DOMRADIO.DE: Die Papstwahl 2013 haben Sie auch bereits in Rom miterlebt. An was erinnern Sie sich bis heute?
Gudrun Sailer (Vatikan-Journalistin): Ich erinnere mich, wie gefühlt lange es gedauert hat zwischen dem Weißen Rauch und der Balkonszene. Es kam mir unendlich vor. Unvergesslich war es, als er dann herausgekommen ist, der neue Papst Bergoglio, der Argentinier, Papst Franziskus - wie er ausgesehen hat und was er gesagt hat.
Diese Balkonszene - so hat man das nachher genannt - war ein ungewöhnlicher Start in ein ungewöhnliches Pontifikat. Er nennt sich Franziskus, nicht nach einem Vorgänger, wie fast alle seine Vorgänger, sondern er benennt sich nach einem Heiligen und steht dort in Weiß. Die rot-goldene Stola hat er sich erst zum Segnen umlegen lassen. Er steht dort also in Weiß und sagt "Buona sera, guten Abend."
Er spricht vom Vorsitz der Liebe, den die Kirche von Rom hat, weil er doch Bischof von Rom ist. Und dass wir alle gemeinsam diesen Weg gehen, der Bischof und das Volk. Dann lässt er sich segnen von diesem Volk, bevor er selbst den Segen erteilt. Das wird mir unvergesslich bleiben. Ich werde auch beim nächsten Weißen Rauch in den kommenden Tagen intensiv daran denken.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie das vorhergehende Konklave empfunden?
Sailer: Das geheimnisvolle Vorgehen macht den ungebrochenen medialen Reiz einer Papstwahl aus. Wir sprechen von zwei komplett getrennten kommunikativen Zirkeln: einem sehr kleinen in der Sixtina und einem sehr großen, nämlich dem Rest der Welt. Zwischen diesen beiden kommunikativen Zirkel gibt es keine Kommunikation, außer eine einzige: das Ofenrohr und das Rauchzeichen.
Das ist eine steinzeitliche Kommunikationsform, aber abseits von diesem "Nein" oder "Ja" über die Farbe des Rauches kommt man als Journalistin an keine Informationen. Das ist eine angespannte Atmosphäre für Medienleute, aber auch eine sehr anregende, freie und freudige Atmosphäre. Eine Papstwahl ist etwas Freudiges. Nicht umsonst heißt es in der berühmten Formel zur Bekanntgabe am Balkon: "Ich verkünde euch eine große Freude: Habemus Papam." Also: "Wir haben einen Papst".
DOMRADIO.DE: Erinnern Sie sich, wie die Atmosphäre damals auf dem Petersplatz war?
Sailer: Ein jeder neuer Papst wird mit Freude begrüßt. Ich würde sagen, das geht gar nicht anders, zumindest in Rom nicht. Man wird mitgetragen von diesem Strom der Freude. Es war schon meine zweite Papstwahl, ich war vor 20 Jahren schon dabei, als Papst Benedikt gewählt wurde. Bei Franziskus schien das Echo – ich kann mich aber täuschen – besonders freudig überrascht.
Alle waren sehr gelöst, sogar Kardinal Meisner, der Erzbischof von Köln, der kurz danach auf dem Campo Santo im Vatikan vor den Medienleuten deutscher Sprache gesprochen hat. Er hat gesagt, sie seien vielleicht mit anderen Vorstellungen ins Konklave eingezogen, aber der Heilige Geist habe sie dazu gebracht, den Richtigen zu wählen, Franziskus zu wählen. Es war eine allgemeine Stimmung der Freude und der Dankbarkeit.
DOMRADIO.DE: Das waren die beiden ersten Male in diesem Jahrhundert, 2005 und 2013. Zum dritten Mal steht nun dieses große Event der katholischen Kirche an. Damals war Social Media noch nicht so groß und die katholische Kirche hatte noch einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft. Was unterscheidet sich zwischen der damaligen und der heutigen Papstwahl?
Sailer: Jede Papstwahl ist ein Weltereignis. Ganz besonders ist sie das dank der modernen Medien, einschließlich der Sozialen Medien. Es ist ein Weltereignis, weil die katholische Kirche eine Weltkirche ist, die wächst und 1,4 Milliarden Getaufte zählt. Es ist auch ein Weltereignis, weil die Welt, wo immer wir uns gerade umsehen, scheinbar in Flammen steht. Bewährte Allianzen brechen weg und die Leute wünschen sich einen Anker, ob sie katholisch sind oder nicht. Etwas oder jemanden, der Hoffnung gibt und eine Kraft der glaubenden Vernunft ist.
Auch deshalb geht dieser intensive Blick nach Rom. Dass das alles mit einer komplett durchmedialisierten westlichen Welt einhergeht, macht es sicherlich komplexer. Mir haben die Kardinäle in den letzten paar Tagen leid getan, wenn ich das sagen darf. Diejenigen, die als Kardinäle zu erkennen waren und auf dem Weg in ihre Unterkünfte waren, wurden von Dutzenden Medienleuten umringt und sollten irgendetwas in irgendwelche Mikrofone sagen.
Aber am Ende gibt es auch das Vertrauen. Dann schließen sich die Türen der Sixtina, drinnen wird geheim und ganz in der Stille ein neuer Bischof von Rom gewählt. Der Heilige Geist wird das schon richten, das glauben katholische Gläubige. Danach sehen wir, wer es ist. Wir werden es sofort erfahren, alle gleichzeitig dank der Medien.
DOMRADIO.DE: Wie ist Rom darauf vorbereitet? Gibt es einen Unterschied zu damals in Italien?
Sailer: Rom ist exzellent darauf vorbereitet. Wie eigentlich immer. Rom lebt seit 2000 Jahren mit dem Papst, das gehört zur DNA der Stadt, dass Päpste sterben und neu gewählt werden. Rom geht souverän damit um.
DOMRADIO.DE: Wie viele Wahldurchgänge werden die Kardinäle wohl brauchen? Wie lange dauert das Konklave?
Sailer: Viele Beobachtende sagen, dass es diesmal länger dauern wird als zwei Tage, weil es das größte und das heterogenste Konklave der Kirchengeschichte ist - von der Zahl der Kardinäle und von ihrer Herkunft her. Sie hatten auch nicht viel Zeit, sich kennenzulernen. Ich glaube trotzdem nicht, dass es lang dauern wird bis zum weißen Rauch. Länger als elf Wahlgänge hat nach dem Zweiten Weltkrieg keine Papstwahl gedauert, das sind drei Tage.
Woran es liegt, wenn es trotz allem kurz dauert? Ich glaube, es liegt unter anderem an der Rolle der Nicht-Papstwähler, der alten, erfahrenen Kardinäle. Das sind Orientierungsfiguren für die 108 Neulinge, die ins Konklave einziehen. Diese erfahrenen Kardinälen haben viele Kontakte, viel Übersicht, viel weltkirchlichen Einblick. Viele waren bis gestern beständig bei den Kardinalsversammlungen im Vatikan. Mein Eindruck ist, dass die Papstwähler mit einer gewissen Orientierung ins Konklave ziehen. Das hilft sicher auch, sich schnell zu einigen.
Das Interview führte Katharina Geiger.