Von einer Erhebung in den Adelsstand sprachen die Dresdner, als die Weltkulturorganisation UNESCO ihr Elbtal vor vier Jahren in die Welterbe-Liste aufnahm. Diese Einschätzung scheint zumindest bei Sachsens Landesregierung nicht mehr viel zu gelten: Seit zwei Jahren steht die Kulturlandschaft wegen des Baus der heiß umstrittenen Waldschlösschenbrücke auf der Roten Liste der gefährdeten Kulturgüter. Am Donnerstag (Ortszeit) entschied das Welterbe-Komitee im kanadischen Quebec, den Dresdnern eine letzte Galgenfrist von einem Jahr einzuräumen. Wenn sie verstreiche, ohne dass die Pläne ad Acta gelegt werden und ein Baustopp erfolgt, verliert das Elbtal den renommierten Titel.
Die Brücke würde nach Ansicht ihrer Kritiker die Sicht auf die berühmte barocke Altstadt-Silhouette der sächsischen Landeshauptstadt verschandeln. Sie wurde bereits in den 90er Jahren geplant, um die Verkehrsströme besser zu kanalisieren. Auch die UNESCO wusste von dem Projekt der wuchtigen, 600 Meter langen und vierspurigen Betonbrücke. Allerdings war ihr Standort nach Angaben der Weltkulturorganisation auf dem Dresdner Welterbe-Antrag nicht korrekt angegeben. Dort war von fünf Kilometern Distanz zur Altstadt die Rede; in Wirklichkeit sind es nur zweieinhalb. So würde die Brückenkonstruktion das Panorama, das schon den italienischen Maler Canaletto (1721-1780) zu seinen berühmten Dresden-Gemälden inspirierte, wesentlich beeinträchtigt.
Der Streit beschäftigte in den vergangenen Jahren auch Sachsens Verwaltungsgerichte und kam bis vor das Bundesverfassungsgericht. Eine grundsätzliche Weichenstellung brachte dies bislang nicht. Nach den Erfahrungen mit dem Kölner Dom, der vor vier Jahren wegen eines - inzwischen aufgegebenen Hochhaus-Projekts - ebenfalls auf die Rote Liste kam, mahnte der Bundestag die Verantwortlichen zu mehr Rücksicht auf den Ehrentitel. Eine «Berliner Initiative» für das Elbtal, der auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) angehört, rief die Stadt Dresden auf, das Brückenbauprojekt aufzugeben.
Auch der katholische Bischof von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, schaltete sich vor zwei Jahren in den Streit ein und verteidigte das Bauvorhaben: Es wäre ein sträflicher Fehler, den zugunsten des Projekts ausgegangenen Bürgerentscheid von 2005 nicht zu respektieren. Das Elbtal sei eine Kulturlandschaft, die sich weiterentwickle, betonte er.
Bislang scheiterten alle Vermittlungsversuche und Kompromissvorschläge, auch die von der UNESCO favorisierte Tunnel-Variante. Im vergangenen November begannen die Bauarbeiten. Dass sie in den kommenden zwölf Monaten gestoppt werden, scheint mehr als fraglich. Zu verhärtet scheinen die Fronten.
So bleibt das Elbtal als einziges deutsches Welterbe auf der Roten Liste, zusammen mit weltweit rund 30 weiteren. Dazu zählen vor allem Stätten außerhalb Europas wie die Jerusalemer Altstadt und die archäologischen Stätten des Bamiyan-Tals in Afghanistan. Das die UNESCO ihre Drohung wahrmacht, hat sie im vergangenen Jahr bewiesen. Erstmals wurde im Jahr 2007 dem Naturschutzgebiet im Oman der Titel wieder aberkannt.
Dresden behält vorerst Welterbe-Titel
Letzte Frist bis 2009
Dresden darf seinen Welterbe-Titel vorerst behalten. Die Stadt bleibt aber wegen der geplanten Walschlösschenbrücke auf der Liste des gefährdeten Welterbes. Und die Forderungen der UNESCO bleiben die gleichen - sonst droht im nächsten Jahr eine Aberkennung des Titels.
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