DFB entscheidet auf Druck der Fifa gegen das Tragen der "One Love"-Binde

One-Love-Kapitänsbinde  / © Sebastian Gollnow (dpa)
One-Love-Kapitänsbinde / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Der Verzicht der deutschen Nationalmannschaft auf die "One Love"-Kapitänsbinde bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zieht Kritik aus Wirtschaft und Kirchen auf sich. Der Handels- und Touristikkonzern Rewe verzichte auf Werberechte aus dem Vertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) insbesondere im Zusammenhang mit der WM, teilte Rewe am 22. November in Köln mit. Der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thorsten Latzel, sprach von "einer einzigen Farce".

"Das fatale Signal ist: 'Wir treten für ethische Werte ein - wenn es uns die Fifa erlaubt'", kritisierte Latzel: "Macht bricht Moral." Gerade mit Blick auf die Funktion des Fußballs, Werte an junge Menschen zu vermitteln, halte er das für desaströs, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Beim Weltfußballverband Fifa brauche es dringend Veränderung, und die europäischen Verbände hätten auch Macht dazu. Eugen Eckert, Mitglied im Arbeitskreis Kirche und Sport der EKD sowie Frankfurter Stadionpfarrer, sagte, er habe sich eine andere Entscheidung gewünscht.

Die Fifa hatte dem DFB und anderen nationalen Verbänden am 21. November das Tragen der "One Love"-Kapitänsbinde untersagt. Nach einer Androhung sportlicher Strafen erklärte der DFB, dass Manuel Neuer anders als zunächst geplant die Binde beim ersten Spiel der deutschen Mannschaft gegen Japan am 23. November nicht tragen wird. Zuvor hatten der englische und der niederländische Fußballverband ihren Verzicht bekanntgegeben.

Das derzeit bei Rewe erhältliche Sammelalbum werde ab sofort gratis abgegeben, die Kosten dafür trage das Unternehmen, teilte das Rewe mit. Die bisherigen Erträge des Albums sollen vollständig gespendet werden. Der genaue Wert sowie die Empfänger der Spende würden noch bekannt gegeben.

Nachdem die iranische Mannschaft die Hymne ihres Landes demonstrativ nicht mitgesungen habe, um ein Zeichen im Blick auf die anhaltenden Proteste im Iran zu setzen, seien die von der Fifa für das Tragen der Binde angedrohten Konsequenzen "nur eine Marginalie", sagte der Frankfurter Stadionpfarrer Eugen Eckert. Er verstehe jedoch, dass der DFB diese Angelegenheit nicht auf dem Rücken der Spieler austragen wolle, die teilweise nur ein Mal in ihrem Leben zu einer WM fahren könnten.

Die Gesellschaft insgesamt stehe nun vor einem Problem der Doppelmoral, sagte Eckert. Einerseits wolle man Katar für die Menschenrechtslage im Land kritisieren, andererseits nehme man gern das Erdgas aus dem Golfstaat. Schon bei der Vergabe der WM an Katar im Jahr 2010 hätte man protestieren müssen. "Wir alle sind zwölf Jahre zu spät dran", sagte Eckert.

"Man hätte die vielen Jahre nutzen können, einen anderen Austragungsort zu finden - oder, auch gegen die Fifa, ein alternatives Event zu organisieren", bedauerte auch der Queer-Pastor der hannoverschen Landeskirche, Theodor Adam. Auf diese Weise hätte der Fußball ein "mutiges Signal für eine Sportlichkeit setzen können, die Werte wie Fairness und Gleichberechtigung" einschließe. "Das Bittere ist, dass der Sport und die Begeisterung für ihn ins Hintertreffen geraten. Stattdessen wird alles, was auf dem Platz geschieht, politisch gedeutet", sagte Adam.

Der Gründer der Initiative "Liebe kennt keine Pause - gegen Homophobie in Katar", Bernd Reisig, forderte im "Redaktionsnetzwerk Deutschland" vom DFB "Botschaften für Vielfalt und gegen Homophobie". Der Verband dürfe sich das Verhalten der FIFA nicht gefallen lassen. Es sei "billig und unaufrichtig, wenn man sich nur zur Wehr setzt, solange es nicht wehtut", sagte der frühere Fußballmanager.

Die "One-Love"-Binde steht für Menschenrechte, Diversität und Frauenrechte sowie für den Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und Homophobie. Sie zeigt den Slogan "One Love" und ein buntes Herz. Das WM-Ausrichterland Katar steht wegen der Verletzung der Rechte vor allem von Frauen, Homosexuellen und Arbeitsmigranten in der Kritik.

(Quelle: epd, 22.11.2022)