Wie sich der Papst in Australien auch der Missbrauchs-Krise stellt

Sexualität und Macht

Eigentlich will sich der Papst mit der Jugend der Welt zu einem Fest des Glaubens treffen. Aber Benedikt XVI. hat schon auf dem Flug nach Sydney klargemacht, dass es bei seinem Besuch in Australien nicht nur um fromme Lieder und farbenfrohe Events gehen kann: Er kommt auch mit einer ernsten Botschaft.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Das Kirchenoberhaupt kommt auch, um denen seine Solidarität zu bekunden, die von katholischen Geistlichen sexuell missbraucht wurden und die auch in Australien auf ein direktes Wort von ganz weit oben warten.

Die Kirche muss sich nach den Worten des Papstes fragen, was sie im Krisenmanagement falsch gemacht hat, aber auch bei der Priesterausbildung. "Wir werden für die Opfer alles uns Mögliche tun, um zu heilen und zu versöhnen", sagte der Papst während einer kurzen Pressekonferenz im Flugzeug nach Sydney. Und fast beiläufig bemerkte er, er wolle "im Wesentlichen das Gleiche sagen wie in Amerika".

Erinnerungen an die USA-Reise werden wach
Auch bei seiner Ankunft in den USA, drei Monate zuvor, war der Sex-Skandal frührer Jahre das beherrschende Thema. Es scheint ihn um den Globus zu verfolgen. Bei der USA-Reise im April war es weitgehend positiv aufgenommen worden, dass der Papst den sexuellen Missbrauch durch Priester direkt, offensiv und mit klaren Worten angesprochen und sich mit Opfern getroffen hatte.

Der klassische Ort für eine solche Klärung in Australien wäre die Messe, die er mit den Bischöfen des Landes, mit Priestern und Seminaristen feiert. Sie ist für Samstag geplant, als letzter Programmpunkt vor dem feierlichen Abschluss des Weltjugendtags mit Nachtwache und Festgottesdienst. Fraglich ist, ob Benedikt XVI. so lange wartet, nachdem er mit seiner Ankündigung vor Journalisten hohe Erwartungen geweckt hat.

Denn ausgerechnet diese - meist 20 bis 30 Jahre zurückliegenden - Sex-Skandale zählen in Australien zu den sensibelsten und emotionalsten Kirchenthemen der Gegenwart. Die Sache wurde wieder öffentlicher Diskussionsgegenstand, als Sydneys seit vier Jahren emeritierter Weihbischof Geoffrey Robinson im vergangenen Herbst eine bittere, freilich nicht unumstrittene Abrechnung mit den Fehlern der Kirche publizierte.

"Es gibt Dinge, die sind immer schlecht"
In seinem Buch über "Macht und Sexualität in der katholischen Kirche" prangert der wortgewaltige, ernste Kirchenrechtler nicht nur an, er drängt auf Bekehrung. Was seiner Schrift besondere Dramatik verleiht, ist sein Bekenntnis, dass er selbst als Jugendlicher Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen Kleriker wurde. Robinson blieb der Kirche treu, trotz alledem.

Benedikt XVI., der Philosoph und Theologe, verortet eine Ursache der Misere in einem bestimmten Ethik-Trend der 50er und 60er Jahre.
Damals, so stellte es der Papst mit einem historischen Exkurs im Flugzeug dar, meinte man moralische Normen jeweils neu aushandeln zu können. Ein Relativismus, der letztlich auch Tabubrüche ermöglicht habe und der deshalb niemals kirchliche Lehre habe sein können.  Jetzt schärft Benedikt XVI. klare Grenzen ein: "Es gibt Dinge, die sind immer schlecht. Und Pädophilie ist immer schlecht."

Unbequeme Fragen
Bischof Robinson indes stellt zusätzliche unbequeme Fragen. Er sieht die Pflicht zur Ehelosigkeit für Priester als zumindest einen Auslöser der Krise. Er widerspricht der Meinung, dass Missbrauch ein besonderes Problem bei Homosexuellen sei. Und er bezweifelt, dass Priesterseminare und Ordenshäuser immer geeignete Orte für eine derart fundamentale Persönlichkeitsbildung sind.

Im Kern jedoch geht es Robinson um ein Missverhältnis von Macht und Verantwortungsbewusstsein in der Kirchenhierarchie. "Mit Macht geht Verantwortung einher", schreibt der Bischof. "Der Papst hat oftmals Macht beansprucht, und er muss die entsprechende Verantwortung wahrnehmen." Genau das hat Benedikt XVI. im April auf spektakuläre Weise in den USA getan. Jetzt hat er es auch für Australien angekündigt.