Caritas Köln fordert mehr Kontrollen gegen Arbeitsausbeutung

"Ausbeutungsfalle ohne Ende"

Auch in Deutschland gibt es ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Besonders Migranten gelten als gefährdet. Andrea Raab vom Kölner Diözesan-Caritasverband nennt Ansprechpartner für Betroffene und fordert mehr Aufklärung und Kontrollen.

Ein Kellner räumt am 17.03.2020 einen Tisch in einem Stuttgarter Restaurant ab / © Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (dpa)
Ein Kellner räumt am 17.03.2020 einen Tisch in einem Stuttgarter Restaurant ab / © Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ( dpa )

DOMRADIO.DE: Heute ist der gewerkschaftliche Welttag für menschenwürdige Arbeit. Wie muss man sich Ausbeutung auf der Arbeit in Deutschland denn vorstellen? Haben Sie ein Beispiel? 

Andrea Raab (Ansprechpartnerin für Europa und Arbeitsmarktpolitik beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln): Da können wir leider von vielen Beispielen berichten. Ich kann Ihnen auch konkret sagen, dass das oft bei Menschen passiert, die nicht so gut Deutsch können, die aus anderen Ländern zu uns kommen.

Der Mindestlohn soll 2024 auf 12,41 Euro steigen / © Marijan Murat (dpa)
Der Mindestlohn soll 2024 auf 12,41 Euro steigen / © Marijan Murat ( dpa )

Wir hatten zum Beispiel in einer bergischen Großstadt den Fall eines Mannes aus Rumänien, der dort in einem Restaurant gearbeitet hat. Das Gastgewerbe ist so eine typische Branche, in der es sehr häufig zu Verstößen kommt.

Der Mann hatte sich mit seinem Arbeitgeber auf einen Monatslohn von 1.200 € geeinigt. Nun kann man sagen: Wenn der Betrag dem Mindestlohn entspricht, dann darf er ja nur eine bestimmte Anzahl von Stunden arbeiten.

Aber diese Regelungen werden dann oft nicht eingehalten. Vor allen Dingen hatte der Mann überhaupt keine Lohnabrechnung, sondern seinen Lohn sehr unregelmäßig in Raten und in bar ausgezahlt bekommen.

Andrea Raab

"Diese Art der Bezahlung kann dann aber schnell zu einer Ausbeutungsfalle ohne Ende werden."

Das erscheint manchen Menschen vielleicht durchaus üblich, gerade wenn sie aus anderen Ländern kommen. Und das klingt ja auch erst mal gut, ganz unbürokratisch, wie man im Volksmund sagt: bar in die Kralle. Diese Art der Bezahlung kann dann aber schnell zu einer Ausbeutungsfalle ohne Ende werden. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer in der Bergischen Stadt nach monatelanger Arbeit nur 1.600 € in bar bekommen – viel, viel, viel zu wenig.

Deshalb geriet er dann in einen Konflikt mit seinem Arbeitgeber, als er das restliche Geld einforderte. In solchen Fällen kommt es oft zu Stress, weil man die Dinge nicht nachweisen kann und keine Belege hat. Dann hatte der Arbeitgeber dem Mann gedroht, ihn nicht mehr einzustellen. Das ist dann natürlich auch eine Bedrohung für die Familie.

Am Ende macht der ganze Stress die Leute krank. So kam der Mann dann eines Tages zu einem Beratungszentrum, das die Caritas in dieser Stadt hat. 

DOMRADIO.DE: Wie findet man denn überhaupt so eine Beratungsstelle? 

Raab: Es gibt spezialisierte Beratungsstellen in NRW, die heißen Beratungsstellen Arbeit und sind alle im Internet auffindbar. Man kann einfach mal Beratungsstelle Arbeit eingeben, dann findet man eine Seite und ganz unten gibt es so einen Link: Beratungsstelle in der Nähe finden. Insgesamt gibt es in NRW über 100 Beratungsstellen, die sich auf Fälle von Arbeitsausbeutung spezialisiert haben.

Und selbst wenn Sie keine in Ihrer Nähe finden, empfehle ich immer: Wenden Sie sich an den Caritasverband, wenden Sie sich an den karitativen Fachverband, an den Sozialdienst katholischer Frauen oder an den Sozialdienst katholischer Männer, die kennen sich auch gut aus. Schildern Sie dort Ihr Problem. Die helfen Ihnen dann, kompetente Beratungsstellen zu finden.

DOMRADIO.DE: Welche Hilfe kann man dann als Betroffener bekommen, wenn man jetzt vielleicht darüber nachdenkt, sich Hilfe zu holen? 

Raab: Das klären die Beraterinnen und Berater dann mit Ihnen. Aber die Hilfe reicht bis dahin, dass wir auch gewerkschaftliche Netzwerke oder gar Anwälte einschalten.

Damit die Betroffenen ihr Recht bekommen, ziehen wir auch vor Gericht. Davon erzählt zum Beispiel auch ein neuer Podcast, den wir mit der Beratungsstelle in Bonn gemacht und zum gewerkschaftlichen Welttag der menschenwürdigen Arbeit heute veröffentlicht haben.

Aber manchmal ist gar nicht die gerichtliche Auseinandersetzung der erste Schritt, sondern eine Beratung über alternative berufliche Perspektiven bei unfairer Bezahlung oder aber auch darüber, wie der erst einmal der eigenen Familie geholfen werden kann.

So werden manchmal Überbrückungsfinanzierungen auch notwendig.

DOMRADIO.DE: Schwierig wird es ja vor allem, wenn die Arbeitsverträge auch an die Mietverträge gekoppelt sind. Also wenn dann mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch die Wohnung verloren geht. Da überlegt man sich wahrscheinlich fünf Mal, ob man sich dann auch gegen die Arbeitsbedingungen wehren soll, oder? 

Andrea Raab

"Das Angstmachen dient als Hebel, um die unfaire, schlecht entlohnte Arbeit in Deutschland am Leben zu erhalten."

Raab: Da kann ich immer nur empfehlen, eine kompetente Beratungsstelle aufzusuchen. Wir haben eben schon über die Arbeit der Beratungsstellen gesprochen. Die Beratungsstellen bieten auch immer anwaltliche Hilfe im Hintergrund.

Meistens sind die Verträge, so wie sie sind, gar nicht in Ordnung und von daher ist so schnell kein Wegnehmen der Wohnung möglich. Es gibt konkrete Fälle, in denen die Caritas dann zum Beispiel auch mit den Vermietern spricht und gegebenenfalls eine Unterkunft sicherstellt.

Es sind solche Situationen, die den Menschen Angst machen. Das Angstmachen dient als Hebel, um die unfaire, schlecht entlohnte Arbeit in Deutschland am Leben zu erhalten.

DOMRADIO.DE: Wen sehen Sie jetzt am ehesten in der Pflicht, dass solche Zustände abgeschafft werden? Ich glaube, niemand möchte ja, dass das in Deutschland so bleibt.

Müssen sich die Arbeitnehmer mehr wehren? Müssen die Arbeitgeber einfach vernünftiger werden? Braucht es mehr Regeln von der Politik? Was meinen Sie? 

Raab: Es braucht mehr Kontrollen. Ich glaube, die Regeln sind schon klar und gut. Die meisten Vorkommnisse dieser Art stellen Ungesetzliches in Arbeitsverhältnissen dar.

Arbeitsvertrag / © Jens Schierenbeck (dpa)
Arbeitsvertrag / © Jens Schierenbeck ( dpa )

Dabei ist dann in der Regel eigentlich klar, dass es so nicht sein darf. Es braucht also mehr Kontrollen, um solche unguten Arbeitsverhältnisse aufzudecken und zu verfolgen. 

Andererseits braucht es aber auch mehr Information, mehr Wissen der Menschen. Vor allem Menschen aus anderen Ländern, die in Deutschland arbeiten, müssen besser über ihre Rechte auf dem deutschen Arbeitsmarkt aufgeklärt werden. Dann können sie diese auch anmelden und problemlos durchsetzen. 

Das Interview führte Florian Helbig.

Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.

Der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. ist der Dachverband der katholischen Wohlfahrtspflege im Erzbistum Köln. Ihm sind 250 Mitglieder als Träger von mehr als 2.000 Diensten und Einrichtungen im Rheinland und den angrenzenden Kreisen angeschlossen.

Das Spektrum seiner Aufgaben reicht von Krankenhäusern über Altenheime bis zu Kindergärten und Beratungsstellen, wie etwa Schwangerschafts- oder Schuldnerberatung. Der Diözesan-Caritasverband berät seine Einrichtungen und Dienste in wirtschaftlichen Fragen und vertritt sie in Kirche, Gesellschaft und Politik. 

Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )
Quelle:
DR