Bischof Wilmer hält ökumenische Christentage für möglich

"Wenn wir gemeinsam unterwegs sind"

Der Evangelische Kirchentag findet in diesem Jahr in Hannover statt und damit auf dem Bistumsgebiet des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer. Er könnte sich vorstellen, in Zukunft ökumenische "Christentage" zu veranstalten.

Teilnehmer beim Evangelischen Kirchentag in Hannover / ©  Thomas Lohnes (epd)
Teilnehmer beim Evangelischen Kirchentag in Hannover / © Thomas Lohnes ( epd )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie bislang den Kirchentag wahrgenommen?

Heiner Wilmer / © Harald Oppitz (KNA)
Heiner Wilmer / © Harald Oppitz ( KNA )

Bischof Heiner Wilmer (Bischof von Hildesheim): Der Kirchentag ist unheimlich lebendig in Hannover. Es ist mir eine große Ehre, eine Freude und auch ein Privileg, dass er hier stattfindet. Wir haben eine sehr gute ökumenische Arbeit zwischen den Landeskirchen, vor allem mit der Landeskirche in Hannover, aber auch mit den anderen auf dem Gebiet unseres Bistums. Die Leute sind frohgemut, aber auch ernst. Es ist wie ein großes Familientreffen weit über die einzelne Konfession hinaus.

DOMRADIO.DE: Gibt es eine Begegnung oder Veranstaltung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Wilmer: Ich komme gerade aus einem plattdeutschen Gottesdienst in der Basilika zusammen mit Landesbischof Ralf Meister und einer ganzen Reihe evangelischer und katholischer Christinnen und Christen, die musiziert und gebetet haben. Die Basilika musste wegen Überfüllung geschlossen werden. Ich habe zum ersten Mal überhaupt mit Landesbischof Meister einen plattdeutschen, gemeinsamen Gottesdienst gefeiert. Das war stark, auch ein bisschen kultig - eine sehr schöne, entspannte, heitere Atmosphäre im Haus des Herrn.

DOMRADIO.DE: Auf dem Kirchentag spielt die Debatte, die Julia Klöckner durch ihre Äußerung, die Kirche würde sich wie eine NGO verhalten, sie solle sich bitte nicht zur Tagespolitik äußern, angestoßen hat, eine große Rolle. Wie stehen Sie zu dieser Debatte? Muss und darf sich die Kirche politisch äußern?

Wilmer: Ich glaube, diese Debatte ist überhitzt. Grundsätzlich gilt und davon bin ich fest überzeugt, dass das Evangelium politisch ist. Jesus hat damals etwas im Namen Gottes vertreten, das alle Menschen betrifft. Was alle Menschen betrifft, ist immer politisch. Daher kann Kirche gar nicht anders, als politisch zu sein.

Etwas anderes ist, wie tagespolitisch eine Kirche unterwegs ist. Hier gilt, dass Kirche sich grundsätzlich zurückhält, wenn es um Parteipolitik geht oder wenn es konkrete Fragen betrifft. Dafür sind die Profis da.

Heiner Wilmer

"Daher kann Kirche gar nicht anders, als politisch zu sein."

DOMRADIO.DE: Heute wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem in ganz Deutschland einschätzt. Kann sich die Kirche in diesem Fall parteipolitisch äußern?

Wilmer: Hier in Hannover haben wir klar gesagt, dass wir Nein sagen zum Hass und Ja zum Diskurs. Wir müssen mit allen ins Gespräch kommen. Wir können Menschen nicht von vornherein ausklammern. Gleichzeitig gilt es, die Werte des Evangeliums zu achten, dass uns klar ist, dass die Würde des Menschen unverletzlich ist und wir Grundsätze haben. Das sind Grundsätze aus der Bibel und im Namen Gottes, die wir hochhalten werden und müssen.

DOMRADIO.DE: Beim Evangelischen Kirchentag sind auch viele Katholiken an Ständen oder als Teilnehmer präsent. Es gibt immer die Diskussion, wie lange es noch mit getrennten Kirchentagen weitergeht. Es gab auch schon ökumenische Kirchentage. Was wünschen Sie sich? 

Wilmer: Das Thema ist nicht neu, hinter den Kulissen gibt es schon einige Gespräche. Ich persönlich würde sehr dafür plädieren, dass sich die Verantwortlichen der verschiedenen christlichen Konfessionen hinsetzen, um gemeinsam zu überlegen, wie wir in Deutschland solche Tage gestalten können. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland dann als Christinnen und Christen ein wirkliches Zeugnis geben können, wenn wir gemeinsam unterwegs sind. Wenn wir gemeinsam das Evangelium verkünden und ökumenisch unterwegs sind.

Heiner Wilmer

"Ich bin der festen Überzeugung, dass wir [...] ein wirkliches Zeugnis geben können, wenn wir gemeinsam unterwegs sind."

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche befinden wir uns im Moment in einer besonderen Zeit. Papst Franziskus ist gestorben und es gibt die Zeit der Sedisvakanz. Bald findet das Konklave statt und ein neuer Papst wird gewählt. Ist das ein Thema auf dem Kirchentag?

Wilmer: Das klingt immer wieder an, vor allem auch in persönlichen Gesprächen. Ich persönlich bin sehr gespannt und vertraue auf den Heiligen Geist. Wer weiß, vielleicht gibt es eine Überraschung.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich? Welche Qualitäten soll der neue Papst mitbringen?

Wilmer: Ich wünsche mir in der Nachfolge von Papst Franziskus einen Heiligen Vater, der das, was in den letzten Jahren, auch Jahrzehnten aufgebaut worden ist, weiterführt, dass wir bei den Menschen sind im Namen Gottes, dass wir einen besonderen Blick haben für die Armen, auch speziell für die Ärmsten. Außerdem wünsche ich mir, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen und im Namen Gottes bei den Menschen sind, mit ihnen unterwegs sind und dies bedingungslos tun.

Das Interview führte Roland Müller.

Ökumenischer Kirchentag

Ein Ökumenischer Kirchentag (ÖKT) ist eine von Katholiken und Protestanten gemeinsam getragene bundesweite Großveranstaltung. Dabei präsentieren sich die beiden großen Kirchen über mehrere Tage in vielfältiger Weise der Öffentlichkeit. Mitte Mai fand in Frankfurt das dritte Treffen dieser Art statt - wegen der Corona-Pandemie allerdings ganz überwiegend digital. Der erste ÖKT fand 2003 in Berlin, der zweite 2010 in München statt.

Abschlussgottesdienst beim ÖKT / © Harald Oppitz (KNA)
Abschlussgottesdienst beim ÖKT / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

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