Mit einem Runderlass im Juli wollte Pinkwart Kommunen ermöglichen, in der zweiten Jahreshälfte mit vier zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntagen den örtlichen Einzelhandel zu beleben und das Umsatzminus aus der Corona-Zeit auszugleichen.
Doch das Oberverwaltungsgericht für NRW in Münster lässt dies nicht zu. In Eilbeschlüssen hat es in den vergangenen eineinhalb Wochen den geplanten Verkauf in rund einem Dutzend Kommunen bereits gestoppt - weitere Verfahren sind noch nicht entschieden, dürften aber ähnlich ausgehen.
Sonntagsverkauf sollte Pandemie-Folgen abschwächen
Pinkwart hatte in seinem Runderlass darauf verwiesen, dass wegen des Lockdowns ab dem 10. März öffentliche Veranstaltungen und damit rund die Hälfte der geplanten verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage in den Kommunen nicht stattfinden konnten. Diese sollten die Kommunen nachholen können - auch wenn der ursprüngliche und vom Gesetz geforderte Anlass wie Feste, Messen oder ähnliche Veranstaltungen weggefallen ist. Das Ministerium empfahl den Kommunen, einen anderen Sachgrund anzuführen: nämlich den Erhalt, die Stärkung und Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebotes.
In dem Erlass finden sich dann nähere Argumentationshilfen für die Kommunen: So hält Pinkwart fest, dass der Einzelhandel in NRW 2019 einen Jahresumsatz von rund 122 Milliarden Euro erzielte. Davon entfielen 3 Prozent auf die verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage. Somit ergebe sich für den Einzelhandel im durch Corona beeinträchtigten Zeitraum von März bis August ein Umsatzverlust von rund 1,84 Milliarden Euro. Aber auch darüber hinaus sei der stationäre Einzelhandel durch die Pandemie gefährdet. Da könne der Sonntagsverkauf die negativen Folgen abschwächen.
Umsatz werde nur verschoben statt ausgeweitet
So sehr der Minister auch konkrete Zahlen ins Feld führt, so wenig lässt sich davon die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi überzeugen, die eine Klage-Serie startete. Sie verteidigt die Sonntagsruhe für die Beschäftigten und besteht strikt auf der Anlassbezogenheit, zumal Kommunen in NRW den Verkauf seit 2018 an jährlich bis zu acht Sonn- und Feiertagen gestatten können - statt zuvor vier. Sonntagsöffnungen dürften nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt werden. Zudem werde der Umsatz nur von der Woche auf den Sonntag verschoben und nicht ausgeweitet.
Das Oberverwaltungsgericht als höchste Instanz ist dieser Ansicht gefolgt. Die Begründung, nach Verlusten und ausgefallenen verkaufsoffenen Sonntagen während der Corona-Krise Umsatz nachzuholen, reiche nicht als Sachgrund aus, heißt es in einem Eilbeschluss. Denn von diesem Verkauf gehe eine "Geschäftigkeit und Betriebsamkeit aus, die typischerweise den Werktagen zugeordnet werde". Im Wesentlichen seien Sachgründe angeführt worden, die bis Jahresende praktisch überall für jeden Sonntag angeführt werden könnten und die schon deswegen das verfassungsrechtlich erforderliche Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Sonntagsarbeit nicht wahrten.
Kirchen haben bereits Kompromissbereitschaft signalisiert
Während Verdi sich dem Pinkwart-Vorstoß entschieden entgegenstellt, haben die beiden großen Kirchen Kompromissbereitschaft signalisiert und einer befristeten Ausweitung des Sonntagsverkaufs ihren Segen gegeben. Die Zustimmung setze aber voraus, dass es eine einmalige Regelung wegen der Pandemie bleibe, sagte der Leiter des Katholischen Büros NRW, Antonius Hamers. "Wir reagieren damit auf die außerordentlich schwierige Lage, in der sich der Einzelhandel momentan befindet." Ähnlich äußerte sich auch der Beauftragte der drei nordrhein-westfälischen evangelischen Landeskirchen bei Landtag und Landesregierung, Rüdiger Schuch.
Trotz der OVG-Beschlüsse hält das NRW-Wirtschaftsministerium weiter am Ziel fest, dass der teils von Insolvenzen betroffene Einzelhandel Umsätze per Sonntagsverkauf nachholen kann. Denn das sei auch im Sinne der Beschäftigten, so ein Sprecher auf Anfrage. Derzeit werde geprüft, wie die Ladenöffnung nach Maßgabe des Gerichts möglich sein kann. Und: Gesucht werde das Gespräch mit allen Beteiligten, um eine Lösung zu finden.