Hitze macht Besuchern der Florentiner Statue zu schaffen

Wenn Michelangelos David schwitzt

Der Florentiner Freiheitsheld muss leiden – und seine Besucher auch. Die klimatischen Bedingungen in der Galleria dell'Accademia sind schwer erträglich. Und das ist nur eine Not der berühmten David-Statue Michelangelos.

Autor/in:
Alexander Brüggemann und Stefanie Stahlhofen
Der David von Michelangelo / © Erika Rebmann (KNA)
Der David von Michelangelo / © Erika Rebmann ( KNA )

Eines der bekanntesten italienischen Museen, die Galleria dell'Accademia in Florenz, sorgt mit Klimaproblemen für Schlagzeilen. Laut der Zeitung "La Stampa" (Montag) kämpfen bei den hohen Temperaturen Besucher der berühmten David-Statue Michelangelos regelmäßig mit Kreislaufproblemen. Auch den Mitarbeitern mache die Hitze zu schaffen.

Nach Angaben des Florentiner Gewerkschaftsverbands "Fp Cgil Firenze" gibt es im gesamten unteren Bereich des Museums keine konstante Kühlung – etwa im Raum mit der weltberühmten, überlebensgroßen Darstellung des David, den Michelangelo Buonarroti zwischen 1501 und 1504 schuf.

Kein Risiko für Kunstwerke

Die Lage sei nicht nur für Besucher, sondern auch für die Kunstwerke kritisch, kritisiert die Gewerkschaft. In einigen Räumen betrage die Luftfeuchtigkeit mehr als 78 Prozent. Die offiziellen Richtlinien zum Erhalt von Kunstschätzen erlaubten die Aufbewahrung von Tafelbildern jedoch nur in Räumen mit maximal 60 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Die deutsche Museumsleiterin Cecilie Hollberg sieht die Lage unter Kontrolle. Auch für die Kunstwerke bestehe kein Risiko. "Mit der Klimaanlage gibt es keine Probleme, die uns nicht schon bekannt wären", wird sie zitiert. Die Anlage sei veraltet und müsse ersetzt werden; dies sei im Sommer jedoch nicht möglich. Die Gewerkschaft fordert dagegen umgehende Maßnahmen; etwa die Anschaffung mobiler Klimaanlagen oder eine zeitweise Reduzierung der Besucherzahlen.

Ein siegreicher Held

Michelangelos David ist seit jeher Kummer gewohnt; nicht nur mit der Hitze, auch mit den Füßen. Als Freiheitsheld hat er Gewicht – doch er ist zu schwer für seine schlanken Fesseln. Feine Haarrisse im Marmor lassen Experten in immer neuen Gutachten befürchten, dass die erste überlebensgroße männliche Aktfigur der Neuzeit auf Dauer ihr eigenes Gewicht nicht wird tragen können.

Ein siegreicher Held, der für eine gerechte Sache kämpft: Genau das hatte der Bürgerschaft von Florenz vorgeschwebt. Nach der Vertreibung der Medici 1494 und der Verbrennung des Bußpredigers Girolamo Savonarola 1498 suchte die reiche, aber verunsicherte junge Republik in Zeiten äußerer Bedrängnis nach einem neuen Selbstverständnis. 1501 beauftragte die einflussreiche Wollgilde den erst 26-jährigen Michelangelo Buonarotti mit einem Kunstwerk, das buchstäblich eines der größten der Hochrenaissance werden sollte: jener Kolossalstatue des biblischen David, die im September 1504 feierlich enthüllt wurde.

"Verhauen"

Michelangelo (1475-1564) hatte sich seine ersten Sporen im Ausland, in Rom, verdient. In Florenz zählte er noch keineswegs zur ersten Garde. Und der fünf Meter große Block aus Carrara-Marmor, um den er sich bewarb, lag bereits seit einem halben Jahrhundert verschmäht im Lager der Dombauhütte. Zwei Künstler hatten sich daran versucht und waren gescheitert. Der Stein galt als "verhauen".

Ausgerechnet daraus wünschten sich die Florentiner nun also einen David; einen, der den vermeintlich überlegenen Goliath mit den Mitteln des Verstandes besiegte. Geistige Überlegenheit statt dumpfer Waffengewalt, so wollte sich die Bürgerschaft in ihrem Kampf gegen die Medici verewigt sehen.

Davids Heldentat

Und Michelangelo, der behauptete, jede Statue sei bereits im Vorhinein im Stein angelegt und müsse nur gleichsam freigelegt werden, schuf ein Meisterwerk: 4,34 Meter groß und (selbst unbekleidet) 5,6 Tonnen schwer. Davids Heldentat steht erst unmittelbar bevor: Gerade hebt er, den Blick unaufgeregt auf den Gegner gerichtet, mit seiner Linken die Schleuder von der Schulter, um den einen, tödlichen Schuss zu setzen.

Von der Menge begeistert gefeiert und auf der Piazza della Signoria direkt vor dem Palazzo Vecchio aufgestellt, dem politischen Zentrum von Florenz, trug der symbolisch befrachtete "Gigant" im Lauf der Jahrhunderte manche Wunde davon. So brach 1527, während der neuerlichen Vertreibung der Medici, bei Tumulten durch einen herumfliegenden Stuhl der linke Arm ab und musste wieder angesetzt werden.

Taubenkot und Ruß

Im Zuge der Staatsgründung Italiens wanderte das Freiheitssymbol 1873 buchstäblich ins Museum der Geschichte. Von Taubenkot und Ruß verschmutzt und nicht mehr zeitgemäß, kam er in die Galleria dell'Accademia. Im Freien steht seit Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch eine detailgetreue Kopie.

Im Jahrhundert der Nationalstaaten rückte man dem Original mit ätzender Chlorsäure zu Leibe und goss die entstandenen Risse mit heißem Wachs aus. Viel besser ging es dem Republikaner mit einer gründlichen, aber diesmal schonenderen Restaurierung mit destilliertem Wasser zu Beginn des neuen Jahrtausends. Die feuchten Wickel brachten ein weiß glänzendes Ergebnis. Nun ist ihm also heiß. Das ist – in historischer Perspektive – eher zu vernachlässigen.


Quelle:
KNA