"Mit tiefer Trauer" reagierte die Biennale in Venedig auf den Tod von Papst Franziskus an Ostermontag: "Er war der erste Papst in der Geschichte, der die Biennale besuchte", erklärte die Führung der weltbekannten Kunstschau. "Tief bewegt erinnern wir uns an die außergewöhnliche Geste der Nähe des Heiligen Vaters."
Vor fast genau einem Jahr, am 28. April 2024, besuchte Franziskus die 60. Auflage der internationalen Ausstellung in der Lagunenstadt. Unter dem Titel "Stranieri Ovunque - Ausländer überall" ging es um
künstlerische Ausdrucksformen zum Thema Menschenrechte und soziale Ausgrenzung - und den Aufbau einer Kultur der Begegnung: "ein Ansatz, der respektvoll als passend zum Empfinden von Papst Franziskus betrachtet wurde", hieß es jetzt.
Der aufsehenerregende Besuch vom Papst
Damit trafen die Macher der renommierten Ausstellung wohl genau jene Themen, für die der Pontifex aus Argentinien auch Kunst und Kultur einzusetzen wusste. In Kardinal Jose Tolentino de Mendonca (59) fand er einen klugen Ratgeber und Gefolgsmann. Dem Portugiesen, den Franziskus 2022 zu seinem Beauftragten für Kultur und Bildung machte, ist wohl der aufsehenerregende Biennale-Auftritt des Papstes zu verdanken. Im Frauengefängnis auf der Insel Giudecca ließ er sich von Inhaftierten durch das Vatikan-Kunstprojekt "Mit meinen Augen" führen; insgesamt 20.000 Personen taten es ihm bis Ende November nach.
Was sich Mendonca für die diesjährige Architektur-Biennale, die am 10. Mai beginnt, ausgedacht hat, gerät nunmehr zur Hommage an den doch überraschend gestorbenen Pontifex: Unter dem Titel "Opera Aperta" wird der Komplex um die Kirche Santa Maria Ausiliatrice im Stadtteil Castello zu einem Kunst- und Sozialprojekt. "Der Papst inspiriert die Kirche weiterhin von Grund auf, und dieser Pavillon ist der lebende Beweis, wie sein Wort wirkt", sagte der Kardinal voller Begeisterung bei der Vorstellung des Projekts Anfang April; damals schien der erkrankte Papst auf dem Weg der Besserung.
Hommage an den Papst
Nun bleibt den Organisatoren immerhin der päpstliche Segen, mit dem das Projekt an den Start geht. Die ehemalige Kirche aus dem 12. Jahrhundert solle zum offenen Ort der Begegnung zwischen Kunstschaffenden, Besuchern und der Stadtbevölkerung werden, so der Kardinal. Damit wolle man auch die wachsende Einsamkeit bekämpfen und die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz betonen, wie sie Papst Franziskus in der Umweltenzyklika "Laudato si" (2015) formulierte, betonte Tolentino de Mendonca. Dazu stellte die Stadt Venedig dem Heiligen Stuhl die Kirche, die verkehrsgünstig zwischen den Ausstellungsorten "Giardini" und "Arsenale" der Biennale liegt, bis 2028 zur Verfügung.
Die 19. Architektur-Biennale 2025 unter dem Motto "IntelliGens. Natural. Artificial. Collective" (soviel wie "Intelligenz. Natürlich. Künstlich. Gemeinsam.") spielt mit dem italienischen Begriff "Gente" (Menschen). Um mit neuen Herausforderungen wie Künstlicher Intelligenz weise umzugehen, gelte es, die gemeinschaftliche Intelligenz zu stärken, betonte Tolentino de Mendonca. "Sie macht uns alle zu kreativen Protagonisten der sozialen Freundschaft, statt zu müden Wiederholern einer Logik der Kontrolle, des Ausschlusses und der Ausmusterung", formulierte der Liebhaber der Poesie, der schon Preise für seine Gedichte erhielt.
"Care and repair"
Konkret bedeute dies, dass in und um die Kirche neues Leben einziehen soll, so die Kuratorin des Vatikan-Pavillons, Marina Otero Verzier. Die Professorin für "Social Design" an der Design Academy Eindhoven, ist international bekannt als Expertin für Projekte an den Schnittstellen von Architektur, Gesellschaft, Politik und Umwelt. Die stark baufällige Kirche wird auch restauriert, wobei der Fokus dabei auf "Care and repair" - "Reparieren" im Sinne von Nachhaltigkeit und mit Respekt vor bestehenden Materialien und der Leistung von Künstlern und Architekten früherer Generationen liege, so die spanische Architektin.
Vor allem soll in dem Komplex eine Plattform für Dialog und frische Ideen entstehen, in der Menschen aus der Nachbarschaft, Vereine und andere Akteure vor Ort ihre Stadt selbst in verantwortungsvoller Weise gestalten können. Dabei soll auch bezahlbarer Wohnraum entstehen, auch über die Biennale 2025 hinaus. "Am Ende wird ganz im Sinne von 'Opera aperta' nicht ein fertiges Werk stehen", betonte Marina Otero Verzier.
Für das Projekt hat der Vatikan renommierte Künstlerinnen und internationale Architekturbüros gewonnen. Sie alle ziehen in den nächsten Monaten auf die "Baustelle", wie es Tolentino de Mendonca ausdrückte. "Es geht um einen fortlaufenden Prozess, zu dem alle eingeladen sind." Während das Gebäude instandgesetzt wird, sollen auch soziale Beziehungen und Generationenbeziehungen im Viertel gestärkt werden, so der portugiesische Kardinal.
Verbindung von Intelligenz und Gemeinschaft
Er selber wird am 7. Mai, kurz vor dem Beginn der Biennale, in die Sixtinische Kapelle einziehen, um mit anderen Kardinälen einen neuen Papst zu wählen. Der Portugiese wünscht sich, dass das Biennale-Projekt die Vorstellungen von Franziskus abbilden werde: "ein Labor menschlicher und gemeinschaftlicher Intelligenz, das Vernunft mit Zuneigung, Professionalität mit Gastfreundschaft und Forschung mit Alltagsleben verbindet".
So restaurieren Fachleute die mittelalterliche Kirche und geben zugleich Workshops für Interessierte. Das venezianische Konservatorium "Benedetto Marcello" stellt in dem Gebäudekomplex Leihinstrumente zur Verfügung, darunter eine Harfe und ein Klavier, die stundenweise reserviert werden können. Und in der Gemeinschaftsküche unter Leitung einer Kooperative wird mehrmals pro Woche für Biennale-Publikum und Menschen aus der Nachbarschaft gekocht. Ein großer Holztisch lädt zum Austausch bei gemeinsamem Essen ein.
Papst Franziskus hätte sich sicher gerne dazugesellt. Inzwischen steht fest, dass er nicht mehr auf einen Plausch vorbeikommen kann. Doch vielleicht tut dies sein Nachfolger, der pünktlich zum Start der Biennale frisch gewählt sein könnte. Vielleicht wird es einer sein, der sich bereits mit Kunst und Kultur bestens auskennt.