Vor 80 Jahren wurde Helmuth James Graf von Moltke hingerichtet

Geheime Denkfabrik

Er wollte einen radikalen Neuanfang. Helmuth von Moltke war der führende Kopf des Kreisauer Kreises, der während des Kriegs Konzepte für ein anderes Deutschland entwickelte. Vor 80 Jahren wurde er hingerichtet.

Autor/in:
Christoph Arens
Helmuth James Graf von Moltke vor dem Volksgerichtshof in Berlin im August 1944. / © KNA-Bild (KNA)
Helmuth James Graf von Moltke vor dem Volksgerichtshof in Berlin im August 1944. / © KNA-Bild ( KNA )

Das Urteil lautete auf "Hochverrat". Am Donnerstag vor 80 Jahren wurde Helmuth James Graf von Moltke im Gefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet - mit 38 Jahren. Der schlesische Gutsbesitzer und Völkerrechtsexperte war ein führender Kopf des Widerstandes gegen die Nazis. Seit 1940 hatte er zusammen mit Peter Graf Yorck zu Wartenburg die Widerstandsgruppe aufgebaut, die unter dem Namen "Kreisauer Kreis" bekannt wurde und Konzepte für ein "anderes Deutschland" entwickelte.

Freya von Moltke mit Kanzlerin Merkel / © Peer Grimm (dpa)
Freya von Moltke mit Kanzlerin Merkel / © Peer Grimm ( dpa )

"Helmuth ist ganz bereit zu sterben", vertraute seine Frau Freya einer Freundin vor seiner Hinrichtung am 23. Januar 1945 an. Moltke selber schrieb kurz vor seinem Tod an Freya: "Der Auftrag, für den Gott mich gemacht hat, ist erfüllt."

Liberale Herkunft

Moltkes Herkunft, sein soziales Engagement, seine Ausbildung und die internationalen Kontakte führten ihn - anders als große Teile des Adels - früh in Opposition gegen das NS-Regime. 1907 geboren und aufgewachsen auf dem schlesischen Familiengut Kreisau, genoss er durch seine aus einer bürgerlichen südafrikanischen Familie stammende Mutter eine vorwiegend britische, liberale Erziehung. 

Schloss Kreisau in Krzyzowa, wo sich die NS-Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises trafen / ©  Michael Grau (epd)
Schloss Kreisau in Krzyzowa, wo sich die NS-Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises trafen / © Michael Grau ( epd )

Schon früh übte der Jurist offen Kritik an Hitlers Aufstieg, unterstützte ab 1934 Juden bei der Ausreise und verzichtete auf die Richterlaufbahn, um nicht der NSDAP beitreten zu müssen.

Netzwerk von NS-Gegnern

Als Völkerrechtler im Oberkommando der Wehrmacht engagierte sich Moltke für die Einhaltung des Völkerrechts, für die Rechte vonKriegsgefangenen und gegen Geiselerschießungen - und erhielt so einen tiefen Einblick in die Verbrechen von NS-Staat und Wehrmacht. Seine dienstlichen Reisen nutzte er, um Beziehungen zu NS-Gegnern im Ausland aufzubauen.

Eines seiner größten Talente bestand im Aufbau von Netzwerken. Moltkes Weltgewandtheit führte Katholiken und Protestanten, Sozialisten, Liberale und Konservative, Wissenschaftler und Gewerkschafter zusammen - einen Kreis von rund 20 Menschen, der während des Krieges über die Zukunft Deutschlands nachdachte. 

Der Jesuitenpriester Alfred Delp (1907-1945), 1945 vor dem Volksgerichtshof in Berlin, rechts hinter ihm: Helmuth James Graf von Moltke / ©  epd-bild / SJ-Bild (epd)
Der Jesuitenpriester Alfred Delp (1907-1945), 1945 vor dem Volksgerichtshof in Berlin, rechts hinter ihm: Helmuth James Graf von Moltke / © epd-bild / SJ-Bild ( epd )

Der Kontakt zu den Kirchen entwickelte sich Ende 1941. Moltke streckte Fühler zum katholischen Berliner Bischof Konrad von Preysing aus. Im Oktober kam der Jesuit Augustin Rösch dazu; auch Alfred Delp, ebenfalls Jesuit, wurde einbezogen.

Uneinig über Anschlag auf Hitler

Die Kreisauer trafen sich - aus Furcht vor der Gestapo - zunächst in kleinen Gruppen im Reihenhaus der Yorcks in Berlin. 1942/43 gab es drei größere Zusammenkünfte auf Gut Kreisau. Wie konnte man aus den Deutschen verlässliche Demokraten machen - so lautete ein Thema dieser geheimen Denkfabrik. 

Es ging um die Bestrafung der Kriegsverbrecher, die Stellung Deutschlands im künftigen Europa und die Menschenrechte. Uneinig war man sich in der Frage eines Anschlags auf Hitler. Der tiefgläubige Protestant Moltke war strikt dagegen, auch weil er keine neue Dolchstoßlegende provozieren wollte.

Katholische Strukturen 

Die Rolle des Christentums war für die Kreisauer unbestritten. Auch, dass Deutschland wieder ein Rechtsstaat werden müsse, der Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleiste und die unverletzliche Würde der Person anerkenne.

Das "Berghaus" in Krzyzowa (früher Kreisau) im polnischen Niederschlesien, in dem 1942 und 1943 die drei Tagungen des "Kreisauer Kreises" im Widerstand gegen Hitler stattfanden / © Michael Grau (epd)
Das "Berghaus" in Krzyzowa (früher Kreisau) im polnischen Niederschlesien, in dem 1942 und 1943 die drei Tagungen des "Kreisauer Kreises" im Widerstand gegen Hitler stattfanden / © Michael Grau ( epd )

Umstritten ist, welchen Einfluss diese Konzepte auf das spätere Grundgesetz der Bundesrepublik hatten. Wesentliche Elemente der "sozialen Marktwirtschaft" dachten die Kreisauer vor. Völlig ohne Chancen blieben aber die Konzepte für die staatliche Ordnung. Die Kreisauer wollten den Staat "von unten" auf Basis überschaubarer Selbstverwaltungseinheiten aufbauen - eine Vorstellung, die dem Subsidiaritätsprinzip der katholischen Kirche ähnelte.

In Umsturzpläne eingebunden

Dass Moltke im Januar 1944 von der Gestapo verhaftet wurde, hatte zunächst nichts mit dem Kreisauer Kreis zu tun. Er wurde festgenommen, weil er einen Freund vor der Verhaftung gewarnt hatte. Zwischenzeitlich schien sogar seine Freilassung möglich. Doch im Zuge der Ermittlungen zum Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 deckte die Gestapo auch die Existenz des "Kreisauer Kreises" auf; einige der Mitglieder waren in die Umsturzpläne eingebunden.

In der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof, auch im Angesicht eines cholerisch schreienden Gerichtspräsidenten Roland Freisler, bewahrte Moltke eine eindrucksvolle Haltung. Für ihn war klar: Freisler ging es um eine Abrechnung mit dem Christentum. In seinem letzten Brief an Freya zitiert Moltke Freisler zustimmend mit den Worten: "Nur in einem sind das Christentum und wir gleich: Wir fordern den ganzen Menschen."

Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944

Am 20. Juli 1944 scheiterte das Attentat auf Adolf Hitler. 

An diesem Tag zündete Claus Graf Schenk von Stauffenberg eine Bombe im "Führerhauptquartier". Der 36-jährige Offizier stellte bei einer Besprechung in Hitlers ostpreußischem Hauptquartier "Wolfsschanze" eine Aktenmappe mit dem Sprengsatz am Kartentisch ab. Die Explosion verletzte die meisten Teilnehmer, doch der Diktator kammit ein paar Kratzern davon.

Gedenktafel bei der Wolfsschanze erinnert an das missglückte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 / © Norbert Neetz (epd)
Gedenktafel bei der Wolfsschanze erinnert an das missglückte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA