Prevost, der jetzige Papst Leo XIV., leitet eine Jubiläumsfeier der Diözese in Peru Chulucanas / © Diocese of Chulucanas via AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Robert Prevost zählte zwar zum Kreis der Papabili, aber wie überrascht waren Sie, als er es wirklich wurde: Ein Mann, mit dem Sie jahrelang in Peru zusammengearbeitet haben? 

Monsignore Carlos García Camader ist der Vorsitzende der peruanischen Bischofskonferenz / © Conferencia Episcopal Peruana
Monsignore Carlos García Camader ist der Vorsitzende der peruanischen Bischofskonferenz / © Conferencia Episcopal Peruana

Monsignore Carlos García Camader (Bischof des Bistums Lurín und Vorsitzender der peruanischen Bischofskonferenz CEP): Dieser Moment ist für mich unbeschreiblich. Als der weiße Rauch kam, war da diese Freude, dass wir einen neuen Papst haben. Aber wir konnten es tatsächlich nicht glauben, als sich der Vorhang öffnete und einer unserer Brüder, der in unserem Land so viel Gutes bewirkt hatte, dort stand. Wir wissen, wie er denkt und er versteht uns, seine Frömmigkeit ist sehr marianisch geprägt. Wir freuen uns wirklich sehr über seine Wahl. 

DOMRADIO.DE: Robert Prevost kam Mitte der 1980er Jahre als Missionar nach Peru, er lebte viele Jahre dort, seit 2015 besitzt er sogar die peruanische Staatsbürgerschaft. Einen Teil seiner ersten Ansprache hat er auf Spanisch gehalten. Wie fanden Sie das? Was hat das bei den Peruanerinnen und Peruanern ausgelöst? 

Carlos García Camader

"Die Menschen sind vollkommen außer sich vor Freude, dass jetzt "einer von ihnen" Papst ist".

García: Die Menschen sind vollkommen außer sich vor Freude, dass jetzt "einer von ihnen" Papst ist. Viele kennen ihn persönlich, weil er an so vielen unterschiedlichen Orten im Einsatz war: In Chulucanas, wo er zunächst arbeitete, weil die Region lange von den Augustinern betreut wurde, deren Prior er später wurde. Im Erzbistum Trujillo, wo er lehrte und im Bistum Chiclayo, dessen Bischof er 2015 wurde. 

Chiclayo ist eine abgelegene, arme Region mit vielen Geflüchteten aus Venezuela. Dort hat er vor allem gezeigt, wie anpassungsfähig er ist. Er weiß, wie er mit den Menschen umgehen muss. Er ist sehr intelligent, stets gut vorbereitet und pünktlich. Er redet nicht zu viel und er geht die wichtigen Probleme immer mit viel Hoffnung und Optimismus an. 

DOMRADIO.DE: Sie kennen ihn persönlich, wie erinnern Sie sich an die Zusammenarbeit mit ihm?

García: Wir haben in der peruanischen Bischofskonferenz häufig zusammengearbeitet. Er war lange für die Kommission für Erziehung und Bildung zuständig. Dort mussten wir uns vor allem mit dem Thema Missbrauchsaufarbeitung und Prävention beschäftigen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche.

Das war nicht einfach, weil wir als Bischofskonferenz nicht immer eine direkte Handhabe hatten, wie etwa bei Sodalicio (Anm. der Red.: Die ultrakonservative Laiengemeinschaft "Sodalitium Christianae Vitae" wurde 1971 in Lima gegründet und hatte großen Zulauf. Nach anhaltenden Vorwürfen des sexuellen und geistlichen Missbrauchs wurde sie Anfang 2025 aufgelöst). 

Als uns das Ausmaß des Missbrauchs bewusst wurde, haben wir uns für die Betroffenen eingesetzt, ihnen zugehört und Maßnahmen ergriffen. 2022 hat die peruanische Bischofskonferenz ein Dokument mit Leitlinien verabschiedet, in dem festgelegt wird, wie wir mit Fällen von Missbrauch und Vorwürfen umgehen. Das hat uns die Augen geöffnet für eine Kirche, die von uns verlangt, dass wir zuhören. 

DOMRADIO.DE: Wie ist er als Mensch? 

Carlos García Camader

"Neugierig, einfach, sehr klar in dem, was er sagt. Ein sehr ausgleichender Mensch und man merkt ihm an, dass er früher Mathematik studiert hat: Er ist sehr strukturiert."

García: Neugierig, einfach, sehr klar in dem, was er sagt. Ein sehr ausgleichender Mensch und man merkt ihm an, dass er früher Mathematik studiert hat. Er ist sehr strukturiert. In Konferenzen hat er stets den roten Faden behalten, auch wenn andere ausschweiften oder vom Thema abkamen. Er war sehr ergebnisorientiert. 

DOMRADIO.DE: Seine Zeit in Peru fiel in eine politisch aufgeladene Situation. Seit den 1960er Jahren terrorisierte die maoistisch inspirierte Guerilla "Leuchtender Pfad" das Land, Präsident Alberto Fujimori regierte ab 1990 zunehmend autokratisch, ihm werden Korruption, Vetternwirtschaft und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Wie ist Prevost als Bischof damit umgegangen? Hat er sich kritisch geäußert? 

Als Mitglied der Caritas Peru war Bischof Robert Prevost da, wo Hilfe nötig war / © Cáritas Chiclayo
Als Mitglied der Caritas Peru war Bischof Robert Prevost da, wo Hilfe nötig war / © Cáritas Chiclayo

García: Er hat sich nicht politisch eingemischt, sondern lebte in der Solidarität mit den Menschen, indem er ihren Weg mitging und Orientierung gab. Natürlich hat er sich als Vizepräsident der peruanischen Bischofskonferenz, der er zwischenzeitlich war, auch öffentlich geäußert. 

Aber dabei ging es ihm immer um die Situation der Menschen, Menschenrechtsverletzungen hat er offen angeprangert, aber er wollte sich nicht von einer Seite politisch oder ideologisch vereinnahmen lassen. Er war sehr besonnen mit seinen öffentlichen Äußerungen, weil ihm bewusst war, dass diese die Situation noch hätten verschlechtern können. Er wirkte im Hintergrund und seine Hauptaufgabe sah er darin, bei seinem Volk zu sein und ihm Hoffnung zu geben, auch in den dunkelsten Momenten. 

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, wie hat ihn das Leben in Peru beeinflusst und geprägt? 

García: Peru ist ein multikulturelles Land mit vielen unterschiedlichen Lebensrealitäten. Es gibt viel Schmerz und Leid, Hunger, Arbeitslosigkeit, Gewalt und Terrorismus. Es gibt aber auch eine große Lebensfreunde und die Menschen lassen sich diese trotz der Probleme nicht nehmen. Die Peruaner suchen selbst in den ausweglosen Situationen nach Auswegen. Mit Kreativität und Gottes Hilfe verwandeln sie Verzweiflung in Chancen. 

Ein Beispiel dafür sind die gemeinschaftlichen Kochgruppen "olla común" ("gemeinsamer Topf"), die vor allem in der Pandemie immer mehr wurden. Diese Initiativen, oft von Frauen geleitet, entstanden aus der wirtschaftlichen Not heraus. Sie bieten günstige Mahlzeiten für Bedürftige an, sie dienen der Bekämpfung von Hunger und schaffen Arbeitsplätze. Gleichzeitig kann man dort sehr gut essen. Das zeigt, wie die Peruaner versuchen, Probleme zu lösen. 

Prevost hat sich auch erfolgreich als Krisenmanager bewiesen, als er 2020 im Nachbarbistum Callao als Administrator eingesetzt wurde, nachdem Papst Franziskus den Bischof dort abgesetzt hatte. 

"Habt keine Angst!", hat uns Papst Leo XIV. in einer seiner ersten Ansprachen zugerufen und ich bin sicher, das hat er bei uns gelernt. Nirgendwo passt der Spruch so gut wie bei uns, wo wir mit Gottes Hilfe Schwierigkeiten in Chancen verwandeln. 

DOMRADIO.DE: Als der neue Papst seinen Namen "Leo XIV." verkündete, war Ihnen da sofort der Hintergrund klar? 

Carlos García Camader

"Das wird sein Programm, denn er hat bei uns in Peru erlebt, was Armut bedeutet, wie Menschen hier ein Leben führen in täglicher Sorge um ihr Einkommen und die nächste Mahlzeit."

García: Ich musste sofort an Leo XIII. und die Sozialenzyklika "rerum novarum" denken, die den Beginn der katholischen Soziallehre markiert. Ich bin mir sicher, das wird sein Programm, denn er hat bei uns in Peru erlebt, was Armut bedeutet, wie Menschen hier ein Leben in täglicher Sorge um ihr Einkommen und die nächste Mahlzeit führen. Ich hoffe sehr, dass dieser prophetische Blick zu einer prophetischen Verkündigung wird. 

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie ihm und seinem Pontifikat? 

García: Wir wünschen ihm Gottes Segen. Wir beten jeden Tag für ihn und dass er darauf einwirken kann, dass seine Friedensbotschaft Wirklichkeit wird. An diesem Sonntag hat er bei seiner Ansprache erneut den Krieg verurteilt und vor einem dritten Weltkrieg gewarnt. 

Aber es geht auch um einen inneren Frieden, der bei jedem Einzelnen von uns beginnt und es geht um Gerechtigkeit und Freiheit, in denen Friede wachsen kann. Darum sind wir alle aufgefordert, daran mitzuarbeiten.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.

Die katholische Kirche in Peru

Peru ist für die katholische Kirche eine wichtige Bastion in Lateinamerika, von den 31 Millionen Einwohnern gelten 90 Prozent als katholisch. Die Kirche hat viele Entwicklungsprojekte und setzt sich für den Schutz der indigenen Minderheiten ein, die gerade im Amazonasgebiet durch den Raubbau an der Natur und die zunehmenden Flussverschmutzungen infolge des illegalen Goldabbaus in ihren Lebensgrundlagen bedroht werden.

Gläubiger in Peru mit Rosenkranz / © Geraldo Caso (dpa)
Gläubiger in Peru mit Rosenkranz / © Geraldo Caso ( dpa )
Quelle:
DR

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