Vor 50 Jahren erster Wiederaufbau einer Synagoge nach dem Krieg in Worms

Teil des "rheinischen Jerusalems"

Die Wormser Synagoge war das erste jüdische Gotteshaus, das nach der Nazizeit wieder aufgebaut wurde. In der Pogromnacht 1938 wurde es niedergebrannt, anschließend die Ruine verwüstet. Mit einem Festakt hat Worms nun an den Wiederaufbau der Synagoge vor 50 Jahren erinnert.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

Schon 1946 begann die Diskussion über einen Wiederaufbau. Die neue Synagoge wurde schließlich nach dreijähriger Bauzeit am 3. Dezember 1961 geweiht. Damit wurde ein neues Kapitel in der so bedeutungsreichen Geschichte der Stadt Worms als Zentrum des Judentums in Deutschland aufgeschlagen. Die Synagoge ist eines der historisch bedeutsamsten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland, dessen Baugeschichte 1.000 Jahre zurückreicht. Denn in Speyer, Mainz und Worms entwickelte sich zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert ein geistiges und kulturelles Zentrum des Judentums, das "rheinische Jerusalem".



Was dort gelehrt wurde, hatte Ausstrahlung auf alle jüdischen Gemeinden Europas. Rabbiner und Vorsteher der drei Städte schlossen ein Bündnis, diskutierten gemeinsam religiöse Fragen und Belange ihrer Gemeinden und entschieden Streitfälle. Die Wormser Synagoge ist damit eine der ältesten Deutschlands. Schon 1034 wurde sie von Jakob ben David und seiner Frau Rahel gestiftet. An ihr lässt sich zugleich die an Katastrophen reiche Geschichte des Judentums in Deutschland erzählen. Denn kulturelle Blüte, ein weitgehend autonomes Gemeindeleben und eigene kultische Einrichtungen wie Synagoge, Mikwe, Metzgerei und Backhaus verhinderten nicht, dass die gesellschaftliche Stellung der Juden auch am Rhein während des gesamten Mittelalters immer gefährdet blieb.



Neue Pogrome im 14. Jahrhundert

Gleich der erste Kreuzzug endete 1096 in einer Katastrophe. Die Juden in den rheinischen Städten fanden nur unzureichenden Schutz vor den Kreuzfahrern bei den bischöflichen Stadtherren, die sie zuvor umworben hatten. In Worms richteten Kreuzfahrer und Pöbel ein Blutbad an. Mehr als 800 Menschen starben laut Chroniken; die Synagoge wurde zerstört. Um 1174 wurde sie im romanischen Stil der Wormser Dombauschule wieder aufgebaut.



Neue Pogrome gab es im 14. Jahrhundert, als die durch die Pestepidemie der Jahre 1348-1350 ausgelösten Judenverfolgungen die kulturelle Blüte des Wormser Judentums endgültig beendeten. Zwar wurde die dabei stark beschädigte Synagoge schon 1355 erneut aufgebaut, die neue jüdische Gemeinde konnte jedoch nicht mehr an ihre alte Bedeutung anknüpfen.



Vorerst zu Ende ging die Geschichte der Wormser jüdischen Gemeinde mit den Nationalsozialisten. 462 Wormser Juden wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Bis heute gibt es in Worms keine eigene jüdische Gemeinde mehr. Die in Worms lebenden Juden gehören der Jüdischen Kultusgemeinde Rheinland-Pfalz an, deren Sitz in Mainz ist. Erst in neuerer Zeit wird die Wormser Synagoge wieder verstärkt zu Gottesdiensten genutzt. Im vergangenen Jahr wurde in Mainz und am diesjährigen Jahrestag der Reichspogromnacht in Speyer ein neues jüdisches Gotteshaus eingeweiht. Auf die Wormser Synagoge war im Mai vergangenen Jahres ein Brandanschlag verübt worden.



Der älteste Grabstein trägt die Jahreszahl 1076

Stärker als in Mainz und Speyer ist in Worms das städtebauliche Erbe noch sichtbar. In der Judengasse lässt sich durch die geschlossene Bauweise mit vielen historischen Gebäuden und Toren heute noch das Leben im mittelalterlichen Ghetto nachempfinden. Neben der Judengasse liegt der Synagogen-Komplex, bestehend aus der Männer- und Frauen-Synagoge, dem rituellen Bad, der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Schule und dem Museum.



Mehr als 2.000 Grabsteine aus den zurückliegenden 1.000 Jahren haben sich auf dem jüdischen Friedhof erhalten, der Heiliger Sand genannt wird. Der älteste Grabstein trägt die Jahreszahl 1076. Auf die Herkunft der mittelalterlichen jüdischen Einwanderer aus Italien oder Spanien weisen Namen wie Bella Bonafila oder Speranza. Die Grabsteine des Rabbi Meir und seines Schülers Salomo Wimpfen sind zu Wallfahrtstätten von Juden aus der ganzen Welt geworden.



Bei dem Festakt in der Wormser Synagoge sicherte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) am Donnerstag den Juden im Land auch für die Zukunft staatliche Unterstützung zu. Zugleich kündigte er bei einer Rede zum 50. Jahrestag des Wiederaufbaus der Synagoge energischen Widerstand gegen alle Kräfte an, die "den gleichen Ungeist" verbreiteten, der einst zum Judenmord in der NS-Zeit geführt habe.