DOMRADIO.DE: Sie waren bei der Trauerfeier für Papst Franziskus live dabei, wie auch die deutschen Spitzenpolitiker.
Pater Nikodemus Schnabel (Benediktinerabt der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Die Bundesrepublik Deutschland war mit fünf Verfassungsorganen vertreten, die Spitzen der ganzen Bundesrepublik, also Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesratspräsidentin, Bundestagspräsidentin und der Präsident des Deutschen Bundesverfassungsgerichts waren da. Das war ein Zeichen, wie wichtig dieser Tag war und dass Deutschland in aller Prominenz da war, um offiziell Abschied zu nehmen.
DOMRADIO.DE: Sie haben die Trauerfeier für Franziskus direkt neben dem Altar vor dem Petersdom mitgefeiert. Wie war das?
Schnabel: Es war berührend. Ich bin dankbar, dass ich Teil dieser Capella Pontificia sein darf und damit einen wunderbaren Sitzplatz hatte. Ich durfte direkt vor dem Petersdom sitzen und konnte die ganze Zeit auf den überfüllten Petersplatz und auf die übervolle Via de la Conciliazione sehen. Man hat die Menschenmengen gesehen und war trotzdem ganz dicht dabei. Das war eine Gebetsatmosphäre und ich kam wirklich zum Gebet. Es war kein Happening, sondern ein Gebet. Das hat mich berührt.
Ich saß gegenüber von den Politikern: Selenskyj, Trump und die deutschen Spitzenpolitiker waren da. Das ist unglaublich interessant, wie sie dort einfach nach dem Alphabet geordnet sitzen. Da ging es nicht darum, wer die mächtigen Staaten sind, sondern es fängt nach dem französischen Alphabet mit A an, also Allemagne, Deutschland, relativ weit vorne.
Die USA war dort platziert, wo die USA eben alphabetisch dran ist. Das fand ich spannend, da geht es nicht um die Mächtigen. Hier wird man relativ fair behandelt, nämlich einfach nach dem Alphabet. Das hat mir gut gefallen.
DOMRADIO.DE: Was sagt es über Franziskus aus, dass auch Obdachlose und Bedürftige einen Ehrenplatz bei dieser Trauerfeier hatten?
Schnabel: Das hat mich sehr berührt, auch schon auf meinem Weg zum Petersplatz. Ich bin selbst untergebracht in Sant' Anselmo, im "Headquarter" der Benediktiner. Auf dem Weg dorthin – ich war gut erkennbar als Bendiktinerabt – sind mir einige Obdachlose begegnet und haben mit mir gesprochen. Das passt, dachte ich mir: Ich treffe genau die Menschen, denen Papst Franziskus am Herzen lag. Deswegen war es für mich ein sehr stimmiger Tag.
DOMRADIO.DE: Wie werden Sie sich persönlich an Papst Franziskus erinnern? Was wird bleiben?
Schnabel: Bevor ich Abt wurde, war ich Patriarchalvikar des Lateinischen Patriarchats für Migranten und Asylsuchende. Die Menschheitsfamilie war Franziskus ein Herzensanliegen, wie auch seine Enzyklika "Fratelli tutti" sagt: der Mensch zählt, egal, welche Hautfarbe, welche Klasse, welche Religion er hat. Der Mensch steht im Mittelpunkt, das hat er verteidigt, auch wenn er von allen möglichen Seiten beschimpft wurde, er sei nicht diplomatisch oder politisch genug.
Was wurde nicht alles an ihm kritisiert. Aber er blieb dabei: Der Mensch ist das einzig Kostbare. Diesen Punkt finde ich sehr wichtig.
Außerdem habe ich erlebt, wie er in Jerusalem war, das war spannend. Er kam nicht alleine, er kam zusammen mit dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, der Nummer Eins der Orthodoxie. Bei seiner ersten Reise nach Lampedusa war er auch dabei. Dieser Papst steht für Ökumene, Brückenbauen und den Interreligiösen Dialog. Genau das ist der Job des Papstes, des Pontifex.
Das Interview führte Tommy Milhome.