In Tschechien löst das Leben unter Quarantäne eine große Welle der Hilfsbereitschaft aus. Im ganzen Land melden sich Freiwillige, die Atemschutzmasken schneidern, älteren Mitbürgern Lebensmittel und Arzneimittel besorgen oder Kinder, die derzeit nicht zur Schule gehen dürfen, über das Internet unterrichten.
Vietnamesische Händler und Restaurants bieten Rettern, Ärzten und Schwestern kostenlos Erfrischungen an.
Website zur Nachbarschaftshilfe
Ein großes Echo verzeichnet laut der Zeitung "Lidove noviny" eine am Vortag ins Leben gerufene Website zur Nachbarschaftshilfe. Die organisiert die Arbeit der Freiwilligen in allen Landesteilen. Mehrere tausend Tschechen hätten sich schon in den ersten Stunden als Helfer gemeldet. Sie unterstützten vor allem Ältere und Kranke, die zur Covid-19 Risikogruppe gehören, und würden von Dispatchern direkt mit den Bedürftigen vernetzt.
Viele Orte haben zudem Krisentelefone eingerichtet, die in erster Linie für einsam lebende Senioren gedacht sind. Sie sollen die älteren Menschen ermutigen, sich in Notsituationen zu melden, um Hilfe zu bekommen. Der Chef der Nichtregierungsorganisation Zivot 90, Jaroslav Lorman, sagte der Zeitung, viele Rentner schreckten davor zurück, die Familie um Unterstützung zu bitten, weil sie ihren Angehörigen keine Sorgen bereiten wollen.
Die Krisentelefone können auch von Menschen genutzt werden, die die Folgen der landesweiten Quarantäne und die damit einher gehende Kappung bislang bestehender sozialer Kontakte psychisch nur schwer verkraften. Gesundheitsexperten hatten ausdrücklich davor gewarnt, die Schulkinder zur Beaufsichtigung zu den gefährdeten Großeltern zu bringen. Die meisten Familien unterhalten deshalb derzeit nur Kontakt per Telefon.
Theologe Halik lobt Solidarität
Wellen besonderer Hilfsbereitschaft gab es in Tschechien in der Vergangenheit immer wieder, vor allem bei drei schweren Hochwasserkatastrophen. Der bekannte katholische Priester und Theologe Tomas Halik hat diese Form des Zusammenhalts nun besonders gewürdigt. Dem Online-Portal "Seznam Zpravy" sagte er, mehr denn je gehe es im Moment darum, "sich ruhig, weise und solidarisch zu verhalten". "In schwierigen Zeiten habe ich keine Angst um Tschechien", erklärte Halik und erinnerte an Wendepunkte wie die russische Besatzung im Prager Frühling 1968 oder die Revolution von 1989.
"In dramatischen Momenten reagiert die tschechische Gesellschaft gut, kreativ, solidarisch - und vor allem auch mit Humor. Es gebe bereits viele Anekdoten über das Coronavirus - und er nennt ein Beispiel: "Der der Korruption verdächtigte Ministerpräsident Andrej Babis sagt: "So lange wollten mich die Tschechen (hinter Gefängnismauern) einschließen - jetzt habe ich sie alle (mit der Quarantäne) eingeschlossen!""
Tschechien lebe in einer komplizierten politischen Situation, so Halik. Mit einem Präsidenten Milos Zeman, der unsichtbar sei und nicht funktioniere und einem Ministerpräsidenten Babis, der den Staat als seine Firma verstehe. "Aber es ist unsere legitime Regierung, und ich werde mit Sicherheit die Daumen drücken, damit sie mit der Situation umgehen kann, und ich respektiere ihre Vorschriften", so der Geistliche.
Jetzt sei nicht die Zeit für politische Rivalitäten; man müsse sich vielmehr zusammenreißen, forderte Halik. Seine Empfehlung: Der Staatsapparat und das medizinische Personal müssen den Anweisungen echter Experten folgen und die Erfahrungen aus dem Ausland ständig überwachen und bewerten."