Ulmer Münsterdekan blickt gelassen auf Vollendung der Sagrada Familia

"Überhaupt kein Problem"

Das Ulmer Münster hat bislang den höchsten Kirchturm der Welt. Doch bald wird er durch den Hauptturm der Sagrada Familia in Barcelona auf Platz 2 verdrängt. Den Ulmer Münsterdekan Thorsten Krannich stört das aber nur wenig.

Autor/in:
Tobias Fricke
Ulmer Münster / © UllrichG (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Demnächst gibt es wieder Gerüste in Ihrer Kirche. Warum steht im Ulmer Münster eine größere Sanierung des Innenraumes an?

Dr. Torsten Krannich (Dekan des Ulmer Münsters): Wir haben ein sehr hohes Kirchenschiff. Aus 42 Metern Höhe ist von oben ein großes Putzstück heruntergefallen. Das waren am Schluss mit den anderen Teilen, die runtergenommen waren, mehrere Kilo Gestein aus 42 Metern Höhe. Deswegen muss jetzt das gesamte Gewölbe saniert werden, sodass es dann nicht mehr zu solchen Fällen kommen kann.

DOMRADIO.DE: Ist seitdem auch der Bereich der Kirche abgesperrt?

Krannich: Ein Teil der Kirche ist zurzeit abgesperrt, den man momentan nicht begehen kann. Ein anderer Teil ist mit einem Gerüst überbaut, sodass man wie durch einen Tunnel läuft, damit, falls etwas herunterfallen sollte, nichts passiert.

DOMRADIO.DE: Wenn man nun von der Sanierung spricht, ist mit einer Leiter wenig auszurichten?

Thorsten Krannich

"Wir versuchen möglichst viel mit einer Klappe zu schlagen."

Krannich: Nein, bei 42 Metern Höhe nützt keine Leiter etwas, wobei ich mich frage, wie die das früher geschafft haben. Gut, mit Holzgerüsten natürlich. Also muss man ein sehr großes Gerüst aufbauen, das bis nach ganz oben geht. Dieses Gerüst wird dann auch gleichzeitig noch genutzt, um im Obergaden (die obere Fensterzone im Hauptschiff; Anm. d. Red.) und außen gleich mit zu sanieren. Dann gibt es noch ein sehr großes Gemälde, das wird dann auch gleich mit gemacht. Wir versuchen möglichst viel mit einer Klappe zu schlagen.

DOMRADIO.DE: Das klingt nicht so, als wäre die Baustelle in fünf Wochen wieder abgeräumt.

Krannich: Nein. Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren hier und vermute, dass das Gerüst meine gesamte Amtszeit in der Kirche stehen wird, weil es einfach ein Riesenprojekt ist. Wir fangen jetzt mit dem ersten Bauabschnitt an. Das wird voraussichtlich das erste Drittel sein. Das zweite Drittel, was jetzt gerade abgesperrt ist, ist der Raum vor der Hauptorgel. Der muss dann als nächstes gemacht werden. Und dann kommt irgendwann vielleicht auch noch der Mittelteil dran. Aber das müssen wir mal sehen. So weit sind wir noch nicht.

Hauptschiff des Ulmer Münsters / © saiko3p (shutterstock)
Hauptschiff des Ulmer Münsters / © saiko3p ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Besuche sind weiterhin möglich, auch die Gottesdienstbesuche?

Krannich: Ja, natürlich. Wir werden zwar vermutlich für ein oder zwei Wochen das Münster schließen müssen, während das Gerüst aufgebaut wird, aber danach ist es wieder ganz normal zu besuchen.

DOMRADIO.DE: Der Turm ist der höchste Kirchturm der Welt, höher als der Kölner Dom. Warum ist das Ulmer Münster überragend gebaut worden?

Thorsten Krannich

"Es gab sehr enge Beziehungen zwischen den verschiedenen Münsterbaumeistern in Ulm und in Straßburg."

Krannich: Das Münster hat immer die Tendenz gehabt, immer größer sein zu wollen. Im Mittelalter hat man gesagt, das Münster sei so gebaut worden, dass es das Futteral für das Straßburger Münster ist. Es gab sehr enge Beziehungen zwischen den verschiedenen Münsterbaumeistern in Ulm und in Straßburg. Es waren teilweise die gleichen Personen. Man hat das Ulmer Münster immer größer gebaut als in Straßburg und auch übrigens immer größer als in Köln.

Schon allein das Kirchenschiff hat eine mehrere Quadratmeter größere Grundfläche als das im Kölner Dom. Im Mittelalter wollte man größer bauen. Im 19. Jahrhundert entstand dann der nächste Wettbewerb zwischen Köln und Ulm. Die Kölner sind ja 1880 mit ihrem Dom fertig geworden. Die Ulmer haben erst 1885 angefangen, den Turm fertig zu bauen. Dann haben sie 1890 einen sechs Meter höheren Turm gehabt.

DOMRADIO.DE: Wenn jetzt aber die Sagrada Familia in Barcelona im kommenden Jahr vollendet sein wird, dann wird die mit ihrem 172 Meter hohen Hauptturm die höchste Kirche der Welt sein. Wie schmerzhaft ist das für Sie? 

Die Sagrada Familia in Barcelona mit Baukränen / © Incredible KB (shutterstock)
Die Sagrada Familia in Barcelona mit Baukränen / © Incredible KB ( shutterstock )

Krannich: Gar nicht. Für uns, die wir im Münster tätig sind, ist es überhaupt kein Problem. Wir haben eine historische Kirche, so wie der Kölner Dom eine historische Kirche ist. Die sind damals sehr groß geplant worden. Die Sagrada Familia ist eine Neubaukirche mit einer ganz anderen Bautechnik, als wenn man jetzt heute neu bauen würde. Von daher ist das gar kein Thema für uns. Wir diskutieren darüber auch gar nicht und wir werden auch nichts anbauen. 

DOMRADIO.DE: Aber das entscheidende Bauteil, nämlich das Kreuz auf dem Turm in Barcelona, kommt dann ausgerechnet aus der Ulmer Nachbarschaft. Stört Sie das auch nicht? 

Thorsten Krannich

"Ich finde es wunderbar, dass wir solche tollen Firmen hier in der Region haben, die in der Lage sind, an solchen weltbedeutenden Gebäuden etwas zu bauen."

Krannich: Nein, überhaupt nicht. Ich finde es wunderbar, dass wir solche tollen Firmen hier in der Region haben, die in der Lage sind, an solchen weltbedeutenden Gebäuden etwas zu bauen. Übrigens kommen die Liebherr-Kräne auch aus der Ulmer Nachbarschaft, mit denen wir einen guten Kontakt haben. Die haben uns auch gefragt, ob wir sauer sind. Aber das sind wir überhaupt nicht.

Das Interview führte Tobias Fricke.

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Basilika Sagrada Familia in Barcelona im September 2022 / © Allen.G (shutterstock)
Basilika Sagrada Familia in Barcelona im September 2022 / © Allen.G ( shutterstock )
Quelle:
DR

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