DOMRADIO.DE: Seit wann gibt es diese vatikanische Staatskapelle eigentlich?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Da müssen wir ein bisschen in die Geschichte schauen. Die Kapelle, die wir heute hören, ist gegründet worden als die Regimentskapelle der Päpstlichen Palatingarde. Das war eine der Papstgarden, die 1970 aufgehoben wurden. Aber diese Militärkapelle ist vom Vatikan umgewandelt worden in die Banda Musicale dello Stato della Città del Vaticano, also in die offizielle Staatskapelle.
DOMRADIO.DE: Wer war denn damals der musikalische Papst, der diese Musikkapelle ins Leben gerufen hat?
Nersinger: Das war im Jahre 1859 Papst Pius IX., der bekannterweise ein sehr der Musik zugewandter Papst war. Und zwar allen Sparten der Musik, ob das nun Militärmusik oder Opernmusik war. Es wird davon berichtet, dass er bei seinen Spaziergängen in den vatikanischen Gärten ab und zu Opern-Arien trällerte, um es so zu formulieren, wie es in einer Quelle heißt. Also, er war ein sehr musikalischer Papst.
DOMRADIO.DE: Und dann gab es die offizielle Hymne des Vatikans, die sich aber in der Zwischenzeit verändert hat?
Nersinger: Ja, in der Zeit von 1857 bis 1949 war die Hymne ein Militärmarsch, den ein österreichischer Komponist, Viktorin Hallmayer, komponiert hat. Ein sehr feuriger Marsch. Das war eigentlich mehr oder weniger die offizielle Hymne.
Man hat im Jahre 1949 in der Vorbereitung zum damaligen Heiligen Jahr dem Papst geraten, vielleicht doch eine andere Hymne zu nehmen, die etwas gediegener ist, die etwas ruhiger ist. Und dann ist man auf einen Marsch gekommen, der auch einem Papst, wieder Pius IX. gewidmt war, und zwar von Charles Gounod, dem berühmten französischen Opernkomponisten.
Dieser Marsch, der bei einem Priesterjubiläum von Pius IX. gespielt worden war, hat schon immer, wenn er aufgeführt wurde, sehr viel Begeisterung hervorgerufen, weil er doch ein sehr ruhiger, religiös inspirierter Marsch war und der, wenn er aufgeführt wurden, dass die Leute immer wieder riefen "da capo", also übersetzt "noch einmal". Und dieser Marsch wurde 1949 an Heiligabend die neue offizielle und noch heute zu hörende Hymne des Vatikanstaates.
DOMRADIO.DE: Wie gefällt sie Ihnen?
Nersinger: Eigentlich sehr gut. Aber ich kann mich mit beiden anfreunden.
DOMRADIO.DE: Dann gibt es noch zwei weitere Kapellen. Einmal das Orchester der Gendarmerie. Da musizieren 130 Profimusiker. Wann treten die denn in Erscheinung?
Nersinger: Da muss man auch einen Blick in die Geschichte werfen. Die Kapelle der Gendarmerie war schon im alten Kirchenstaat hoch berühmt. Also es gab von ihr Aufführungen in ganz Rom und man war auch von der Qualität begeistert. Und man hat die dann in unserer Zeit wieder neu begründet.
Sie ist heute zu einem musikalischen Botschafter des Vatikans geworden. Sie wird häufig eingeladen. In Italien reist sie viel herum, zu religiösen Anlässen, aber auch zu staatlichen Anlässen. Und sie ist hoch qualifiziert, weil sie aus Profimusikern besteht. Alle haben den Abschluss eines Konservatoriums.
DOMRADIO.DE: Und dann gibt es noch eine dritte Kapelle?
Nersinger: Das ist die Kapelle der Päpstlichen Schweizergarde. Das ist keine offizielle Kapelle des Vatikans. Das ist eine Kapelle der Schweizergarde, die hauptsächlich bei der Vereidigung spielt, aber auch manchmal kleine private Konzerte für den Papst gibt.
Offiziell ist es so, dass nur die Trommler im Reglement der Schweizergarde aufgeführt werden. Die Kapelle ist privat und die Schweizergardisten müssen für dieses Spiel, für das Üben, aber auch für das Spielen, dann ihre Freizeit opfern.
DOMRADIO.DE: Heute jedenfalls sind in blauer Uniform mit weißen Fransen auf den Schultern und reich bestickt die Musiker der vatikanischen Staatskapelle auf dem Petersplatz zu sehen und zu hören.
Nersinger: Wir hören beim Segen "Urbi et Orbi" die Vatikan-Kapelle, die dann meistens den Marsch des italienischen Staates anspielt. Und wir haben die Kapelle der italienischen Armee, die dann die Vatikan-Hymne anspielt, weil eine Abteilung des italienischen Heeres immer dem Papst an Ostern und Weihnachten die militärischen Ehren erweist.
Das Interview führte Carsten Döpp.