Seine größte Entdeckung machte er angeblich in einem Papierkorb, wie es bis heute heißt. Tischendorf war im griechisch-orthodoxen Katharinenkloster auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel, durchforstete alte Schriften und stieß auf eine Bibelhandschrift, die bis heute als eine ältesten erhaltenen der Welt gilt, auf den "Codex Sinaiticus". 43 Blätter nahm er von seiner ersten Reise mit nach Hause, die ihn schlagartig berühmt machten.
Zwei davon, auf denen auf Griechisch ein Abschnitt aus Buch Jeremia geschrieben steht, sind in dem kleinen Ausstellungsraum der Bibliotheca Albertina in Leipzig zu sehen. Eingerahmt von Fotos der alten Klostermauern, die den Sensationsfund als Hängetafeln umgeben, fokussieren Scheinwerfer die Exponate. Sie bilden das Zentrum der Rückschau auf das Leben des Wissenschaftlers.
Tischendorf galt seinerzeit als Genie. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. schrieb ihm anerkennend: "Wo Sie hinkommen, da finden Sie auch"; mit Alexander von Humboldt stand er in Korrespondenz. Die Zitate seiner Freunde und Bewunderer zieren die Wände der Ausstellung. Sie ist schlicht angelegt, thematisch in sechs Kapitel unterteilt. Die Person Tischendorf steht in den ersten drei im Mittelpunkt, als Reisender, als Gelehrter und als Schreibender. Es sind Fotos und Bilder von ihm zu sehen, die Routen seiner drei Reisen leuchten an der Wand auf. Gegenüber hängt ein Gedicht, das er als junger Theologe schrieb und das von Felix Mendelssohn-Bartholdy vertont wurde.
Schwerpunkt auf sein Wirken
Der zweite Schwerpunkt der Ausstellung gilt Tischendorfs Wirken. Neben griechischen Handschriften und den beiden Blättern des "Codex Sinaiticus" wird in einer Vitrine ein Streit nachgezeichnet, der den Leipziger Bibelforscher auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte: Tischendorf machte 1856 publik, dass die vermeintlich wertvollen Handschriften, die sein Kollege Konstantin Simonides verkaufte, Fälschungen waren. Der Beschuldigte griff ihn heftig an, aber Tischendorf konnte seine Thesen untermauern. Simonides musste klein bei geben, sein Ruf war dahin, und er hegte heftigen Zorn gegenüber dem Leipziger Gelehrten.
Als dieser acht Jahre später weitere Teile des "Codex Sinaiticus" der Öffentlichkeit präsentierte, sah Simonides seine Chance auf Rache gekommen. Er wetterte gegen Tischendorf, unterstellte diesem nun, Fälschungen aufgesessen zu sein, und wollte dessen wissenschaftlichen Ruhm zunichte machen. Aber auch diesmal hatte Tischendorf die besseren Argumente. Seine Beweise waren erdrückend und Simonides endgültig erledigt.
In einer Zeit, in der die klassische Philologie ihre Blüte erlebte, in der die Suche nach Originalquellen von entscheidender Bedeutung war, eroberte ein Forscher wie Konstantin von Tischendorf die Schlagzeilen. Nach seinem Tod im Jahre 1874 änderte sich das.
Die Ausstellung und ihr Katalog, so Ulrich Johannes Schneider, Direktor der Universitätsbibliothek, sollen Tischendorf und seine Lebensleistung nun wieder ins Gedächtnis rufen. Denn während viele seiner damaligen Leipziger Kollegen heute in Straßennamen verewigt seien, habe er als einer der berühmtesten Geisteswissenschaftler des 19. Jahrhunderts bislang nur wenig Nachruhm erfahren.
Ausstellung über den Bibelforscher Konstantin von Tischendorf
Vergessenes Genie
Für manche war er eine Art "Indiana Jones" der Bibelforschung. Konstantin von Tischendorf reiste durch den Nahen Osten, immer auf der Suche nach den ältesten christlichen Handschriften. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er so zu einer Berühmtheit in Gelehrtenkreisen. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek Leipzig erinnert nun an den umtriebigen Theologen.
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