Jetzt im Spätsommer kommen Wespen dem Menschen besonders nah

Quälgeist und Kirchenretter

​In Deutschland gibt es viele Tausend Wespen-Arten. Nur zwei davon fliegen dem Menschen regelmäßig auf den Teller. Die meisten übrigen leben völlig anders - was Spezialfirmen zu nutzen wissen.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Dank Wärme und Trockenheit: Ein gutes Jahr für Wespen / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Dank Wärme und Trockenheit: Ein gutes Jahr für Wespen / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Man könnte meinen, der Name sei Programm: Schließlich nervt die Gemeine Wespe immer wieder gewaltig, wenn sie auf Limo oder Kuchen fliegt. "Gemein" heißt hier aber nicht fies oder frech, sondern schlicht gewöhnlich. Was im Umkehrschluss bedeutet: Es gibt auch ungewöhnliche Wespen - sehr viele sogar. Biologen schätzen die Zahl der in Deutschland heimischen Wespen-Arten auf mehrere Tausend. Doch bloß zwei davon kommen dem Menschen regelmäßig unangenehm nah, besonders jetzt im Spätsommer.

Neben der Gemeinen ist dies die Deutsche Wespe. Beide sehen so aus, wie sich wohl die meisten Menschen eine Wespe vorstellen: gelb-schwarz geringelt. "Bis etwa Ende Juli brauchen diese Wespen nur Eiweiß zur Aufzucht ihrer Larven und jagen dazu hauptsächlich kleinere Insekten", erklärt Stefanie Bernhardt. Die Pressereferentin des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) aus dem fränkischen Hilpoltstein ergänzt: "Wenn die Brut dieser Arten dann selbstständig ist, können die Alttiere ihr eigenes restliches Leben bis zum Herbst genießen. Dann gönnen sie sich gerne Süßes."

Mit Besprühen vertreiben

Nun möchte aber niemand einen Stich bekommen - auch wenn der höchstens Allergikern gefährlich wird. Wie also lassen sich die
Wespen abwehren? "Auf keinen Fall durch Wegpusten", sagt Bernhardt. "Das Kohlendioxid im Atem versetzt sie in Angriffsstimmung." Besser solle man die Insekten mit Wasser besprühen: "Dann denkt die Wespe an Regen und flüchtet in ihr Nest."

Wer so ein Nest an seinem Haus entdeckt, darf es nicht einfach vernichten. "Wespen sind geschützt. Um ein Nest entfernen zu dürfen, braucht es eine amtliche Ausnahmegenehmigung." Betroffene sollten überlegen, ob sie nicht durch Abstand-Halten mit den Tieren klarkommen könnten. Diese seien ja auch gerade für Gartenbesitzer wichtige Helfer: "Sie vertilgen gefräßige Raupen und bestäuben Pflanzen."

Wespe taucht im Alten Testament auf

Wespen sind dem Menschen also durchaus nützlich - und nicht nur ihm: Dem wissenschaftlichen Internet-Bibellexikon WiBiLex zufolge steht im Alten Testament gleich dreimal, Gott werde Wespen zur Vertreibung feindlicher Völker senden. Allerdings sei es umstritten, ob der entsprechende hebräische Begriff nicht eher so viel wie "Panik" bedeute - oder "Hornisse".

Wobei die Hornisse nichts anderes ist als eine Wespen-Art, und zwar mit einer Länge von bis zu 40 Millimetern die größte hierzulande. Lange gab es bloß eine einzige Hornisse in Mitteleuropa, inzwischen ist die durch Handelsverkehr eingeschleppte Asiatische Hornisse dazugekommen. "Sie ist wärmeliebend und dürfte sich daher im Zuge des Klimawandels bei uns noch ausbreiten", sagt Stefanie Bernhardt. Die Hornissen sind wie die Gemeine, die Deutsche und einige weitere Wespen durch ihre schwarz-gelbe Färbung und ihre Größe unübersehbar. Typisch für die heimischen Wespen sind sie damit indes nicht.

Unscheinbare Exemplare

Wesentlich artenreicher sind unscheinbare Vertreter wie die Erzwespen, von denen manche nur 0,2 Millimeter groß werden - sie bleiben damit sogar kleiner als bestimmte Einzeller und haben teils noch nicht mal Flügel. "Die meisten Wespen bei uns leben auch nicht sozial in großen papiernen Nestern aus zerkautem Pflanzenmaterial", fügt Bernhardt hinzu. Das Gros führe ein Dasein als Single.

Insofern ist der Name Wespe vielfach unzutreffend. Denn laut Duden bedeutet er ursprünglich "die Webende" und leitet sich ab vom gewebeartigen Nest der markanten Arten. Ohne Nest vermehren sich etwa Schlupfwespen, längst ein wichtiges Instrument von Schädlingsbekämpfern. Spezialfirmen setzen die Tiere etwa gegen den Holzwurm ein: Die Wespen legen ihre Eier an diese Schädlinge, später frisst der Wespen-Nachwuchs sie dann auf. Solche biologischen Einsätze gibt es gerade in viel besuchten Gotteshäusern immer wieder. Denn wo kein Gift angewandt wird, müssen Menschen nicht fernbleiben. Die Schlupfwespen sind harmlos und winzig. Bemerken wird man daher meist nicht sie selbst - sondern höchstens, dass das Gebälk irgendwann nicht mehr auf den Altar rieselt. Die Wespe ist also mehr als der Quälgeist vom Kuchentisch. Sie ist auch ein Kirchenretter.


Quelle:
KNA