DOMRADIO.DE: Sie beschäftigen sich intensiv mit der Papstwahl, wie ist Ihre Gefühlslage jetzt, so kurz vor dem Konklave?
Kevin Hecken (Historiker und Konklave-Experte): Es ist lustig, das Wort "Konklave" jetzt überall zu lesen. Ich habe das in meiner Doktorarbeit und im Buch etwa 1.500 mal verwendet. Mein Gehirn reagiert immer noch auf eine spezifische Art, wenn ich das lese. So als würde mich das besonders etwas angehen. Gleichzeitig ist es die erste Papstwahl, seitdem ich begonnen habe, mich auf einer wissenschaftlichen Ebene mit dem Thema zu beschäftigen. Es ist ein interessanter Vergleich zu den anderen beiden Papstwahlen.
DOMRADIO.DE: Am Mittwoch beginnt das Konklave. Was passiert bis dahin noch?
Hecken: Die Arbeiten an der Casa Santa Marta, das ist ein Gästehaus auf dem Gelände des Vatikans, wo die Kardinäle untergebracht werden, sind abgeschlossen. Ab Dienstagabend treffen die Kardinale dort ein, einige auch erst am Mittwochmorgen. Das ist ein bisschen zeitlich verteilt.
Dienstagfrüh um neun beginnt eine weitere Generalkongregation. Die letzte womöglich noch am Mittwochvormittag. Dort werden die letzten Vorbereitungen für das Konklave abgeschlossen. Der exakte Konklavebeginn wird dort ebenfalls festgelegt werden und die verschiedenen Rollen im Konklave werden ausgelost. Es gibt im Wahlakt verschiedene Rollen, die auszuführen sind. Es wird nochmals für die Kardinäle, die das noch nicht gemacht haben und wahlberechtigt sind, der Eid zur Geheimhaltung abgelegt und die organisatorische Hinweise für die Kardinale verteilt, das heißt, das Ganze kommt jetzt langsam ins Rollen.
DOMRADIO.DE: Es reisen insgesamt 133 Kardinäle an, die in der Sixtinischen Kapelle zusammenkommen werden. Das Konklave ist ein geistlicher Akt. Wie sehr geht es auch um Machtspiele und Intrigen bei so einer Papstwahl?
Hecken: Das Konklave ist ein geistlicher Akt, aber auch gleichzeitig eine Personalentscheidung. Die Idee ist, dass Gott durch das Gewissen der Kardinäle bestimmt, wer Papst werden soll. Es gibt natürlich trotzdem eine Form der Wahlverhandlungen. Das muss man miteinander in Einklang bringen. Einerseits entscheidet Gott, wer Papst wird, andererseits müssen die Kardinäle Verhandlungen führen, um Gottes Willen zur tatsächlichen Tragen gelangen zu lassen und da stellen sich ein paar philosophische Fragen.
Ist es moralisch, Machtspiele und Intrigen zu verwenden, um dann ein Ergebnis zu erringen, das Gottes Willen entspricht? Das müssen die Kardinale für sich beantworten. Wir wissen, dass eine Papstwahl mit Zweidrittelmehrheit in geheimer Abstimmung nicht möglich ist, ohne dass man miteinander spricht, wen man wählt. Ob man das als Intrige, Machtspiel und so weiter werten will, das ist eine Frage. Ich denke, man muss das etwas nüchterner betrachten. Bei allen Personalentscheidungen von Bedeutung geht es am Ende darum, jemanden in eine Position zu hieven, den man gut findet, und das geht nur durch Verhandlung.
DOMRADIO.DE: Sie haben den Film Konklave vor einiger Zeit gesehen. Wenn wir uns den anschauen, um uns auf die Wahl vorzubereiten: Wie viel ist Wirklichkeit? Was ist Fiktion?
Hecken: Die Dramaturgie ist natürlich sehr zugespitzt. Was aber sehr gut dargestellt ist, ist der Ablauf der Wahl und die Langweile, die ein bisschen im Konklave herrscht. Der Film macht das dramaturgisch sehr gut: Da stehen Kardinäle rum und rauchen und es passiert größtenteils nicht viel, sondern man wartet, was sich so ergibt. Ebenfalls sehr schön ist der Film "Die zwei Päpste" aus dem Jahr 2019. Wenn Sie sich aufs Konklave einstimmen wollen, sind beide Filme eine ganz gute Art und Weise, das zu tun.
DOMRADIO.DE: Die bisher längste Papstwahl begann im Herbst 1268. Sie hat zwei Jahre, neun Monate und zwei Tage gedauert. Gregor X. wurde damals neuer Pontifex. Wie ist Ihre Einschätzung? Wann steht der neue Papst fest?
Hecken: Die Wahl 1268 bis 1171 war sehr lang. Es war allerdings auch das erste Konklave. Seitdem ist die Konklavedauer nicht auf diesem Niveau verblieben. Das längste Konklave der Neuzeit im Jahr 1830/31 hat 50 Tage gedauert. Seit 1900 hat das Konkave nie länger als fünf Tage gedauert. Die letzten vier Wahlgänge sind sehr aufschlussreich. Beide Wahlen 1978 waren zwei beziehungsweise drei Tage lang, also vier beziehungsweise acht Wahlgänge. Als Benedikt XVI. 2005 gewählt wurde, waren es zwei Tage und vier Wahlgänge. Franziskus wurde vor zwölf Jahren in zwei Tagen und fünf Wahlgängen gewählt. Es spricht viel dafür, dass es schnell gehen wird. Ich persönlich gehe davon aus, dass wir noch in dieser Woche einen neuen Papst haben werden.
Das Interview führte Katharina Geiger.