In Deutschland sind erst wenige syrische Flüchtlinge angekommen

Bürokratische Hürden, gewaltige Kosten

Mehr als zwei Millionen Syrer sind im Nahen Osten auf der Flucht, doch in Deutschland sind erst wenige Hundert Flüchtlinge angekommen. Nun wird die Kritik lauter.

Syrische Flüchtlinge (dpa)
Syrische Flüchtlinge / ( dpa )

Sie sind aus ihrem Heimatland nach Jordanien, in den Libanon, die Türkei oder den Irak geflüchtet. Immer mehr Syrer verlassen das Bürgerkriegsland, weil die humanitäre Lage dramatisch ist und Anschläge drohen. Zwar werden in Deutschland die Rufe immer lauter, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Doch es bestehen weiterhin hohe bürokratische Hürden.

"Praktikable Lösung geschaffen"

Neben dem Bundesprogramm, demzufolge 5.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, haben 14 der 16 Bundesländer eigene Programme verabschiedet, wie ein Sprecher der Bundesinnenministeriums bestätigte. Außer in Bayern und Sachsen seien überall Anordnungen in Kraft getreten, damit hier lebende Syrier Familienangehörige "unter erleichterten Bedingungen" herholen könnten. "Wir haben jetzt eine praktikable Lösung geschaffen", erklärte etwa vor wenigen Tagen der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU).

Monatelange Bürokratie

Anders sehen das Flüchtlingsorganisationen. "Die Programme drohen leerzulaufen", sagt Bernd Mesovic, der Vize-Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Problematisch sei etwa, dass die Anträge für den Familiennachzug bei den deutschen Ausländerbehörden gestellt werden müssten und diese nicht immer hülfen. Wenn die Formulare ausgefüllt seien, müssten die Flüchtlinge in Syrien oder den Nachbarstaaten in den deutschen Auslandsvertretungen vorsprechen. Oft dauere es Monate, bis sie an der Reihe seien.

"Krankenversicherung ist das Killer-Kriterium"

Das größte Problem ist Mesovic zufolge, dass die Familienmitglieder in Deutschland nachweisen müssen, für alle Kosten aufkommen zu können. Für Lebensunterhalt, Unterkunft und Krankenversicherung. Timmo Scherenberg vom Hessischen Flüchtlingsrat ergänzt: "Die Krankenversicherung ist das Killer-Kriterium." Die gesetzlichen Versicherungen seien nicht zuständig, die privaten könnten ablehnen und kosteten pro Person zudem mehrere Hundert Euro pro Monat.

4.200 Euro netto, um zwei Flüchtlinge nach Deutschland zu holen

Scherenberg zitiert aus Berechnungen, wonach eine in Deutschland lebende Familie rund 4.200 Euro netto verdienen müsste, um zwei Personen nach Deutschland holen zu dürfen. Erst dann seien jene 1.380 Euro für Versicherungen und Unterhalt der Flüchtlinge übrig, die verlangt seien. Lediglich das Land Niedersachsen legt den Angaben zufolge einen anderen Berechnungs-Maßstab an.

Als sinnvoll, aber viel zu bürokratisch angesichts des Leids im Nahen Osten wird das Bundesprogramm zur Flüchtlingsaufnahme angesehen: Im März dieses Jahres war die Entscheidung gefallen, 5.000 Personen aufzunehmen. Gut sechs Monate später sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 500 Menschen gekommen, wovon 107 mit der bisher einzigen offiziellen Chartermaschine aus Beirut (Libanon) nach Deutschland einreisten.

UNHCR: "Flüchtlingsaufnahme läuft reibungslos"

Zuständig für das Programm sind das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nach den Worten des Berliner UNHCR-Sprechers Rouven Brunnert läuft der "komplexe Prozess" zur Flüchtlingsaufnahme reibungslos ab. Es sei nun mal aufwendig, wenn Angehörige von bereits in Deutschland lebenden Syrern kommen sollten. Dann müssten die Voraussetzungen zunächst in Deutschland geprüft und anschließend an das UNHCR im Libanon weitergegeben werden.

Keine Routine vor Ort

Dort würden die Menschen interviewt und diese Informationen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Deutschland weitergeleitet, sagt Brunnert. Hier falle die Entscheidung. Schließlich bereite man die Ausreisenden im Libanon noch zwei Wochen vor. Das Bundesamt ergänzt, dass der Prozess "einige Monate" dauere.

Zudem gebe es im Libanon keine organisierten "Flüchtlingslager", und in das Verfahren seien libanesische Behörden involviert. Vor Ort könne "auf keine Routinen zurückgegriffen werden".


Ankunft in Deutschland (dpa)
Ankunft in Deutschland / ( dpa )
Quelle:
epd