Der SPD-Vorstand hatte am Montag einem sozialpolitischen Neun-Punkte-Programm zugestimmt, das auf dem am Freitag beginnenden Hamburger Parteitag beschlossen werden soll. Es fordert eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere, flexiblere Übergänge bei der Rente, strengere Vorschriften bei der Leiharbeit sowie eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 4,2 auf 3,5 Prozent. Ein CDU-Parteitag hatte sich im vergangenen Jahr ebenfalls für eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere ausgesprochen.
Nicht kostenneutral
CDU-Wirtschaftspolitiker Lauk rief seine Partei zum Verzicht auf eine längere ALG-I- Bezugsdauer für Ältere auf. Eine kostenneutrale Verlängerung, wie sie die CDU anstrebe, sei illusorisch. Lauk bezifferte die Mehrkosten für ältere Arbeitslose mit 2,9 Milliarden Euro. Diese Summe könne bei den Jungen unmöglich eingespart werden. Eine Verlängerung der Bezugsdauer für Ältere gefährde zudem den weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit in dieser Bezugsgruppe. Die CDU-Parteitagsbeschlüsse für eine Verlängerung der ALG-Leistungen seien immer als "Doppelbeschlüsse" gesehen worden. Im Gegenzug sollte die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes erfolgen.
Beck sagte, er sehe Spielräume für eine Einigung mit der Union. Eine Kürzung für die Jüngeren werde es mit der SPD aber nicht geben. "Wer gerade eine Familie gründet, braucht nicht weniger, sondern mehr Sicherheit", sagte er. Die Arbeitslosenversicherung bleibe eine Risikoversicherung.
Politik der Linken wirkt
Hundt kritisierte, nicht nur die von der SPD angestrebte Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I gehe in die falsche Richtung. Auch die Wiederbelebung teurer, schon in der Vergangenheit gescheiterter Arbeitsmarktprogramme, die rentenpolitischen Maßnahmen und die von geforderten Einschränkungen der Zeitarbeit seien falsche Signale. Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt sei auch der "Agenda 2010" zu verdanken. "Deshalb habe ich keinerlei Verständnis dafür, dass die SPD ausgerechnet dieses erfolgreiche Konzept durch ihre Vorschläge wieder demontiert", sagte er weiter.
Hundt forderte die Bundesregierung auf, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung stärker als geplant bis auf 3,2 Prozentpunkte zu senken. Pau sagte, die Bewegung bei der SPD könne mehr Spielräume für politische Alternativen eröffnen. Dies gelte nicht unbedingt gleich auf Bundesebene, aber in den Ländern und Gemeinden. Die Debatte zeige, dass die Politik der Linkspartei wirke. Es gebe jedoch noch große Unterschiede zur SPD etwa in der Außenpolitik. Bevor man über Koalitionen rede, müsse sich die SPD in ihrer praktischen Politik noch viel stärker bewegen.
DGB erfreut über Korrekturen
Der sächsische DGB-Chef Hanjo Lucassen sagte, Beck habe sich beim Arbeitslosengeld I "erfreulich bewegt". Er sei sich sicher, dass die SPD zur Bekämpfung der Kinder- und Altersarmut bisherige Ergebnisse der Reformpolitik korrigieren werde.
Auch der nordrhein-westfälische DGB-Vorsitzende Guntram Schneider forderte weitere Änderungen etwa bei der Anrechnung privater Vermögen und bei den Zumutbarkeitsregelungen für Arbeit. "Wir brauchen eine Generalrevision der 'Hartz'- und Arbeitsmarktgesetze", sagte er. Bisher werde sehr viel gefordert, aber viel zu wenig gefördert.
Der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy sagte, für eine Verlängerung des ALG I für Ältere sei nur ein kleiner Teil der Überschüsse der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit erforderlich. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres hätten sich die Ausgaben für das Arbeitslosengeld I um mehr als 4,1 Milliarden Euro verringert. Diese Einsparung sei nicht auf die konjunkturelle Entwicklung, sondern auf die Leistungskürzungen beim ALG I für Ältere zurückzuführen.
Fehler aus den 80'ern nicht wiederholen
Der Vize-Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever, hatte die geplante Verlängerung des Arbeitslosengeldes (ALG) für Ältere als "Rolle rückwärts" kritisiert. "Jede Verlängerung des Arbeitslosengeldes ist ein Schritt in die falsche Richtung", sagte Clever am Montag im Deutschlandfunk. Damit würde ein Fehler aus den 80ern wiederholt, als durch längere Bezugszeiten die Arbeitslosenzahlen deutlich nach oben gingen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse bei dem Thema "ordnungspolitisch führen", was bedeute, nicht an der "Agenda 2010" zu rütteln.
Die Einschätzung von SPD-Parteichef Kurt Beck, eine längere Bezugsdauer des ALG I koste rund 800 Millionen Euro, sei "eine Wunschzahl", sagte Clever. Nach Schätzung der Bundesagentur sei mit ein bis zwei Milliarden Euro, im Extremfall sogar mit bis zu 2,9 Milliarden Euro zu rechnen.
Linke sieht Chancen für Bündnis mit der SPD - Kritik von Arbeitgebern
SPD rückt nach links
Nach dem Beschluss des SPD-Vorstands zum Arbeitslosengeld (ALG) I geht der Streit in der großen Koalition um eine Verlängerung der Bezugsdauer für Ältere weiter. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, warnte seine Partei am Dienstag davor, dem Drängen von SPD-Chef Kurt Beck nachzugeben. Kritik kam auch von Wirtschaftsvertretern. Zustimmung von Seiten der Gewerkschaften und der Links-Fraktion.
Share on