Caritas sieht noch offene Punkte bei Cannabislegalisierung

Kontrollierte Abgabe als Gesundheitsschutz

Das Bundeskabinett hat die Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung in Deutschland beschlossen. Ist das ein längst überfälliger Schritt oder ein fataler Fehler? Die Caritas berichtet von ihren Erfahrungen aus der Suchthilfe.

Kann Cannabis bald legal von Erwachsenen gekauft werden? / © Dmytro Tyshchenko (shutterstock)
Kann Cannabis bald legal von Erwachsenen gekauft werden? / © Dmytro Tyshchenko ( shutterstock )

DOMRADIO.DE Die Legalisierung von Cannabis war ja schon Bestandteil des FDP-Wahlprogramms. In der Folge waren die Liberalen sehr erfolgreich bei den Jungwählern. Dass das Bundeskabinett nun für die Legalisierung gestimmt hat, war das eine logische Konsequenz aus Ihrer Sicht?

Angelika Schels-Bernards (Referentin für Sucht- und Aidshilfe beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.): Es war wohl weniger eine Konsequenz aus der FDP-Partei oder Wahlkampfpolitik, sondern es war ja tatsächlich Gegenstand des Koalitionsvertrags. Tatsächlich hat mich das überrascht, dass es so schnell kommt.

Aber bei allem muss man einfach immer noch anerkennen: Es geht hier um ein Eckpunktepapier. Das ist noch keine ausgearbeitete Strategie. Und dass die zum jetzigen Zeitpunkt kommt, ist eigentlich mehr als richtig. Das ist die gängige Expertenmeinung.

DOMRADIO.DE Viele halten Cannabis ja für harmlos. Sie kennen als Referentin für Suchthilfe auch weniger harmlose Fälle. Welche Schäden beobachten Sie denn bei Menschen, die Cannabis regelmäßig konsumieren?

Schels-Bernards: Das kann man so grundsätzlich nicht sagen. Was man aber sagen kann, ist, dass wir in den letzten Jahren verstärkt beobachten, dass sich gerade junge männliche Erwachsene häufig durch den hohen THC-Gehalt im Cannabis in Psychosen konsumieren.

Angelika Schels-Bernards

"Wir müssen das kontrollierbar machen, was besonders junge Menschen, aber auch erwachsene Menschen konsumieren, damit sie davon nicht krank werden."

Und das ist genau der Punkt, warum dieses Thema unbedingt angefasst werden musste. Das Betäubungsmittelgesetz verfolgt letzten Endes einen Jugendschutz-Auftrag. Deswegen ist es wichtig zu sagen, wir  müssen das kontrollierbar machen, was besonders junge Menschen, aber auch erwachsene Menschen konsumieren, damit sie davon nicht krank werden.

Neben psychotischen Störungen haben wir es häufig auch mit sogenannten affektiven Störungen wie Angst und Depression zu tun. Na ja, und dass es Lernleistung und Aufmerksamkeit beeinträchtigt, ist ja keine Neuigkeit. Aber von harmlos kann man sicher nicht sprechen.

Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit / © Hannibal Hanschke/Reuters/Pool (dpa)
Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit / © Hannibal Hanschke/Reuters/Pool ( dpa )

DOMRADIO.DE Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagt, wir müssen Cannabis entkriminalisieren. Das sei Jugendschutz. Nach dem Motto: Jugendliche sollen sich wegen ihrer Kifferei nicht die Zukunft verbauen. Ist das der richtige Gedanke oder ist das nicht eher ein Widerspruch, wenn man Jugendliche vor Drogen schützen will?

Schels-Bernards: Nein, es ist kein Widerspruch. Also tatsächlich geht es ja auch nicht wirklich um Legalisierung, sondern es geht um eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene. Im Moment wird das Abgabealter auf 21 gesetzt, das betrifft Jugendlichen nicht mehr.

Angelika Schels-Bernards

"In dem Moment, wenn das alles illegal ist, wird niemals ein Jugendlicher mit Ihnen darüber reden oder sich beraten lassen, wie man hier Risikominimierung betreibt"

Was man aber dadurch erreicht und wo sich dieser Widerspruch auch auflöst, ist, dass junge Leute informierter sein können über das, was sie rauchen. Die wissen ja manchmal gar nicht, was sie beim Dealer bekommen, wie viel THC das hat, wie gesundheitsgefährdend und wie riskant der Konsum ist. Und das ändern wir durch eine kontrollierte Abgabe, die auch ermöglicht, dass überhaupt ein Diskurs über Cannabiskonsum möglich ist. In dem Moment, wenn das alles illegal ist, wird niemals ein Jugendlicher mit Ihnen darüber reden oder sich beraten lassen, wie man hier Risikominimierung betreibt.

DOMRADIO.DE Der Verkauf von Cannabis wird vermutlich auch für hohe Steuereinnahmen sorgen. Das ist ja so ein Nebeneffekt von dieser ganzen Geschichte. Würden Sie sagen, das ist legitim oder eigentlich moralisch bedenklich für eine Regierung?

Schels-Bernards: Na ja, moralisch bedenklich ist es nicht. Wir reden hier von Cannabis zu Genusszwecken. Auf sehr viele Genussmittel werden ja Steuern erhoben. Was die Caritas fordert ist, dass die Gewinne, die daraus erwirtschaftet werden, eingesetzt werden, um Suchtprävention und den Jugendschutz zu stärken und weiter zu fördern.

Angelika Schels-Bernards

"Was die Caritas fordert ist, dass die Gewinne, die aus der Legalisierung erwirtschaftet werden, eingesetzt werden, um Suchtprävention und den Jugendschutz zu stärken"

DOMRADIO.DE Ein Aspekt in dieser Frage ist noch die "Anziehungskraft" für das angrenzende Ausland, also für unsere Nachbarn. Das kennen wir ein bisschen aus Holland. Könnte das auch auf uns zukommen, so eine Art Drogen-Tourismus?

Schels-Bernards: Da wird es natürlich einfach darauf ankommen, wie man die Regelung dann trifft, also ob man da vorbeugt, wie die Niederländer es zum Beispiel gemacht haben, also dass die Abgabe in lizenzierten Shops geschieht oder dass die Abgabe beispielsweise nur an Deutsche geschieht und ähnliches. Das ist aber derzeit wirklich noch zu früh, darüber zu spekulieren. Ich bin mir aber sehr sicher, dass unser Drogenbeauftragter oder das Bundesgesundheitsministerium auch das im Blick haben.

Das Interview führte Elena Hong.

Cannabis in der Medizin

Als Cannabis (lat. für "Hanf") wird eine Pflanzengattung in der Familie der Hanfgewächse bezeichnet. Umgangssprachlich wird auch von Marihuana oder Haschisch gesprochen, wobei es sich um zwei verschiedene Bestandteile handelt: Marihuana (auch "Mary Jane", "Gras", "Weed" genannt) meint die getrockneten Blätter und Blüten der Hanfpflanze. Haschisch (auch "Hasch" oder "Shit" genannt) ist dagegen ein Pflanzenextrakt; nämlich ein zu Platten oder Blöcken gepresstes Harz, das aus einzelnen Pflanzenteilen gewonnen wird. Cannabisprodukte haben eine berauschende Wirkung.

Produkte der Hanfpflanz (Cannabis) können Schmerzen lindern / © Oliver Berg (dpa)
Produkte der Hanfpflanz (Cannabis) können Schmerzen lindern / © Oliver Berg ( dpa )

 

Quelle:
DR