Katholische Elternschaft fordert höhere Priorität der Familienpolitik

"Das kann man nicht so nebenbei machen"

Die Schulen müssen um jeden Preis nach den Ferien offenbleiben, sagt Marie-Theres Kastner. Jetzt sei Zeit, um Vorkehrungen zu treffen. Von der Politik fordert sie, der Kinder- und Familienpolitik eine höhere Priorität einzuräumen.

Fernunterricht für Kinder während der Corona-Pandemie / © MNStudio (shutterstock)
Fernunterricht für Kinder während der Corona-Pandemie / © MNStudio ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie werden heute einen offenen Brief veröffentlichen, in dem Sie fordern, die Schulen nach den Ferien offen zu halten. Egal, was ist?

Marie-Theres Kastner (Bundesvorsitzende der katholischen Elternschaft Deutschlands): Egal was ist.

DOMRADIO.DE: Das heißt, auch in einer vierten oder fünften Welle auf Biegen und Brechen?

Kastner: Ja, und zwar aus dem Grund: Wir haben im letzten Jahr zwei Umfragen gemacht. Und bei der Zweiten haben wir auch die psychologische Belastung und die soziale Belastung der Kinder mit abgefragt und auch die Belastung der Familien. Und wenn man das alles unterm Strich zusammenzählt, dann muss man einfach sagen: Das war und ist unheimlich schlimm für die Familien. Und wir merken auch an dem Response, den wir haben, dass die Familien keine größere Angst haben, als dass es so weitergeht, wie es im Lockdown war.

DOMRADIO.DE: Jetzt kann ja niemand in die Zukunft sehen. Und auch wenn jetzt jemand während des Wahlkampfs wohlwollend auf Ihren Brief reagiert: Jede Zusage kann doch wieder kassiert werden mit einer Generalentschuldigung. Wie etwa: "Sorry, neue Mutationen, wussten wir nicht, geht nicht anders, ab sofort gibt es jetzt Wechselunterricht." Erwarten Sie das?

Kastner: Natürlich erwarte ich, dass noch Mutationen kommen. Ich erwarte aber auch, dass man diese Ferienzeit jetzt nutzt, um Vorkehrungen zu treffen, die Schulschließungen verhindern. Und ich glaube, da gibt es noch eine ganze Menge über die AHA-Regeln hinaus. Die AHA-Regeln und Maskentragen finde ich weiter okay.

Aber wenn ich an Luftfilter denke, wenn ich an Abstand schaffen in der Schule denke, dann meine ich, muss eine ganze Menge passieren. Ich denke auch, dass sich mancher überlegen wird, ob er seine Kinder, wie bis jetzt ab zwölf möglich, impfen lassen wird.

DOMRADIO.DE: Es kommt ja häufig das Argument, dass zu wenige Luftfilteranlagen in den Schulen sind. An dieser Frage scheiden sich die Geister gewaltig. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock fordert für jedes Klassenzimmer einen. Und Hamburgs Schulsenator Ties Rabe sagt, das bringe gar nichts. Und Sie? Fordern Sie Luftfilter überall?

Kastner: Wenn wir unsere Landtage damit ausstatten, dann haben die sich auch was dabei gedacht. Und ich glaube, dass es auch zu wenig ist, wenn man nur Luftfilter in die Räume stellt, wo man nicht lüften kann. Wir sollten mindestens alles tun, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Also ich glaube schon, dass es Sinn macht und dass auch die Mittel jetzt zur Verfügung stehen, dass man die jetzt auch ausnutzen sollte, damit die Schulen wirklich offenbleiben.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Kinderimpfungen angesprochen, da gibt es auch viele Diskussionen drüber, gerade auch zur Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen. Schülerinnen und Schüler müssen sich ja aktuell gegen Masern impfen lassen, bald auch gegen Corona?

Kastner: Also ich bin natürlich immer dafür, dass sich jeder selbstständig entscheiden kann und dass er nicht in die Pflicht genommen wird. Das habe ich auch Jahrzehnte, als ich noch politisch tätig war. Im Landtag habe ich das auch so für die Masern gesehen. Erst als es überhaupt nicht anders ging, habe ich gesagt: Dann müssen wir eine Pflicht einführen. Ich glaube, die Zeit ist noch nicht reif für eine Pflicht, sondern wir müssen ganz schlicht erst einmal Überzeugungsarbeit leisten.

Und wenn ich sehe, was da noch an Fake News unterwegs ist zum Thema Impfen, dann glaube ich, haben wir da noch eine ganze Menge Luft nach oben.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie jetzt wieder aktiv werden in der Politik, im Landtag, sagen wir mal, wie würden Sie selber auf Ihren eigenen Brief reagieren?

Kastner: Wenn ich noch im Landtag aktiv wäre, hätte ich genau das getan, was ich vor etlichen Wochen gesagt habe und was ich in meiner ganzen politischen Tätigkeit gemacht habe. Ich war ja Sprecherin für Kinder, Jugend und Familie. Ich habe immer gesagt, die Politik für Kinder, Jugendliche und Familie muss den gleichen Rang haben wie andere Politikfelder. Das kann man nicht so irgendwo nebenbei machen, sondern das hat eine hohe Priorität.

Und ich glaube, das haben wir auch in den Corona-Zeiten erlebt, wie wichtig es war, dass Familien zusammengehalten haben, dass Familien ihre Kinder unterstützt haben. Ohne das wäre es ja gar nicht gegangen. Dann stünden wir noch ganz anders da, wenn dieses System nicht funktioniert hätte.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Marie-Theres Kastner / ©  KED (KNA)
Marie-Theres Kastner / © KED ( KNA )
Quelle:
DR
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