Warum die Altersgrenze ein gutes Kriterium für die Papstwahl ist

Braucht es eine "Kardinals-Emeritierung"?

Auch bei diesem Konklave wird die Teilnahme bestimmter Kardinäle an der Papstwahl kritisiert. Aber schon Papst Paul VI. hat hier eine Beschränkung eingeführt, die objektiv ist und kirchenpolitische Spiele außen vor lässt.

Autor/in:
Renardo Schlegelmilch und Jan Hendrik Stens
Elemente der liturgischen Kleidung eines Kardinals / © Francesco Pistilli (KNA)
Elemente der liturgischen Kleidung eines Kardinals / © Francesco Pistilli ( KNA )

Wird ein Bischof 75 Jahre alt, muss er dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Hat er sich grobe Verfehlungen erlaubt, wird ihm ebenfalls die Führungsrolle in der Kirche genommen. Anders bei den Kardinälen. Ist man Kardinal, bleibt man Kardinal – bis auf wenige Ausnahmen. An einer Papstwahl könnten deshalb auch Menschen teilnehmen, die ihren Bischofsstab vorzeitig abgegeben haben. Bräuchte es also auch Rücktrittsregelungen für Kardinäle? Rund um das aktuelle Konklave ist diese Frage brisanter denn je.

Nur knapp ist der Vatikan in der vergangenen Woche um einen Skandal herumgekommen. Schuld daran ist der ehemalige Kurienkardinal Giovanni Angelo Becciu. Als erster Kardinal der Geschichte wurde er 2023 von einem Gericht im Vatikan wegen Betrugs und Vetternwirtschaft verurteilt. Hintergrund ist ein kritisierter Millionendeal über eine Luxusimmobilie in London. Becciu verlor daraufhin die Privilegien des Kardinalsstandes, aber nicht den Titel. Darf er am Konklave teilnehmen oder nicht? Am Ende hat er selbst auf die Teilnahme verzichtet, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er sich immer noch im Recht sehe. Hinter vorgehaltener Hand wird vermutet, dass die anderen Kardinäle ordentlich Überzeugungsarbeit leisten mussten.

Kardinäle derzeit gleiche unter gleichen

Hätten sie das nicht getan, hätte das den Vatikan vor ein Dilemma gestellt: Wer darf darüber entscheiden, ob ein Kardinal am Konklave teilnimmt oder nicht? Einen Papst als obersten Entscheider gibt es derzeit nicht. Die Kardinäle sind im Moment alle gleichgestellt. Hätte es eine Mehrheitsabstimmung gebraucht? Hätte Becciu diese anfechten können? Zum Glück stehen diese Fragen im Konjunktiv, denn eine offizielle Antwort darauf gibt es nicht.

Kardinal Giovanni Angelo Becciu / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Kardinal Giovanni Angelo Becciu / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

Auch wenn sich der Fall Becciu im Augenblick geklärt hat, gibt es einige Kandidaten, über die im Moment diskutiert wird. Am Konklave in dieser Woche wird laut Vatikan zum Beispiel auch Philippe Barbarin teilnehmen, bis 2020 Erzbischof von Lyon. Barbarin stand 2019 wegen Vorwürfen der Missbrauchsvertuschung vor Gericht und wurde in erster Instanz zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Papst Franziskus nahm sein Rücktrittsgesuch an, obwohl Barbarin in höherer Instanz später freigesprochen wurde. Eine einzelne Person könne nicht für die Verfehlungen der Institution haftbar gemacht werden, hieß es. Obwohl er vorzeitig aus dem Amt des Erzbischofs von Lyon schied, bleibt er Kardinal und wird an der wichtigsten Entscheidung der Kirche, der Papstwahl, beteiligt sein.

Im Kardinalsgewand zum Vorkonklave

Für fast genau so viel Diskussion sorgt im Moment der Fall des peruanischen Opus Dei-Kardinals Juan Luis Cipriani, dem früheren Erzbischof von Lima. Im Jahr 2019 trat er in den altersbedingten Ruhestand. Im Dezember des gleichen Jahres sprach der Vatikan Strafmaßnahmen aus, wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen einen Jugendlichen im Jahr 1983, die Cipriani allerdings in einer Erklärung zurückwies. Laut Vatikan dürfe er öffentlich nicht mehr die Kardinalsinsignien oder das Rote Gewand tragen, seinen Wohnsitz musste er ebenso aufgeben. 

Kardinal Juan Cipriani Thorne 2018 im Vatikan / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Juan Cipriani Thorne 2018 im Vatikan / © Paul Haring ( KNA )

Große Überraschung dann am vergangenen Montag in Rom: Cipriani erscheint zum Vorkonklave – im Kardinalsgewand. Da er seinen 80. Geburtstag schon hinter sich hat, würde er allerdings nicht an der Papstwahl teilnehmen. Aber für Irritation hat dieser Fall allemal gesorgt. Ebenfalls kritisiert wird Roger Michael Kardinal Mahony. Der emeritierte Erzbischof von Los Angeles erscheint auch in Rom beim Vorkonklave. Ihm werden Versäumnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt vorgeworfen, weshalb schon seine Teilnahme zum Konklave 2013, als er noch mitwählen durfte, kritisiert wurde.

Aus dem Klerikerstand entfernt

Klarer war der Fall beim kürzlich verstorbenen amerikanischen Ex-Kardinal Theodore McCarrick. Ex-Kardinal ist eine Formulierung, die in der Kirche nur extrem selten verwendet wird. Umso drastischer ist dieser Fall. Wegen Verurteilungen über jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch wurde McCarrick nicht nur weltlich verurteilt, sondern vom Papst auch aus dem Klerikerstand entfernt. Damit ist dementsprechend auch ein Ausschluss aus dem Kardinalsamt verbunden. Selbst wenn er also noch leben würde, er hätte nicht das Recht, am Konklave teilzunehmen.

Kardinal George Pell im Vatikan (Archiv) / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Kardinal George Pell im Vatikan (Archiv) / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

Alle diese Fälle implizieren eine wichtige Frage: Wenn ein Kardinal seine Rechte oder sein Amt verliert oder für Verfehlungen in die Kritik gerät. Was bedeutet das für die Papstwahl? Eine sehr relevante Frage im Fall des 2023 verstorbenen australischen Kardinals George Pell.

Mehrere Monate saß er wegen Missbrauchsvorwürfen in einem australischen Gefängnis. Seinen Kardinalstitel hatte er behalten und wurde am Ende auch in höherer Instanz freigesprochen – aus Mangel an Beweisen. Anfang Juli 2020 forderte eine Petition mit 100.000 Unterschriften die Entlassung des früheren Kurienkardinals aus dem Priesteramt. Pell starb 2023 an den Folgen einer Operation.

Wahlrecht nur im aktiven Dienst?

Auf der Social Media-Plattform Twitter (heute X) entbrannte durch besagte Petition eine Diskussion. Ein User merkte an, dass Kardinal Pell bei einem Konklave immer noch wahlberechtigt sei und man dies ändern solle. Sollten Kardinäle ihr Wahlrecht verlieren, wenn sie ihre kurialen Leitungsaufgaben bzw. die Leitung der Diözese abgeben?

Das Recht, im Konklave den Papst wählen zu dürfen, ist an die Kardinalswürde gekoppelt. Es handelt sich dabei um einen Titel, der der Person verliehen wird und nicht zwangsläufig mit einer Aufgabe oder einem Amt verbunden ist. 

Was wäre also, wenn ein Kardinal, der ein Amt oder eine Aufgabe verliert, auch sein Papstwahlrecht abgeben müsste? Der Papst hätte dann neben der Möglichkeit Kardinäle zu ernennen einen weiteren Hebel, die Zusammensetzung eines Konklaves zur Wahl eines Nachfolgers zu beeinflussen: Den Titel wieder wegnehmen. In den oben genannten Fällen geht es ausnahmslos um Vorwürfe von Straftaten oder schwerem Fehlverhalten. Was wäre aber, wenn bei der Entfernung aus dem Amt auch die Frage nach der politischen Ausrichtung mitspielen würde?

Barbarin, Cipriani, Müller und Pell gelten oder galten als Vertreter einer konservativ ausgerichteten Kirche. Es gibt sicher viele liberale Katholiken, die sich über den Auschluss solcher Papstwähler freuen würden. Würde man diesen Schritt aber gehen, würde man das komplette Kardinalskollegium politisch definieren und sowohl von liberaler als auch von konservativer Seite aus angreifbar machen. 

Altersgrenze liegt bei 80 Jahren

Eine ähnliche Entwicklung erleben wir im Moment im Surpreme Court, dem obersten Gerichtshof der USA. Die – wie die Kardinäle – auf Lebenszeit ernannten Richter sollen eigentlich unparteiisch sein. Das ist inzwischen aber mehr Theorie als Praxis. Jede Entscheidung wird danach beurteilt, wie das konservativ-liberale Mehrheitsverhältnis aussieht. Was seit Jahren zu Debatten führt, ob man die Richter nicht doch austauschen oder die Mehrheitsverhältnisse anderweitig anpassen könnte. Ein vom Grund her unpolitisches, judikatives Gremium wird komplett politisiert. Ein Schritt, der dem Kardinalskollegium bis jetzt erspart geblieben ist.

Kardinäle vor dem Konklave in der Sixtinischen Kapelle / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Kardinäle vor dem Konklave in der Sixtinischen Kapelle / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Seit Papst Paul VI. gilt allerdings eine Altersgrenze für Papstwähler. Wer 80 Lebensjahre vollendet hat, darf den Papst nicht mehr wählen – ganz egal, welcher kirchenpolitischen Couleur derjenige auch sein mag. Das ist ein objektives und daher auch gutes Kriterium. Und es sorgt dafür, dass sich die Altvorderen irgendwann einmal zurückziehen müssen und den Jüngeren mehr Luft zum Atmen lassen. Jeder, der sich in der Vereinsarbeit engagiert, weiß, wie notwendig das manchmal sein kann.

Kirchenpolitischer Willkür entzogen

Beim Konklave 2013 gab es zwei Kandidaten, die ihre Bischofsämter aus Altersgründen schon aufgegeben hatten, aber trotzdem noch den neuen Papst wählten, weil sie die Altersgrenze noch nicht erreicht hatten. Neben Kurienkardinal Walter Kasper gehörte auch der emeritierte Erzbischof von Mechelen/Brüssel, Godfried Maria Jules Kardinal Danneels, zu den Papstwählern, und gerade letzterer soll maßgeblich die Wahl Kardinal Bergoglios zum Papst vorangetrieben haben.

Mit einer "Kardinals-Emeritierung" könnte ein Papst also zusätzlichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Konklaves üben. Ob das allerdings gut wäre? So hat er andere Möglichkeiten, Kardinäle zu entfernen. Die härteste ist die Entlassung aus dem Kardinalsstand, wie zuletzt bei Theodore McCarrick geschehen. So etwas geschieht aber nicht ohne großes Aufsehen wie beispielsweise eine Nicht-Verlängerung eines Kardinal Müller als Präfekt der Glaubenskongregation. Insofern sollte es auch die Ausnahme bleiben und in einem Konklave liebige wie missliebige Kardinäle gleichermaßen sitzen. Es ist so kirchenpolitischer Willkür mehr entzogen als dies beim Emeritierungsmodell der Fall wäre.

Konklave/Papstwahl

Frühestens am 15., spätestens nach Ablauf von 20 Tagen nach dem Tod oder Amtsverzicht eines Papstes müssen die Kardinäle zur Wahl eines Nachfolgers (Konklave) zusammentreten. Sie werden dazu vom Dekan des Kardinalskollegiums, Giovanni Battista Re (91), einberufen. Für das Konklave zur Wahl des Nachfolgers von Papst Franziskus wurde als Startpunkt der 7. Mai 2025 gewählt. 

Der Begriff Konklave stammt aus dem klassischen Latein und bedeutet "verschlossener Raum". Denn während des Wahlvorgangs sind die Kardinäle von der Außenwelt abgeschlossen.

Konklave (KNA)
Konklave / ( KNA )
Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!

Personen